Archive:Schätze im Schatten

Lesezeit: 3 min

Die meisten Kommunen im Landkreis vernachlässigen ihre Archive, obwohl die Geschichtspflege Pflicht ist

Von Karin Kampwerth, Ebersberg

Die Geschichte der Gemeinden im Landkreis stärker ins Bewusstsein der Bürger zu rücken, so lautet der Appell von Kreisarchivpfleger Bernhard Schäfer und dem Leiter des Münchner Staatsarchivs, Christoph Bachmann. Beide machten den Archivaren, die sich am Mittwoch im Ebersberger Landratsamt zu ihrer sechsten Kommunalarchivtagung getroffen haben, Mut zu mehr Öffentlichkeitsarbeit. Ein guter Anfang dafür könnte etwa der Tag der Archive sein, der am 3. März des kommenden Jahres begangen wird.

"Archive sind nichts Verstaubtes, das ist ein lebendiger Organismus", schwärmte Schäfer von der Aufgabe, der Vergangenheit eines Ortes eine Struktur zu geben, entlang derer sich die Menschen in Zukunft erinnern können. Dennoch, und daraus machte Schäfer keinen Hehl, gebe es bei der Pflege der Archive "viel Luft nach oben". So gebe es im Landkreis Bürgermeister, die das Gedächtnis ihrer Gemeinde in die Hände eines Verwaltungsbeamten legten, der das quasi nebenbei erledigen solle. Oder es werde "einem Ruheständler freundlich getan", das sei nichts anderes als Ausnutzung, auch wenn das Engagement der Ehrenamtlichen anerkennenswert sei, sagte Schäfer. "Die Gemeinden müssen ihre Archivbetreuer finanziell unterstützen, damit eine vernünftige Arbeit möglich ist", forderte er. Schließlich sei der Aufbau und die Pflege eines Gemeindearchivs kommunale Pflichtaufgabe.

Dass in den Archiven einiges im Argen liegt, war auch den Berichten der Verantwortlichen aus neun von 21 Landkreisgemeinden zu entnehmen. Irmgard Huber zum Beispiel, die mit ihrem Ehemann Josef das Aßlinger Gemeindearchiv betreut, würde sich gerne mit einer Ausstellung am Tag der Archive beteiligen. "Aber wir haben gar keinen Platz dafür, wir könnten nur Ordner zeigen", berichtete sie von den beengten Verhältnissen.

Als "Kraut und Rüben" bezeichneten Andrea Frick und Heidi Flix den Zustand des Markt Schwabener Gemeindearchivs, um das sie sich kümmern. Nach dem Umbau des Rathauses müssten zahlreiche Akten durchforstet werden, weil auch das Bauamt ausgemistet habe. Ebenfalls ausbaufähig sind die Arbeitsbedingungen von Ulrike Flitner aus Vaterstetten. "Wir haben die Registratur, das ist es dann auch schon", beklagte sie. Dennoch bereite sie für das kommende Jahr zwei Ausstellungen vor, eine über 200 Jahre Bayern und eine weitere zur "Alten Post" in Parsdorf. Zeit, um Strukturen aufzubauen oder die EDV voranzutreiben, bleibe da nicht. Barbara Kreutzer, die seit einem halben Jahr mit dem Aufbau des Glonner Gemeindearchivs beschäftigt ist, steht hingegen noch ganz am Anfang. "Aufräumen, sauber machen, sichten", so beschrieb sie ihre derzeitige Arbeit, die sie aber dank eines Gemeinderatsbeschlusses "ordentlich" ausüben könne. "Ich freue mich, der Anfang ist gemacht", sagte Kreutzer, die in Begleitung von Bürgermeister Josef Oswald nach Ebersberg gekommen war.

Offensive Geschichtsarbeit pflegen hingegen Traudl Raith und Ingeborg Schmid aus Moosach. Acht Ausstellungen hätten sie bereits mit Exponaten aus dem Archiv organisiert. Für ein Heimatbuch sind die beiden engagierten Frauen außerdem mit Laptop und Scanner von Haustür zu Haustür gelaufen, um mit Moosacher Zeitzeugen über die Vergangenheit zu sprechen und Fotos einzusammeln. Allerdings sei auch in Moosach der Archivraum zu klein, um etwa zu einem Tag der offenen Tür einzuladen. In Emmering geht Archivpfleger Pankraz Spötzl von vorneherein aus seiner Aktenkammer an die Öffentlichkeit. Spötzl lädt regelmäßig zum Archivstammtisch ein, um sich mit anderen interessierten Emmeringern über die Ortsgeschichte auszutauschen. Sein neuestes Projekt: Alte Dokumente mit Frakturschrift auf dem Computer zu erfassen, "weil das sonst bald keiner mehr lesen kann".

Im Vergleich luxuriös sind die Zustände hingegen in Frauenneuharting und Ebersberg. In ersterer Gemeinde wohl auch, weil Bernhard Schäfer und sein Vater Berthold, der das Frauenneuhartinger Archiv betreut, zu Hause sind. Die Räumlichkeiten reichten sogar aus, um dem aufgelassenen Pfarrhof Asyl zu gewähren. Und in Ebersberg ist Antje Berberich im geräumigen Rathausspeicher aktiv, kann regelmäßige Ausstellungen organisieren und freut sich auf ein "Riesenlager", das sie bald bekomme, um 3000 Kunstwerke zu archivieren. Ein wenig Sorge vor zu viel Öffentlichkeit äußerte hingegen Anzings Bürgermeister Franz Finauer, der mit Archivbetreuer Franz Niederreiter die Tagung besuchte. Finauer warnte vor strengen Datenschutzbestimmungen, die die Archive einzuhalten hätten. "Wir sollten den Ball lieber flach halten", entgegnete Finauer der Aufforderung von Staatsarchivleiter Bachmann, für den Besuch der Archive zu werben.

© SZ vom 07.12.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: