Amtsgericht:Ausgebremst

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Wegen eines gefährlichen Überholmanövers auf einer einspurigen Autobahnverbindung verliert ein 30-Jähriger seinen Führerschein und muss eine hohe Strafe zahlen

Von Sebastian Hartinger, Ebersberg

"Er hat mit meinem Leben gespielt". Mit diesen drastischen Worten, hat eine 41-jährige Münchnerin vor dem Ebersberger Amtsgericht geschildert, was sich im vergangenen Herbst am Autobahnkreuz Vaterstetten zugetragen haben soll. Ein 30-Jähriger aus dem östlichen Landkreis Ebersberg war wegen Straßenverkehrsgefährdung angeklagt. Er hatte die Münchnerin auf dem einspurigen Übergang von der A 94 auf die A 99 rechts überholt - was der junge Mann auch bereitwillig zugab. Nicht jedoch den Vorfall, der die 41-Jährige dazu bewog ihn anzuzeigen: Der Beschuldigte habe nach dem Überholmanöver eine Vollbremsung hingelegt, schilderte die Zeugin vor Gericht.

"Hätte ich nicht jahrelang im Außendienst gearbeitet, wäre es zu einem Unfall gekommen", erklärte sie. Nur durch Glück sei sie nicht aufgefahren. "Er hätte in Kauf genommen, dass mir etwas passiert". Sie musste so stark bremsen, dass ihr Hund aus seiner Befestigung gerissen worden sei und durchs Auto flog. Der Angeklagte, so die Zeugin weiter, habe keinen Grund gehabt, an dieser Stelle so stark zu bremsen.

Dieser hingegen stellte die Situation ganz anders dar und erklärte, die Frau habe zuvor einige gefährliche Fahrmanöver hingelegt. Schließlich sei ihr Wagen in der Ausfahrt ohne Grund immer langsamer geworden, "ich wusste nicht, was sie vorhat". Darum habe er sie überholt, was in der Ausfahrt gut möglich sei, da diese "sehr breit ist und zwei nebeneinander hinpassen". Eine Argumentation, die Richterin Vera Hörauf nicht einleuchten wollte: "Gerade, wenn man nicht weiß, was der andere vorhat, ist so etwas sehr gefährlich". Das räumte auch der Angeklagte ein: Im Nachhinein betrachtet sei sein Verhalten ein Fehler gewesen. Der 30-Jährige versicherte aber, dass er keine Vollbremsung gemacht habe, im Gegensatz zur Behauptung der Zeugin.

Sein Verteidiger versuchte daher, die Aussage der 41-Jährigen zu entkräften und verwies auf zahlreiche Widersprüche in ihrer Aussage. So hatte sie bei der Polizei zunächst ausgesagt, dass sie "fast bis zum Stillstand" habe abbremsen müssen, später dann aber von einer "Vollbremsung bis zum Stillstand" gesprochen - was sie vor Gericht bekräftigte. Auch an die vor dem Überholmanöver stattgefundenen Aktionen konnte sie sich nicht genau erinnern. Dann sagte sie zunächst, sie habe beim Bremsen ihre Reifen quietschen gehört. Auf Nachfrage des Verteidigers erklärte sie aber, dass ihr Wagen ein Antiblockiersystem besitze. Der Verteidiger sah ihre Aussage damit widerlegt: Das ABS verhindere ein Quietschen. Die Zeugin gab daraufhin an, dass sie "nur ihren Puls" in diesem Moment gehört habe. Schließlich sei ihr "Leben in Gefahr" gewesen - weshalb sie schließlich auch Anzeige erstattet habe.

Es stehe "Aussage gegen Aussage", stellte der Verteidiger in seinem Plädoyer fest und forderte, seinen Mandanten freizusprechen. Die Zeugin, so der Advokat weiter, habe einen "denkbar schlechten Eindruck" hinterlassen. Ihre Aussagen würden zahlreiche Widersprüche aufweisen, und "ihr Belastungseifer" sei "beispielhaft". Das Überholmanöver, welches der Angeklagte zugegeben hatte, sei nicht als Straßenverkehrsgefährdung zu werten: Die Ausfahrt sei "breit genug" für zwei Autos, weshalb der Angeklagte "nicht grob rücksichtslos gehandelt" habe.

Die Staatsanwaltschaft hingegen sah den Angeklagten als schuldig an. Zwar schildere die Zeugin die Vorgänge auf der Autobahn "überspitzt und aufgeregt", sei aber nicht unglaubwürdig. Ob die Zeugin ganz oder nur fast bis zum Stillstand habe bremsen müssen, mache nach Ansicht der Staatsanwältin keinen Unterschied in der Sache, nämlich dass sie vom Angeklagten gefährdet worden sei.

Das Gericht glaubte ebenfalls der Aussage der 41-Jährigen. Diese habe "keinen Grund, die Vollbremsung dazu zu erfinden", so Hörauf. Außerdem habe der Ebersberger das Überholen von rechts schon zugegeben, was alleine schon als "sehr gefährliches Fahrmanöver" einzustufen sei "egal wie breit die Straße ist". Dem Beschuldigten sei in dem Moment "gleichgültig gewesen, was mit anderen passiert". Er wurde zu einer Geldstrafe in Höhe von 2750 Euro verurteilt. Außerdem bekommt er seinen Führerschein erst nach bestandener medizinisch-psychologischer Untersuchung zurück.

© SZ vom 15.04.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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