Bairische Sprache und Dialekte:Bayern in Not

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Weil der alte Vorstand komplett aufhört, wird der Förderverein "Bairische Sprache und Dialekte" Ebersberg-Erding nun unter anderem von einem Sachsen und einem Niedersachsen geführt.

Von Korbinian Eisenberger

In Bayern konnte man sich als "Preiß" bisweilen schon glücklich schätzen, wenn man nicht zum "Saupreißen" degradiert wurde. Wer die Einstufung vornahm, dem ging die geografische Herkunft des Preußen dabei in der Regel geschmeidig an der Hutschnur vorbei. Entscheidend war schließlich nur, dass der Betreffende kein Bairisch konnte. Um zumindest zum "Edelpreißen" aufzusteigen, dafür musste ein Zuagroaster am Stammtisch oft so lange Gschertheiten über sich ergehen lassen, bis er alt und grau wurde. Beim "Förderverein Bairische Sprache und Dialekte" mag es daran liegen, dass immer mehr seiner eigenen Mitglieder zum Hackelstecker statt zur Goaßlschnoitzn greifen. Jedenfalls scheint der alternde Verein jetzt neue Wege gehen zu wollen. Dem Bayern naturgemäß fremdartige Völker werden dort jetzt schneller integriert, wie die Jahreshauptversammlung des Landschaftsverband Ebersberg-Erding gezeigt hat.

Der Verein hat am Freitagabend in Markt Schwaben erstmals einen Sachsen und einen Niedersachsen in die neue Führungsriege gewählt. Dass das Gremium ab sofort nicht mehr in rein bayerischer Hand liegt, passte jedoch nicht jedem der Vereinsmitglieder in den Kram. Er komme "aus dem feindlichen Ausland", stellte sich Klaus Schiermann den Mitgliedern des Sprachvereins im Gasthof "Oberbräu" mit einem Augenzwinkern vor. Der freiberufliche Stimmtrainer machte dabei keinen Hehl daraus, dass er der bayerischen Sprache nicht mächtig ist. Daran, dass der gebürtige Braunschweiger ohne Gegenstimme zum Kassier des Vereins gewählt wurde, änderte dies freilich nichts. Einen Gegenkandidaten gab es schließlich für keines der vier höchsten Vereinsämter, die an diesem Abend allesamt neu besetzt werden mussten. Der zweite Vorstand, der bisherige Kassier und der Schriftführer waren allesamt aus Gesundheitsgründen nicht mehr angetreten. Franz Bogner, 69, der den Verein seit 2005 als Vorstand geleitet hatte, kündigte aus Altersgründen ebenfalls seinen Rückzug an. Angesichts der vielen leeren Stühle im Festsaal durfte er schon froh sein, dass sich überhaupt vier Freiwillige für die Neuwahlen gefunden hatten.

Der fehlende Nachwuchs ist allem Anschein nach das größte Problem des Fördervereins vom Landschaftsverband Ebersberg-Erding. Die etwa 300 zugehörigen Mitglieder in Ebersberg, Erding, Freising und Mühldorf hätten zwar im vergangen Jahr Zuwachs von einigen jungen Leuten erhalten, sagte Bogner. Zu sehen war davon jedoch auf der Jahreshauptversammlung nichts. Lediglich die vier Burschen von der Volksmusikgruppe versprühten einen Hauch von jugendlichem Charme. Die Mitglieder an den Biertischen spiegelten dagegen das Durchschnittsalter des Vereins wieder. Es soll laut Bogner zwischen 60 und 65 Jahren liegen. "Wir bräuchten ein paar junge Leute, die sich im Verein engagieren", sagte Bogner, der seit 20 Jahren Vorträge in Schulen und Einrichtungen hält. Es heiße "des Teller" und "der Butter" erzählt er dann. Und dass der Bayer auf dem Weg in die Landeshauptstadt noch nie "nach München fuhr" sondern schon immer "nach Minga gfahrn is".

Seine Vorträge darüber, dass Bairisch eine eigenständige Sprache ohne Imperfekt ist, will Bogner weiterhin halten. Um alles andere kümmert sich zukünftig sein Nachfolger Manfred Trautmann. In Lederhosen, Kniestrümpfen und Haferlschuhen präsentierte der 67-jährige Autor und Theater-Regisseur seinen Wählern alsbald seine Fertigkeiten. In einem inszenierten Zank am Bahnhofsschalter mit seinem zukünftigen Kassier Schiermann zeigte der Peitinger, wie man sich als oberbayerischer "Ruach" schamlos an der Not eines reisenden "Preißen" bereichert. Trautmann schrieb jahrelang Texte für Zeitungen und Zeitschriften, heute verfasst er Radio-Anthologien, viele davon in Mundart.

Dass man sich mit Menschen, die den bayerischen Dialekt selbst nicht beherrschen auch ernsthaft überwerfen kann, hatte zuvor ein älterer Herr mit Trachtenjanker eindrucksvoll unter Beweis gestellt. Noch vor den Vorstandswahlen beschwerte er sich über eine geplante Neubesetzung: Angesichts der Kandidatur des Niederschlesiers Andreas Zimmermann für das Amt des zweiten Vorstands laufe es ihm "eiskalt den Buckel runter", sagte der grauhaarige Mann. "Wer koa bairisch spricht, der ghört ned in unsan Vorstand", schimpfte er über den Bergbauingenieur aus Bad Muskau und handelte sich sogleich den Zorn der übrigen Vereinsmitglieder ein. Der Mann ruderte zurück, als sich herausstellte, dass Andreas Zimmermann lediglich für das Amt des Schriftführers kandidieren wolle. Dessen Namensvetter Dieter Zimmermann aus Erding wurde schließlich zum zweiten Vorstand gewählt - ohne Gegenstimme.

Bei der anschließenden Wahl zum Schriftführer durfte man gespannt sein, wie sich der grantige Mann mit dem wohl nicht mehr ganz so verkühlten Buckel nun denn entscheiden würde. Die Musi verstummte, die meisten Blicke waren auf den grauhaarigen Mann gerichtet. Und schließlich hob auch er ohne zu zögern seine Hand für den einzigen Kandidaten Andreas Zimmermann. Und nachdem eine Stunde später auch das letzte Vereinsmitglied im Saal zu einem Deligiertenamt überredet war, schüttelte der grauhaarige Grantler dem neuen Schriftführer die Hand. Mit 54 ist der Andreas Zimmermann aus Bad Muskau der mit Abstand jüngste im Führungsquartett des Fördervereins. Mit dem Dasein als "Preiß" dürfte Andreas Zimmermann sich ohnehin längst arrangiert haben. Seine Heimatstadt Bad Muskau war seit 1815 tatsächlich Teil des einstigen Preußens.

© SZ vom 31.03.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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