Dusan Drazic:Die Angst loslassen

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Drogensüchtige an den Plätzen, Schlägereien im Kunstpark Ost: Kampfkunsttrainer Dusan Drazic sorgt dafür, dass die Haidhauser selbstsicher durchs Leben gehen.

Lisa Sonnabend

Dusan Drazic ist kein Typ zum Fürchten. Der 47-Jährige ist klein und eher schmächtig, seine Augen leuchten freundlich, seine Stimme ist sanft. Am liebsten sitzt er in einem der vielen kleinen Haidhauser Cafés. Doch vor Dusan Drazic sollte man sich in Acht nehmen. Denn der Münchner beherrscht Judo, Karate, Kung Fu und Taekwondo.

"Bei der Kampfkunst lernt man, dass es besser ist, nicht zu kämpfen" (Foto: Foto: sonn)

Seit mehr als 20 Jahren betreibt Drazic das Martial Arts Center in München, eine Schule für Kampfkunst und Selbstverteidigung. Vor drei Jahren ist er aus Sendling in die Sedanstraße gezogen und hilft nun den Haidhausern, ihr inneres Gleichgewicht zu finden und dadurch selbstsicher durchs Leben zu gelangen.

Seinen neuen Stadtteil Haidhausen hält Drazic manchmal für nicht ungefährlich. In und um den Kunstpark Ost komme es immer wieder zu Schlägereien. "Manche fahren doch nur hierher, um Krawall zu machen", sagt der 47-Jährige. Auch die Drogenszene in Haidhausen sei immer noch ein Problem. "Die Drogensüchtigen wurden zwar vom Pariser Platz vertrieben", sagt Drazic. "Jetzt treffen sie sich aber an einem Spielpatz ein paar hundert Meter entfernt."

30 Stunden pro Woche gibt Drazic in seinem Studio Unterricht. Wenn er krank oder im Urlaub ist, helfen zwei seiner Schüler aus. Drazic begann als achtjähriger Junge mit der Kampfkunst. "Ein Freund von mir konnte Judo und hat mich ständig durch die Gegend geworfen", erzählt der Trainer. Also nahm auch Drazic Judo-Unterricht, später kamen Kung-Fu-Kurse hinzu bei einem Amerikaner, der wie Bruce Lee aussah, und Ving-Tsun-Kung-Fu-Kurse bei einem chinesischen Trainer. "Bei der Kampfkunst lernt man, dass es besser ist, nicht zu kämpfen", meint Drazic.

Und man lerne mehr, als sich nur zu verteidigen. "Kampfkunst ist auch Bewegung, Koordination, Meditation und Lebenseinstellung", sagt Drazic. Die Kunden sollen sich nicht nur nachts auf der Straße sicherer fühlen, sondern auch selbstbewusster im Beruf und in ungewohnten Situationen auftreten. Am Martial Arts Center können die Münchner verschiedene Kampfkunst- und Selbstverteidigungskurse belegen. Für Kinder, Frauen und Manager gibt spezielle Angebote. Letztere können Kurse belegen, um auf Geschäftsreisen durch die Metropolen der Welt sicher zurechtzukommen.

Drazic steht in Stoffhose und weißem T-Shirt in seinem Studio. Plakate mit chinesischen Schriftzeichen hängen an der Wand, in den Ecken lehnen Bambusstöcke. Das Licht leuchtet den Raum rötlich matt aus. Nichts deutet darauf hin, dass hier vor 40 Jahren eine Bäckerei untergebracht war und bis vor einigen Jahren der Boden von den bunten Ölfarben eines Malers beschmutzt war. Drazic räumt einen Stuhl zur Seite, gleich beginnt das Training für Kinder.

Seit der Film "Kung Fu Panda" in den Kinos lief, der von einem pummeligen Pandabär handelt, der ein großer Kung-Fu-Kämpfer werden will, ist Kampfkunst bei den Kleinen in. Bei den Selbstverteidigungskursen verzeichnet Drazic dagegen einen Rückgang - obwohl die Gewalt in München nicht weniger geworden ist.

Gerade in die Selbstverteidigungskurse kommen nicht mehr so viele Frauen wie früher. Und die meisten kommen erst, wenn schon etwas Schlimmes passiert ist. "60 bis 70 Prozent der Teilnehmerinnen sind hier, um eine Gewalttat zu verarbeiten", sagt Drazic.

In den Selbstverteidigungskursen lernen die Frauen an zwölf Abenden, sich in drei unterschiedlichen Situationen zu wehren: Wenn der Angreifer noch einen Schritt entfernt ist, wenn er sie berührt und wenn sie schon zu Boden gerissen wurden. Genauso wichtig wie physische Reaktionen sind für Drazic Verhaltensregeln: Wie spreche ich mit dem Täter? Warum werde ich zum Opfer? "Die Leute fangen aus Angst bei mir an", sagt Drazic. "Die meisten werden die Angst wieder los."

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