Altes Werkzeug:Als Maschinen noch Kurbeln hatten

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Das Kirchseeoner Heimatmuseum zeigt spannende historische Geräte aus Haushalt, Forstwirtschaft und vom Friseur

Von Anna Horst

Kirchseeon - Möchte man heutzutage etwas an der Wand befestigen, holt man seine Bohrmaschine aus dem Keller, und noch nicht einmal zwei Minuten später prangt ein kleines Loch in der Wand. Dübel und Schraube rein, fertig. Ins Schwitzen kommen dabei die allerwenigsten. Ganz anders sah das vor ungefähr 150 Jahren aus. Damals waren selbst solch scheinbar simple Arbeiten mit großer körperlicher Anstrengung verbunden, auch dann noch, als schon die ersten Maschinen erfunden waren. Denn von elektrischem Antrieb keine Spur. Historische Maschinen sind nun das Thema der neuen Ausstellung im Kirchseeoner Heimatmuseum, die eine Zusammenstellung alter Landwirtschafts-, Forst- und Haushaltsgeräte präsentiert.

"Für alles hat man damals Maschinen erfunden", erzählt Elmar Kramer, der das Museum des Vereins für Heimatkunde in Kirchseeon zusammen mit seiner Frau Dagmar Kramer betreut. Das oben angesprochene Problem mit dem Loch in der Wand wurde zum Beispiel auf folgende Weise gelöst: mit einer Schlagbohrmaschine, die per Handkurbel angetrieben wurde. Dass die Menschen dabei anders als heute sehr wohl ins Schwitzen kamen, ist klar. Auf die selbe Weise betrieben wurde auch die Rundstrickmaschine, mit der man Socken, vor allem für Soldaten, gestrickt hat. Zwar war die Arbeit trotz der Maschine anstrengend, doch die neuen Erfindungen boten vor allem einen Vorteil: Sie sparten den Menschen viel Zeit.

Das Kirchseeoner Heimatmuseum zeigt in seiner Ausstellung mit altem Werkzeug zum Beispiel eine Schlagbohrmaschine für den Handbetrieb. (Foto: Christian Endt)

Welche Torturen die Menschen früher beim Friseur über sich ergehen lassen mussten, lässt die Ausstellung ebenfalls erahnen, denn sie zeigt auch altes Werkzeug aus diesem Bereich. Beim Betrachten der Haarschneidemaschinen und Scheren überfällt den Besucher noch heute ein unbehagliches Gefühl: "Diese Maschinen zupften die Haare eher, als dass sie sie schnitten. Keine Wunder, dass die Buben sich sehr ungern auf den Friseurstuhl setzten", sagt Dagmar Kramer. Einigen Mut mussten auch die Damen aufbringen, denen nach dem Lockenwickeln schwere Trockenhauben übergestülpt wurden, die den Motorradhelmen von heute Konkurrenz machen könnten. In ihrem Inneren befanden sich dicke Rohre, aus denen warme Luft strömte. Aber nicht nur die Hauben sind imposant, auch die vielen Geräte, die ein Friseur brauchte, um Perücken anzufertigen, ebenso die feinen Rasiermesser, die gerne Rost ansetzten und schwer blank zu reiben waren.

Besonders wichtig für die Kirchseeoner waren aber nicht die Strickmaschinen und Trockenhauben, sondern land- und forstwirtschaftliche Geräte. Um 1868 herum sei nämlich die Eisenbahnstrecke München-Rosenheim, die noch heute durch Kirchseeon verläuft, in Betrieb genommen worden, erklärt Dagmar Kramer. Für den Bau der Trasse wurde ein Schwellenwerk benötigt, welches in unmittelbarer Nähe zum Ebersberger Forst in Kirchseeon entstand. In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts seien die meisten Männer hier deshalb als Waldarbeiter oder im Schwellenwerk beschäftigt gewesen. Die alten Hacken, Schaufeln, Pflüge oder Sapies, mit denen Holzstücke gleichsam "aufgegabelt" und bewegt werden konnten, sind darum ein großer Bestandteil der neuen Ausstellung im Heimatmuseum.

Auch eine erste Waschmaschine können Dagmar und Elmar Kramer präsentieren. (Foto: Christian Endt)

Besonders froh um das Werkzeug, das heute fein säuberlich an der Museumswand aufgereiht ist, dürften die Arbeiter im Jahr 1890 gewesen sein. Als es nämlich zu dieser Zeit zu einer Massenvermehrung des Nonnenfalters im Ebersberger Forst kam, zerstörten die Schädlinge mehr als die Hälfte des Baumbestandes. In der Folge mussten Unmengen von Holz aus dem Wald herausgeschafft werden. "Insgesamt haben etwa 4 000 Arbeiter den Forst umgelegt", erklärt Dagmar Kramer. Dafür seien sogar Männer aus dem Schwarzwald angeworben worden, von denen dann viele dann in Kirchseeon geblieben seien.

Beredte Zeugnisse dieser Begebenheit finden sich im Nebenzimmer des Museums, wo die dauerhafte Ausstellung zur Geschichte Kirchseeons untergebracht ist. Neben Zeichnungen der beiden Dörfer Kirchseeon und Eglharting, die um die Wende zum 20. Jahrhundert entstanden sind, kann man hier zum Beispiel eine originale, in Kirchseeon gefertigte Eisenbahnschwelle sowie den ersten Grenzstein der Ortschaft bewundern. Auch eine ganze Schuhwerkstatt, die dem Museum einst von Angehörigen des ehemaligen Kirchseeoner Schusters geschenkt wurde, ist hier aufgebaut.

Als Geräte noch keine Stecker hatten, war Körperkraft gefragt, wie etwa bei diesen Geräten. (Foto: Christian Endt)

Die meisten Ausstellungsstücke hätten ihren Weg aber eher zufällig ins Museum gefunden, erzählt Dagmar Kramer: "Der Grenzstein wäre mit einer ganzen Menge Eisenbahnschutt eigentlich aus Kirchseeon weggeschafft worden. Zum Glück wurde er aber entdeckt und uns überlassen", sagt sie. Viele der Objekte hätten auch Kirchseeoner einfach auf ihrem Speicher gefunden und dem Museum übergeben. "Mittlerweile haben sich ungefähr 20 000 Gegenstände angesammelt", sagt Kramer. Diese würden aber nie alle gleichzeitig präsentiert, vielmehr seien immer nur einige thematisch zusammenpassende Stücke zu sehen. Ausstellung "Altes Werkzeug" im Heimatmuseum Kirchseeon über der ATSV-Halle: Von Oktober bis März an jedem zweiten Sonntag im Monat von 14 bis 16 Uhr geöffnet, das nächste Mal am Sonntag, 13. Januar.

© SZ vom 11.01.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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