Aktion in Wasserburg:Die Begegnung als Geschenk

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Künstlerin Renate Höfer. (Foto: privat)

Renate Höfer widmet sich dem Geben in einem Kunstprojekt

Interview von Franziska Langhammer

Wie soll man jemandem begegnen, wenn es verboten ist, sich zu treffen? Dieser Frage spürt die Künstlerin Renate Höfer vom Chiemsee in ihrem Projekt "I see you - You see me" in Wasserburg nach.

SZ: Wie kann man sich zeigen in Zeiten von Corona?

Renate Höfer: (lacht) Zum Beispiel in einem Gespräch. Diese Kunstaktion habe ich vergangenes Jahr gestartet, bevor Corona überhaupt ein Thema war. Das Wesen daran ist, dass in dieser Interaktion tatsächlich eine Nähe passiert. Etwas geschenkt zu bekommen, das öffnet beim Menschen etwas sehr Positives, und dieser Mensch zeigt sich mir dann in einer Art, wie er es normalerweise gar nicht tun würde.

Wie läuft Ihr Projekt genau ab?

Ich bin vier Tage vor Ort, und die Besucher dürfen sich einen Kunstdruck von mir aussuchen, den sie im Anschluss mitnehmen können. Dann kommt eine kleine Foto-Session. Der- oder diejenige kann sich aussuchen, wie er mit dem Kunstdruck in der Hand fotografiert werden will. Es soll eine spontane Geste sein. Wir schauen dann gemeinsam, ob das passt - ich möchte ja auch, dass mein Gegenüber sich wohl fühlt. Manche möchten nicht erkannt werden. Da gibt es ganz witzige Ideen: Jemand hat zum Beispiel seinen Ehering gezeigt und gesagt: "Hey, ich hab gerade geheiratet. Das ist mein emotionaler Moment."

Was ist auf den Kunstdrucken zu sehen?

Meine Handschrift sind runde Formen, mich inspiriert der Mikrokosmos in der Natur bis hin zu den Zellformen. Das zeigt sich in meinen Arbeiten ganz intuitiv. In dieser Kunstdruck-Serie bringe ich das in klaren Formen prägnant auf den Punkt.

Was passiert dann mit den Fotos?

Die Bilder sind auf der Website zu sehen. Wenn dann alle 120 Kunstdrucke, die ich zur Verfügung stelle, vergeben sind, wird daraus eine abschließende Gesamtarbeit. Ich würde sie gerne versteigern und einem guten Zweck zukommen lassen, aber ich werde sie nicht verkaufen.

Inwiefern beeinflusst die Corona-Pandemie die Rezeption Ihres Projekts?

Corona verstärkt das noch. Momentan steht in der Gesellschaft die Distanz im Vordergrund. Die Idee hinter meinem Projekt ist, sich zu zeigen: Zum einen zeige ich mich, durch meine Arbeiten, und gebe dem anderen etwas von mir. Durch das Gespräch und die Öffnung beim anderen entsteht ein Foto. Da sehe ich auch den anderen Menschen; das hat eine Symbolik für die Begegnung.

Meinen Sie, nach der Aktion in Wasserburg haben Sie viele Fotos von Menschen mit Maske?

Das kann gut sein, das würde ja auch zu der Zeit passen.

Läuft das nicht Ihrer Idee der Begegnung zuwider?

Für mich sind die Augen das Wichtige. Sie sind das Fenster zur Seele, sie zeigen das, was uns wirklich ausmacht. Wir haben viele Programmierungen, wie wir sein sollen. So ein tiefer Blick in die Augen lässt das für einen Moment hinter sich. Der ist echt.

Warum ist es gerade jetzt wichtig, solche Begegnungen zu schaffen?

Die Maske stellt auch eine Isolierung dar. Ich erlebe das selbst etwa beim Einkaufen, wenn mir die Menschen aus dem Weg gehen. Das macht etwas mit mir. Ich vermeide es automatisch, die anderen Menschen wahrzunehmen. Das ist nicht gewollt, es könnten ja Viren übertragen werden. Der Mensch lebt aber von Begegnungen: Wir wollen gesehen, wahrgenommen werden. Deswegen macht diese Zeit auch ein Stück weit einsam und verunsichert. Mein Projekt soll auch eine Aufforderung sein, das nicht zu vergessen - das Entdecken von anderen Menschen.

Erinnern Sie sich an ein eindrückliches Erlebnis bei diesem Projekt?

Ich kann mich an eine Frau erinnern, die auch selber kreativ arbeitet. Sie hat das wohl sehr berührt, eine Arbeit geschenkt zu bekommen, da standen schon die Tränen in den Augen. Wir haben uns ausgiebig über Kunst unterhalten. Wir haben uns erkannt, das war sehr schön.

Wer mitmachen will beim Kunstprojekt "I see you - You see me", kann von Donnerstag, 26., bis Sonntag, 29. November im AK68 in der Schmidzeile 8 in Wasserburg vorbeischauen. Geöffnet ist von 10 bis 18 Uhr.

© SZ vom 16.11.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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