Aus dem Kreistag:Wenn die Putzfrau zweimal klingelt

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Um auf den demografischen Wandel zu reagieren, will der Landkreis seinen älteren Bewohnern besseren Zugang zu Hilfen im Alltag vermitteln. Die Ermittlung des Bedarfs gestaltet sich allerdings schwierig

Von Wieland Bögel, Ebersberg

Rasenmähen, Einkaufen oder Tätigkeiten im Haushalt, viele gewohnte Handgriffe werden mit zunehmendem Alter zunehmend schwierig. Im Landkreis Ebersberg sollen Senioren nun im Alltag unterstützt werden, dies hat der Sozialausschuss des Kreistages beschlossen. Unklar ist bisher allerdings, wie groß der Bedarf eines solchen Angebotes des Kreises ist, dieser soll in den kommenden zwei Jahren ermittelt werden.

Dass es grundsätzlich steigenden Bedarf an Hilfen in Haus und Garten geben dürfte, davon kann man ausgehen. Schließlich steigt laut Prognose des statistischen Landesamtes nicht nur die Zahl der Landkreisbürger - auf knapp 160 000 bis 2035 - sondern überproportional auch der Anteil der Älteren. Aktuell haben knapp 19 Prozent der Einwohner zwischen Anzing und Aßling ihren 65. Geburtstag schon gefeiert, in 20 Jahren könnten es bis zu 28 Prozent sein.

Vor diesem Hintergrund hatte die SPD-Kreistagsfraktion "gezielte Bemühungen und Maßnahmen zur flächendeckenden Etablierung hauswirtschaftlicher Fachdienste für ältere und pflegebedürftige Menschen" beantragt. Viele von ihnen, so die Begründung des Antrags, hätten nach dem neuen Pflegestärkungsgesetz sogar Anspruch auf Erstattung solcher Dienste - wenn es sie denn gibt. Darum, so die Forderung der SPD, solle man einen Runden Tisch einberufen "an dem vorhandene Strukturen gesichtet, weiße Flecken auf der Landkarte entdeckt sowie ein Konzept für die Versorgung aller Städte und Gemeinden im Landkreis entwickelt wird."

Was zum jetzigen Zeitpunkt keine gute Idee sei, so die Einschätzung der Verwaltung. Wie Marion Wolinski von der Abteilung Soziales im Landratsamt und der Demografiebeauftragte Jürgen Specht erklärten, fehlten dafür die Grundlagen, etwa wie hoch der Bedarf für welche Angebote sei. Würde man aktuell den Runden Tisch einberufen, könne dort "eine Diskussion nur anhand gefühlter Bedarfe oder auf Basis von Vermutungen geführt werden." Der Gegenvorschlag war daher, den Antrag der SPD bis auf weiteres zurückzustellen, solange keine verlässlichen Daten über den Bedarf vorliegen. Diese sollen im Rahmen des Projektes "präventive Hausbesuche" ermittelt werde. Dabei besuchen pädagogische Fachkräfte des zentralen Sozialdienstes die Senioren zu Hause und informieren zum einen über im Landkreis vorhandenen Angebote und Hilfen. Zum anderen sollen die Besucher sich auch "einen Eindruck über die Wohnsituation" verschaffen und daraus "gegebenenfalls einen Bedarf ableiten". Also beispielsweise für eine Haushaltshilfe oder einen Einkaufsdienst. In der Stadt München habe man mit diesem Konzept seit 2010 gute Erfahrungen gemacht.

Renate Will (FDP) und Wilfried Seidelmann (FW) störten sich etwas an der Formulierung "präventiv". Ihre Kritik: Man könne doch nicht ungefragt den Senioren Besucher ins Haus schicken, die sich dort dann umschauten. Dies werde auch nicht passieren, versicherte Specht. Die Hausbesuche müssten zunächst von den Senioren, deren Nachbarn, Bekannten oder den Gemeinden angefragt werden. Dann nehme man mit den Betroffenen Kontakt auf und frage, ob ein Besuch erwünscht sei.

Bianka Poschenrieder (SPD) warb trotzdem für eine schnelle Einführung des Runden Tisches. Der Ansatz der Verwaltung, den Bedarf durch Hausbesuche zu ermitteln sei ja grundsätzlich gut. Aber man müsse auch etwas dafür tun, dass der Bedarf dann auch gedeckt werden könne. Wofür allerdings nicht der Kreis, sondern die Städte und Gemeinden zuständig seien, sagte Wolinski, dies sei Teil der verpflichtenden kommunalen Daseinsfürsorge. Dann solle man vielleicht parallel zu den Hausbesuchen "in den Gemeinden nachfragen, was es dort schon alles gibt", regte Tobias Scheller (CSU) an.

"Das wäre vom Aufwand überschaubar", stimmte Landrat Robert Niedergesäß (CSU) der Idee zu, man könne vielleicht ein Rundschreiben an alle Rathäuser verschicken, in dem die Kommunen gebeten werden, die Angebote zu nennen, die es bei ihnen gibt. Oder man könne das Thema gleich bei der nächsten Bürgermeisterdienstversammlung ansprechen und die Rathauschefs um eine Bestandsaufnahme der Hilfsangebote in ihren Kommunen bitten.

Diese Idee fand eine breite Mehrheit im Ausschuss, genau wie die Einführung der präventiven Hausbesuche. In einem Jahr soll es einen Zwischenbericht geben, wie das Angebot angenommen wurde und welchen Bedarf an weiterführenden Hilfen es gibt. Die einzige Gegenstimme kam von Rolf Jorga (CSU), er äußerte grundsätzliche Kritik sowohl an dem Antrag der SPD, wie am Vorschlag der Verwaltung: "Ich kann die Sache nicht greifen, es gibt doch schon Nachbarschaftshilfe und Caritas, was soll der Kreis denn da noch machen."

© SZ vom 07.10.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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