An der Musikschule Ebersberg:Harmonie hinter jeder Tür

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Junge Instrumentalisten und Sänger lernen beim Bandworkshop das Zusammenspiel. Neben neu geschaffenen Teams nehmen bereits bestehende Gruppen teil

Von Amelie Hörger

An Soli feilen. (Foto: Christian Endt)

Betritt man die Musikschule Ebersberg am Wochenende eines Bandworkshops, findet man hinter jeder Türe, die man öffnet, nicht nur verschiedene Gruppen von Menschen, sondern vor allem auch Musik ganz unterschiedlicher Richtungen. Im ganzen Haus summt, brummt und musiziert es. Tiefe Bassklänge, durchdringende Trompetentöne und die rhythmischen Beats von mehreren Schlagzeugen dringen aus den Räumen.

Bereits zum zwölften Mal veranstaltet die Musikschule Ebersberg den Bandworkshop. Ziel des Wochenendes ist es unter anderem, Teilnehmer, die sich fremd sind, zu vier Bands zusammenzuwürfeln und innerhalb des kurzen Zeitrahmens von eineinhalb Tagen ein funktionierendes Zusammenspiel zwischen den einzelnen Musikern und Musikerinnen zu erzeugen. Mitmachen kann jeder, der ein Instrument spielt oder gerne singt. Vorerfahrung in einer Band oder Unterricht an der Musikschule sind keine Voraussetzungen. Bei der Bandgründung und dem Einstudieren der Songs werden die zumeist jugendlichen Teilnehmer von vier banderfahrenen Musiklehrern wie beispielsweise Thomas Frühinsfeld unterstützt. Den krönenden Abschluss bildet am Ende ein Konzert, wo die einzelnen Gruppen präsentieren können, wie das Experiment schlussendlich funktioniert hat.

Öffnet man beim diesjährigen Bandworkshop eine der Türen im Dachgeschoss der Musikschule, schlagen einem Jazzklänge entgegen. Hier sitzt eine junge Gruppe um Musiklehrer Hermann Rid gerade an dem Stück "On Broadway". Zwischen acht und 15 Jahre alt sind die Teilnehmer an Klarinette, Trompete, Schlagzeug und Keyboard. Auf die Frage, wer denn das erste Mal beim Bandworkshop dabei sei, hebt gut die Hälfte die Hand. Gemeinsam gespielt hätten sie noch nie, sagt die 15-jährige Annika. Mit anderen in einer Band zu musizieren, ohne sich überhaupt zu kennen: eine ziemliche Herausforderung. Erste schwere Aufgabe an diesem Tag ist zunächst aber das Auspacken aller Instrumente. Der Reißverschluss am Klarinettenkasten des 15-jährigen Julian klemmt. Aber kein Problem für dieses Team: Einer hält die Taschenlampe, der andere zieht am Verschluss und am Ende kann es dann doch losgehen.

Den Rhythmus halten, ein gutes Miteinander. (Foto: Christian Endt)

Hermann Rid sitzt während der Probe wippend auf seinem Stuhl, schwingt den Taktstock, springt auf, schreitet ein, wenn das Tempo nicht stimmt, und gibt Tipps, damit im Mix der Instrumente keines untergeht. "Ihr seid zwei Klarinetten gegen zwei Trompeten, da müsst ihr mehr geben", mahnt er beispielsweise an. An diesem Wochenende geht es eben nicht um das Spiel des Einzelnen, sondern um den Gesamtklang der Gruppe. Der Boden unter den Musizierenden vibriert regelmäßig, denn eine Etage tiefer ist eine Band am Werk, die kein Freund der leisen Töne ist und sich auch nicht erst seit gestern als Truppe zusammengefunden hat.

Die vier Jungs, die sich die Witch Doctors nennen, kennen sich bereits aus der Schule und sind schon jetzt eine gut aufeinander abgestimmte Band. Die Zeit im Workshop wollen sie vor allem dazu nutzen, an eigenen Songs zu feilen und sie auf die Bühne zu bringen. Aktiv daran beteiligt ist Maurizio Saccomanno, der die Band überredet hat, teilzunehmen. "Die Idee war, dass wir hier schon vorhandenes Songmaterial, lose Fetzen und Motive zusammenpacken und die Songs gemeinsam zu Ende bringen", erklärt Saccomanno das Wochenendziel für die Band.

Denn auch darum geht es beim Workshop: Die Verantwortlichen wollen nicht nur neue Bands gründen helfen, sondern auch bereits existierende fördern und ihnen einen Schubs geben - im Falle der Witch Doctors in Richtung "Eigenmaterialentwicklung". Beim abschließenden Konzert spielt die Band deswegen nur selbstgeschriebene Songs.

Sich im Gesamtklang zurechtfinden. (Foto: Christian Endt)

Mit eigenen Lieder aufzutreten, davon ist die Gruppe, die sich Fatal Harm nennt, noch weit entfernt. Direkt gegenüber der Tür, hinter der Rid mit seiner Jazzband probt, befindet sich der Coachingbereich des wiederkehrenden Gastdozenten Timo Kresslein und seiner frisch gegründeten Truppe. "Wir haben uns alle gestern erst kennengelernt", sagt der 19-jährige Gitarrist Christian Rieger. Davon ist allerdings kaum etwas zu merken: Das Zusammenspiel zwischen Keyboard, Gesang, Schlagzeug, Bass und E-Gitarre harmoniert, die Bandmitglieder sprühen vor Energie und Motivation. Lehrer Kresslein verzichtet im Gegensatz zu den Kollegen gleich komplett auf einen Stuhl, schließlich wäre es bei den tanzbaren Klängen von "Kids in America" ohnehin schwer, sitzen zu bleiben.

Gearbeitet wird hier aber nicht nur an korrekten Harmonien und dem Zusammenspiel verschiedener Instrumente, auch Teamarbeit wird gefördert: Überall helfen sich die Teilnehmer auch gegenseitig. Da sprechen die Schlagzeuger über Takt und Rhythmus, die Klarinettisten über Melodien und die E-Gitarrist und der Bassist koordinieren ihre Solos.

Was zunächst wie eine immense Herausforderung scheint - in wenigen Stunden funktionierende Bands zu formen - wird hier, im Herzen Ebersbergs, offenbar zur Realität. In Kressleins Gruppe jedenfalls freuen sich alle, dass bislang alles so gut zusammenpasst und funktioniert. "Zu gut fast schon", grinst Kresslein und zwinkert seiner Truppe zu, alle müssen lachen. Deswegen überlegen ein paar von Fatal Harm sogar schon, weiterhin Musik zusammen zu machen.

Den Coaches der Musikschule Ebersberg gelingt es, an nur einem Wochenende neue Bands zu formen. (Foto: Christian Endt)

Es ist ein harmonisches Wochenende, nicht nur musikalisch, sondern auch menschlich. Mit viel Energie und Lautstärke. Und selbst wenn die Tür zum Haus der Musikschule zufällt, finden die Melodien durch die Fenster immer noch ihren Weg nach draußen.

© SZ vom 03.04.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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