Ansturm verursacht teils Chaos:Spaziergang durch die Geschichte

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Zum Tag des offenen Denkmals ist in Ebersberg und Elkofen ein vielfältiges Programm geboten. Tausende Besucher strömen in das Alte Kloster und ins Schloss Elkofen

Von Clara Lipkowski

Bei schönstem spätsommerlichem Wetter strömen am Sonntag Tausende Besucher nach Ebersberg und Grafing: In der Kreisstadt ist am Vormittag das Alte Kloster und in Grafing am Nachmittag das Schloss Elkofen ausnahmsweise geöffnet. Zum Tag des offenen Denkmals bieten die Kreisheimatpfleger und Stadtführer unterhaltsame Kurzvorträge. Ein Spaziergang.

Kloster Ebersberg

Schon um kurz vor Zehn am Morgen schauen rund 70 Besucher vor dem Eingang zum Alten Kloster erwartungsvoll Thomas Warg an. Der Stadtführer ruft immer wieder die Gruppeneinteilung in die Menge, damit nicht alle gleichzeitig das ehemalige Kloster stürmen. Unterdessen stimmen die Musiker der Blechbagage ihre bairische Blasmusik an. Zünftig eingestimmt geht es dann in das Gebäude, das heute auch das Finanzamt beherbergt. Die Zeit drängt, schließlich tummeln sich immer mehr Besucher auf dem Schlossplatz. 1200 werden es mindestens bis Mittag sein.

Man steigt also knarzende Holzstufen hoch und versammelt sich im Treppenhaus, umgeben von ausgestopftem Wild und Geweihen an der Wand. Historiker Bernhard Schäfer schildert mit sonorer Stimme im Schnelldurchlauf die Geschichte des Klosters und des Einzugs des Christentums in Ebersberg mit dem Augustiner-Orden, später den Benediktinern, Jesuiten und zuletzt den Maltesern.

Der Legende nach soll im 9. Jahrhundert die Marienkappelle entstanden sein. Dem Anspruch der Kleriker habe das "Kappellchen", sagt Schäfer, aber schnell nicht mehr genügt, ein "markanter Standort" musste her, ein Kloster. Als der Priester Hunfried aus Rom dann auch noch die Hirnschale des Heiligen Sebastian nach Ebersberg brachte, hielt das Christentum vollends Einzug: Im 10. Jahrhundert setzte die Wallfahrt nach Ebersberg ein und sollte über Jahrhunderte anhalten.

Anekdoten liefert Schäfer auch: In den 1520ern habe es das Kloster mit einem "schlimmen Finger" zu tun bekommen: Ein Abt verprasste das Klostervermögen, galt zudem als "notorischer Beischläfer" - die Zuhörer grinsen - und wurde verurteilt. Beziehungen aber zählten auch schon vor Hunderten von Jahren: Der Abt blieb bis zu seinem Tod in Amt und Würden. Gewappnet mit historischen Details ist man nun bereit für die nächste Station.

Über einen grauen Teppich geht es in den Festsaal - der alte Holzboden muss geschützt werden. Durch eine Flügeltür betreten die Besucher den Raum, in dem früher wohl ausgiebig gefeiert wurde. Leider ist keine Zeit für mehr Details zum Saal, dafür aber werden die Besucher von Zither-Klängen begrüßt. Vier Musiker zupfen andächtig an den Saiteninstrumenten vor ihnen auf dem Tisch. Da steht Martin Otter schon bereit. Er ist einer der drei Brüder, denen das frühere Kloster mittlerweile gehört. Seine Urgroßeltern hätten das Haus 1901 erworben, berichtet er den Besuchern, die noch über die bunten Verzierungen an den Wänden staunen. "Solche Gebäude stiften Identität für eine Stadt", findet Otter, deswegen sollten sie auch erhalten werden. "Seit 15 Jahren erstellen wir Unterlagen über das Gebäude", Lagepläne und Querschnitte zum Beispiel. In Zusammenarbeit mit einem Restaurator seien 40 bis 50 Farbschichten entdeckt worden - das Gebäude habe sich über die Jahrhunderte stark verändert. Nun gelte es, die Substanz zu erhalten, sagt Otter, daran arbeiteten auch Statiker und Architekten.

Die nächsten Besucher stehen schon vor der Tür, also wird man höflich zurück auf den Schlossplatz komplimentiert. Dort steht Roswitha Hülser, gekleidet in rotem und schwarzem Samt. Sie stellt sich als Regina Reis vor, Hofwirtin. Als eine der reichsten Menschen in der Stadt führt sie im Ebersberg des Jahres 1655 eine Taverne für die besseren Leute. Denn die Pilger, die kommen, wollen ja auch versorgt sein. Vor dem Kloster führt sie die Zuhörer gedanklich über den Marienplatz und erklärt Gebäude für Gebäude.

