An der Belastungsgrenze:"Wir schaffen das auf Dauer nicht mehr"

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Seit 30 Jahren bietet das Familienzentrum ein umfassendes Angebot für Eltern und ihre Kinder. (Foto: Christian Endt)

Das Familienzentrum Poing fordert eine Ganztagsstelle, um die ehrenamtliche Leitung zu entlasten

Von Franziska Spiecker, Poing

"Es geht um die Zukunft des Vereins." Mit diesen Worten eröffnete die Vorsitzende des Familienzentrums Poing, Susanne Knott, am Donnerstagabend die außerordentliche Mitgliederversammlung des Vereins. Außerordentlich, weil es bewusst nur um dieses eine, wegweisende Thema gehen sollte: Wie soll es weiter gehen mit dem Verein, der so groß geworden ist, dass sein ehrenamtlicher Vorstand an die Grenzen der Belastbarkeit stößt?

Dazu hatten sich neben der Vorsitzenden, der Beisitzenden und der Kassiererin etwa 20 Mitglieder, hauptsächlich Frauen, sowie der Poinger Bürgermeister Albert Hingerl (SPD) versammelt. Es ging los mit einem Brainstorming: "Was bedeutet eigentlich Ehrenamt?". Dabei wurde schnell klar: Neben all den positiven Konnotationen der Mitglieder, wie etwa "Spaß", "Leidenschaft" und "Stütze der Gesellschaft" sind sich alle auch der Grenzen des Ehrenamts bewusst: "Vereinbarkeit mit Familie und Beruf", "Verantwortung", "Fehlende Wertschätzung".

Gerade im Vorstand des Familienzentrums, dass wurde bei der Veranstaltung sehr deutlich, sind die Grenzen von Zeit und Verantwortung längst überschritten.

"Wir stehen mit dem Rücken zur Wand", beschrieb die Beisitzende Bärbel Kellendorfer-Schmid die Überlastung. "Wir schaffen das auf Dauer nicht mehr." Außer ihr gehören noch vier weitere Ehrenamtliche zum Vorstand. Gemeinsam verwalten sie ein breites soziales Angebot aus Kursen, Seniorenarbeit, Miniclub, Secondhand Laden, Kita, einem Offenen Treff samt Café, Basaren und Kindertheater. Sie leiten 225 Mitarbeitende, von denen mehr als die Hälfte ehrenamtlich tätig ist.

Obwohl sie selbst zeitlich beschränkt seien, müssten sie allen so gegenübertreten, "als wären wir eine festangestellte Leitung", erklärte die Vorsitzende Susanne Knott das Problem. Hinzu komme die Verantwortung, den festangestellten Mitarbeitenden stets die Sicherheit zu geben, dass sie alle ihre Löhne bekommen. Ein anwesendes Mitglied stellte fest, der Vorstand verwalte nicht nur ein soziales Bürgerhaus, sondern auch einen wirtschaftlichen Betrieb.

Dass Entlastung nicht aus den eigenen Kassen kommen kann, zeigte ein Blick auf die Finanzen des Vereins aus dem Jahr 2017: 208 810 Euro Einnahmen, gewonnen durch eigene Angebote, Mitgliedsbeiträge und Zuschüsse des Freistaates, Landkreises und der Gemeinde, standen 208 461 Euro Ausgaben, hauptsächlich für Gehälter und Honorare, gegenüber. Knapp 350 Euro Überschuss gab es also nur. Die Beisitzende Kellendorfer-Schmid resümierte: "Wir haben das Geld nicht." Augen und Hoffnungen richteten sich daher auf Bürgermeister Albert Hingerl, der den Verein seit seinen Anfängen vor mehr als 30 Jahren kennt und selbst Mitglied ist. "Ich kann mir Poing nicht ohne das Familienzentrum vorstellen", hatte er bereits verkündet, bevor die Finanzen vorgestellt wurden. Danach erklärte er, dass es ohne Ehrenamt auch den Verein nicht mehr gäbe. Für ihn sei die Kernfrage daher: "Ist es der Gemeinde wert, am Ende den Verein zu unterstützen?" Seine Antwort darauf laute jedenfalls "Ja".

Doch wie genau soll diese Unterstützung aussehen? Kellendorfer-Schmid stellte klar: "Es geht uns nicht um Geld für uns, es geht uns um Entlastung." Der Job solle wieder attraktiv werden, sodass ihn auch irgendwann jemand übernehmen wolle. "Wer zieht sich den finanziellen, moralischen und sozialen Schuh jetzt schon an?"

Um den zu groß geratenen Schuh wieder passend zu machen, bereitete der Vorstand im Auftrag der Mitglieder einen Personalkostenantrag vor. "Es geht um eine Ganztagsstelle", erklärte die Beisitzende. Laut der Vorsitzenden Knott soll diese die Leitung entlasten und etwa 50 000 Euro jährlich kosten. Noch im April solle der Antrag eingereicht werden. Knott befürchtete: "Das wird kein Spaziergang."

Zumindest den Bürgermeister hatte sie aber bereits am Donnerstag auf ihrer Seite. "Ich unterstütze den Antrag", bekannte Hingerl. Und so wie er den Gemeinderat kenne, glaube er, auch dort eine Mehrheit zu bekommen.

© SZ vom 06.04.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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