Amtsgericht Ebersberg:Faschingstragödie: Geldstrafe für Fahrer

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Das Amtsgericht hat den Mann aus Frauenneuharting, der mit seinem Umzugswagen einen 20-Jährigen überrollt hatte, zu einer Geldstafe verurteilt.

Anja Blum

Es gibt Auseinandersetzungen, aus denen alle Beteiligten als Verlierer hervorgehen. So wie am Donnerstag vor dem Ebersberger Amtsgericht, als die Faschingstragödie aus dem Jahr 2009 verhandelt wurde: Ein von einem Umzug heimkehrendes Gespann, ein Traktor samt voll besetztem Anhänger, hatte einen 20-Jährigen überrollt. Das Opfer war vor den Wagen auf die Fahrbahn gerannt - weshalb, darüber konnte im Prozess nur spekuliert werden.

Der damals 27-jährige Fahrer aus Frauenneuharting wurde wegen fahrlässiger Tötung zu einer Geldstrafe von 6000 Euro plus Verfahrenskosten verurteilt, hinzu kommt ein einmonatiges Fahrverbot. Über eine Zahlung an die Familie des Opfers wird derzeit in einem Zivilprozess gestritten.

Doch es geht nicht nur um Geld. Hier ist ein junger Mensch einen sinnlosen Tod gestorben, seine Angehörigen und Freunde haben einen geliebten Menschen verloren, der Angeklagte wird wohl für den Rest seines Lebens große Schuld empfinden. Laut ärztlichem Attest weist er eine "erhebliche posttraumatische Störung" auf. Vor Gericht beteuerte der Fahrer des Unglückswagens immer wieder, wie leid ihm das alles tue, und wie sehr der Unfall ihn selbst belaste. "Ich wünschte, alle, die jetzt so einen Hass auf mich haben, hätten es gesehen. Er ist einfach vor den Wagen gesprungen - ich konnte nichts mehr machen."

Richter und Staatsanwaltschaft glaubten dem Angeklagten und werteten seine Reue und Betroffenheit zu seinen Gunsten. Bei den Angehörigen des Opfers kam die Darstellung der eigenen Seelenqualen freilich nicht so gut an: "Du tust dir selbst am allermeisten leid, das ist das Problem", entfuhr es der sichtlich gebeutelten Mutter, die neben ihrem Mann als Nebenklägerin auftrat.

Um die genauen Umstände des tragischen Unfalls zu klären, hörte das Gericht in der dreieinhalbstündigen Verhandlung neben dem Angeklagten vier Zeugen und einen Sachverständigen an. Dabei gab es sehr emotionale Momente wie die Aussage der damaligen Freundin des Opfers, aber auch langwierige Debatten über technische Details.

Im Groben bestätigte sich die Schilderung der Anklage: Der Unfall ereignete sich am Faschingsdienstag nahe Steinhöring, auf der B304 zwischen Forsting und Tulling. Das 20-jährige Opfer aus Rettenbach saß als Beifahrer im Wagen seiner Freundin, sie waren - wie das Faschingsgespann des Burschenvereins Jakobneuharting auch - auf dem Heimweg von einem Umzug in Haag. Zunächst fuhr der Audi hinter dem Traktor her.

Die Freundin des Opfers erzählte, dass auf dem Anhänger auch ein Ex-Freund von ihr gesessen habe und Bierflaschen in ihre Richtung geflogen seien. Ihr Freund sei "stinksauer" gewesen. Daraufhin habe sie das Gespann überholt und auf der Höhe der Abzweigung nach Schechen am Straßenrand angehalten. Ihr Freund habe versucht, den Traktor anzuhalten, um die Burschen zur Rede zu stellen. Er sei nicht betrunken gewesen - später ergab ein Bluttest jedoch einen Alkoholgehalt von 1,75 Promille.

Von den Scharmützeln im Vorfeld habe er nichts mitbekommen, berichtete der Angeklagte, und er habe auch nicht erkannt, dass das Opfer ihn zum Anhalten habe bewegen wollen. Für den Fahrer spricht, dass er zum Unfallzeitpunkt völlig nüchtern war und sich als Landmaschinenverkäufer mit schweren Fahrzeugen durchaus auskennt. Allerdings hatte er den Anhänger, der für den Faschingsumzug verkleidet war, vor der Fahrt nicht genauer untersucht. Laut Gutachter waren sowohl die Reifen als auch die Bremsen defekt. Hinzu kam, dass mit einem solchen Hänger, auf dem sich Personen befinden, nur 25 Stundenkilometer gefahren werden dürfen, der Angeklagte laut Gutachten aber mindestens mit Tempo 46 unterwegs war.

Letztlich kam Richter Peter Hayler zu dem Schluss, dass der Unfall vermeidbar gewesen wäre, wenn der Angeklagte seine Sorgfaltspflicht nicht verletzt und sich an das Tempolimit gehalten hätte. "Das hätte wahrscheinlich jedem passieren können, muss aber trotzdem geahndet werden", sagte er. Dessen ungeachtet hoffe er, dass es für alle Betroffenen einen Weg zurück in die Normalität gebe.

© SZ vom 15.10.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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