Abwegige Assoziationsketten:Engel und Gespenster

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Ebersberger Quartett überzeugt mit "Salon" zum September

Von Peter Kees, Ebersberg

Hätten Sie gewusst, dass der Mitbegründer der studentischen Widerstandsgruppe "Weiße Rose" Hans Scholl am 22. September 1918 geboren wurde? Solche und ähnliche Dinge konnte man beim dritten "Salon Altes Kino" in Ebersberg erfahren. Auf der Bühne das bewährte Quartett aus Schauspielerin Andrea Kilian, Geräuschemacher Max Bauer, Musiker Jeremy Teigan und Kabarettist Alex Liegl. Die Monate April und Dezember hatten die Vier bereits auf die Bühne gehoben, nun stand der September im Fokus.

Licht an. Die Bühne ist leer. Auf eine Kinoleinwand werden Wasserbilder projiziert. Dazu erklingt wie aus der Ferne der 2003 zum "Lied des Jahrhunderts" gekürte Welthit "La Paloma". Wenig später geht der Vorhang auf, die Darsteller tragen Kapitänsuniformen. Was bitte, hat dieser Song mit dem September zu tun? Ganz einfach: einer seiner berühmtesten Interpreten, Hans Albers, wurde am 22. September 1891 in Hamburg geboren.

Genau um diese Form abwegiger Assoziationsketten geht es den Machern des Ebersberger Salons. Was einfällt, wird notiert, gemeinsam diskutiert, und was danach noch auf der Liste steht, auf die Bühne gebracht. Heraus kommt eine herrlich komische Nummernrevue. Selbstverständlich bemüht man sich dabei um historische Korrektheit und erklärt, was es mit dem September so alles auf sich hat. Im römischen Kalender war er beispielsweise, ganz nach seiner Wortbedeutung - septem heißt sieben - der siebte Monat im Jahr. Erst 153 vor Christus wurde der September durch die Vorverlegung des Jahresbeginns zum neunten Monat, erzählt die Conférencière des Abends, Andrea Killian. Dass der September in Kleinasien eine Zeitlang sogar als erster Monat im Kalendarium galt, erklärt sich mit dem Geburtsmonat Kaiser Augustus: September. "Und wenn er schon Augustus heißt, warum war dann nicht der August der erste Monat?" Berechtigte Frage des Kabarettisten. "Das ist wie mit dem Oktoberfest," kontert der Geräuschemacher. Und schon ist die Überleitung zum nächsten Thema gebaut: zu Wiesn.

Musikalisch gekonnt wird sie persifliert, Bauer mimt eine Beinahe-Bierleiche. Und aus einer Geisterbahn entspinnt sich die Geschichte um das Gespenst Kartulus, das schließlich auf eine alte Bekannte trifft: auf Genoveva, die Weiße Frau aus dem Ebersberger Forst - die inzwischen zur Standardfigur des Salons avanciert ist. Man will ja schließlich Lokalkolorit. Ein paar charmante Gags werden da auf die Bühne gezaubert, die Lachmuskeln im Publikum arbeiten gut mit.

Das Besondere am Ebersberger Salon ist aber etwas anders: Nicht die irgendwie konstruierten Überleitungen von Thema zu Thema geben der Suppe Salz, sondern die gekonnten musikalischen Verzahnungen sowie eine beeindruckende, atmosphärisch starke Geräuschkulisse. Einerseits ist die Musik, die Teigan hier macht, wirklich gut, und andererseits versteht der Geräuschemacher sein Handwerk meisterhaft. So wird der Abend auf einmal dicht, fast hörspielartig. Eine beachtliche, gut gebaute musikalische Unterhaltungsrevue zieht da vorüber, gewürzt durchaus auch mit Seitenhieben, etwa gegen "Anker-Zentren" oder "Kreuz-Erlass". Über die rein dramaturgische Klammer dieser Assoziationen aber könnte man freilich weiter nachdenken.

Neben dem wunderbaren Teigan, einem treffsicheren Liegl, der beispielsweise die Landtagswahl mit einer unerhört komischen Politikerrede voller Versprecher ad absurdum führt, und dem Atmosphärenzauberer Bauer fällt vor allem Killian auf. Natürlich kann sie rezitieren, hat Bühnenpräsenz und weiß ihr Publikum einzunehmen; besonders herausragend aber ist sie als Sängerin. Ihre Stimme ist authentisch, natürlich, rein und schön. Ihr Ausdruck hinreißend. Man hört ihr gerne zu, sei es beim "September Song" von Kurt Weil oder bei Charles Trénets Chanson "La Mer". Engelmonat übrigens, so wird der September auch genannt.

© SZ vom 01.10.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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