Auftritt unter Vorbehalt:Musik gegen Unmenschlichkeit

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Band mit Asylbewerbern spielt bei den Ebersberger Kulturtagen. Die Veranstalter wollen mit dem Konzert auch auf die unsägliche Situation der Flüchtlinge im Land aufmerksam machen

Thorsten Rienth

EbersbergHans Ratz ist Musiker. Und er weiß, dass er mit seiner Band am Donnerstagabend in der Ebersberger Volksfesthalle spielen wird. Der Kreisjugendring hat ihn und sein Musikprojekt "The Refugees" zu den Kulturtagen eingeladen. Was Hans Ratz nicht weiß ist: Mit wem er dort eigentlich spielen wird. Die Zusammensetzung des Ensembles hängt ab von der Laune der Ausländerbehörden in Bramsche, Reutlingen, Oldenburg, Hamburg.

Etwa die Hälfte der Musiker sind Asylbewerber. Sie leben verteilt in der ganzen Republik und unterliegen einer Regel, welche das "Asylverfahrensgesetz" etwas euphemistisch Residenzpflicht nennt. Man könnte auch sagen: Sie leben in einem Gefängnis, das so groß ist wie ihre Stadt oder ihr Landkreis. Ein ganz wesentlicher Teil des Grundgesetzes, die Freizügigkeit, gilt für sie schlicht nicht. Wenn Ratz also mit seinen Musikern ein Konzert geben will, muss er erst einmal aufs Ausländeramt.

Entstanden ist die Idee zu dem Musikprojekt erst im vergangenen Jahr. Da zog sich Ratz, ein Liedermacher mit Faible für ausgefallenen Protest, Outdoorkleidung über und setzte sich aufs Fahrrad. Kreuz- und quer durch die Bundesrepublik fuhr er. Nicht von Sehenswürdigkeit zu Sehenswürdigkeit, sondern von Flüchtlingsheim zu Flüchtlingsheim. Dort spielte er dann. 70 Konzerte in 70 Städten, das Eintrittsgeld ging an die Asylbewerber. Auf diesen Konzerten lernte er exzellente Musiker aus aller Welt kennen - die Idee der "Refugees" war geboren.

Vier von fünf dieser Reiseanträge bekommen die Musiker inzwischen im Schnitt bewilligt, schätzt Ratz. Er hat trotzdem seine liebe Not damit, die Konzerte zu organisieren. "Manchmal weiß ich erst einen Tag vorher, ob ein Musiker die Genehmigung bekommt." Jemanden dann noch schnell von Bramsche nach Ebersberg zu bekommen, werde dann schwierig. Außerdem trüge die 80-Prozent-Quote. "Es gibt auch Ämter, da klappt es höchstens bei einem von fünf Versuchen."

Hans Ratz gehört nicht zu denen, die ein Blatt vor den Mund nehmen. Geht es um Protest, schon gar nicht. Was es da wohl bedeuten mag, dass er sich ausgerechnet dann auf die Zunge beißt, wenn das Gespräch um die Behörden gehen soll, die über die Anträge entscheiden? Einen Rechtsanspruch auf die Reisen der Asylbewerber gibt es nicht. Wenn der Sachbearbeiter nicht will, dann will er eben nicht. Eine Ratz'sche öffentliche Schelte dürfte dem Projekt wenig dienlich sein.

Wenn also alles gut geht, sind am Donnerstagabend in der Volksfesthalle etwa die Hälfte der Musiker Asylbewerber. Ihre Namen kennt in Deutschland so gut wie niemand. Wahrscheinlich könnten die meisten Menschen hier nicht einmal die Namen der Künstler aussprechen. In ihren Heimatländern allerdings sind die Musiker nicht selten bekannte Leute - Leute, die nach Deutschland geflohen sind, weil sie sich in Lebensgefahr befinden und der Folter ausgeliefert wären.

Daher geht es für Ratz nur zum Teil ums gemeinsame Musizieren - internationale Folkmusik dürfte sich dieses Potpourri wohl nennen. Der Hintergrund des Projekts ist die große Politik. Er wolle auf die "unsägliche Situation der Flüchtlinge aufmerksam machen", sagt er. Auf das menschenunwürdige Dasein in den Flüchtlingsheimen, auf den unsäglichen rechtlichen Status der Menschen. "Was diese Dinge angeht, da schäme ich mich für mein Land", erklärt Ratz. "Natürlich ist es ein politisches Statement, dass wir die "Refugees" eingeladen haben", erklärt Anna Greithanner vom KJR-Vorstand. Auch dort spielt Scham eine Rolle. Zum Beispiel darüber, dass sich einige Stadt- und Gemeinderäte im Landkreis vehement sperren, mehr städtische Wohnungen als Asylbewerberunterkünfte zur Verfügung zu stellen.

Das Konzert beginnt um 19.30 Uhr. Um 18 Uhr findet eine Diskussionsrunde statt zum Thema "Asylbewerber im Landkreis Ebersberg".

© SZ vom 13.09.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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