Weiter geht's zu Wolfgang Oppler in Mönchskutte. "Ah, das war ja klar, dass man dich hier antrifft", feixt ein Besucher mit einem Bekannten, den er in der Gruppe erkannt hat. Hier geht es nämlich um's Bier. Das Kloster Ebersberg mit seinen Mönchen war über viele Jahre nicht nur bedeutender Bierproduzent, sondern auch Lieferant, erfährt man hier, erschrickt dann aber ob der peitschenden Geräusche, die jetzt von der anderen Seite des Platzes herüberdringen. Also hin. Das lässt sich auch der Mönch nicht entgehen.

Sepp Huber spielt gerade Akkordeon, während sechs Männer lange Peitschen elegant durch die Luft hieben. Goaßlschnoizn heißt dieser rhythmische, urbayerische Sport. Zwei Kinder drücken sich leicht verängstigt an ihre Eltern, können aber den Blick nicht abwenden von den peitschenden Männern in Tracht.

Schloss Elkofen

Eineinhalb Stunden später droht auf dem kurvigem Weg hoch zum Schloss Elkofen kurz die Stimmung zu kippen. "Sie waren doch schon oben, ich habe Sie gerade runterkommen sehen", ruft eine Frau einem Mann zu, der gerade an ihr vorbei zur Burg marschiert. Sie warte schon seit einer halben Stunde eingelassen zu werden - und er gehe einfach schnurstracks hoch. Der Mann erklärt, er begleite nur eine Gruppe nach oben, um dann wieder runterzugehen. Die Frau faucht, das sei doch unverschämt. Eine andere stimmt ihr zu. Es sind jetzt ungefähr 24 Grad und Hunderte Menschen warten teils in der prallen Nachmittagssonne auf Einlass. Rund 1500 Gäste seien gekommen, schätzt ein Mitarbeiter aus dem Organisationsteam, später werden es wohl deutlich mehr gewesen sein.

Einige sind enttäuscht darüber, dass man, einmal oben angelangt, nicht in die Privaträume der Familie Rechberg, der das Schloss gehört, hineindarf. Eine Führerin schüttelt darüber nur den Kopf. "Sie würden ja auch nicht wollen, dass man in ihre Wohnung Hunderte Leute lässt."

In den friedlichen Innenhof der Burg darf man aber sehr wohl, und von dort sogar in den Turm mit der Zackenkrone. Der endet zwar mehr oder weniger im Nichts und ohne Aussicht, aber zwischendurch darf man auf den Dachboden abbiegen. Dort stehen verstaubte, schwere Holztische, eine Büste, alte Öfen, und geht man ganz hindurch, über durchgebogene Dielen, kann man einen Blick auf das imposante Gebälk des Dachstuhls erhaschen. Staunend und ein bisschen peinlich berührt schauen sich die Besucher um, Eindringling bleibt Eindringling.

Auch in die Burgkapelle strömen die Besucher. Hier geht zeitweise nichts mehr vor und zurück, immer mehr wollen herein, aber kaum einer heraus. Einmal durchgekämpft und zurück am Fuße des Schlossbergs, schlendert man anschließend mit der Grafingerin Kathi Schweiger durch den schattigen Waldweg zum Benefiziatenhaus. Der Weg sei früher eine "Bedienstentengasse" gewesen, erklärt sie und deutet auf ein hergerichtetes Haus, das früher einmal der Schmied gewesen sei. Das Benefiziatengebäude selbst ist in einem beklagenswerten Zustand, der Putz blättert ab, überall Staub und Verfall. Den Grund erklärt Schweiger: "Es darf so gut wie nichts verändert werden, weil das Gebäude unter Denkmalschutz steht." Ein Gruppe älterer Besucher tuschelt jetzt. "Hast du die Wände gesehen?" - "Ja, greißlich!"

Umso schöner aber ist die Umgebung, der Wald, jetzt noch dicht und grün, dämpft die Geräusche der Massen, die hier an diesem Tag einfallen. Fast meint man, die Fontäne im ehemaligen Burggraben plätschern zu hören. Dann setzt die Blechbagage ein, die aus Ebersberg angereist ist. Also weiter gehts, zur nächsten Station, es gibt noch viel zu sehen.

© SZ vom 11.09.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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