Dritter Nationalpark:Der Wald als Nagelprobe

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"Scharf wirbt für Nationalpark Rhön" vom 31. Mai, "Förster werben für einen Nationalpark im Spessart" vom 29. Mai, "Die schöne Unbekannte" vom 27. Mai, und "Frankenwald, der vierte Kandidat" vom 19. Mai:

Nun also der Frankenwald. - Kommen als Vorschläge noch der ähnlich naturferne Ebersberger Forst und der Nürnberger Reichswald? Dabei gibt es neben naturschutzfachlichen schwerwiegende kulturhistorische Gründe zum Beispiel für einen Nationalpark Spessart: "Spehteshart" - Spessart - Spechtswald. "Natur Natur sein lassen" ist das Nationalpark-Credo. Die namenprägenden Spechte des Frühmittelalters sind deutliche Belege dafür, dass dort schon damals Natur Natur bleiben durfte - weil die Transporttechnik nur Jagd und Glasmachen zuließ. Spechte sind auch Hinweise auf ausgedehnte nisthöhlentaugliche Totholzbestände von Laubbäumen. 839 hatte der Spehteshart zudem als königlicher Bannforst der Karolinger europäische Bedeutung.

Die Spessarter Jagdgeschichte ruft nach einem Nationalpark, weil eine bis heute relevante 400-jährige Entwicklung dessen Credo entspricht, in der Debatte aber vergessen wird. Förster Staudinger klärte mit der Wolfs-Ausrottung (Aschaffenburger Jahrbuch 1999) die Entstehung der Alt-Eichenbestände: Die Jagdruhe des 30-jährigen Krieges (1618 bis 1648) förderte die Wölfe, die das Rot- und Rehwild reduzierten, was die Eichen-Naturverjüngung ermöglichte: Natur Natur sein lassen.

Beleg des Wolfs-Einflusses ist die "Spessarter Eichenlücke" 1670 bis 1800: Um 1670 hatten die Kurmainzer Jäger die Wölfe dezimiert, die nun keinen populationswirksamen Einfluss mehr auf das die Jungeichen genießende Schalenwild hatten. Rot- und Schwarzwild ließen die Fürstbischöfe hegen und ab 1779 den Jagdpark anlegen. Die ebenso jagdbegeisterten Bayern-Könige halbierten die Parkfläche auf 5500 Hektar. Im Freistaat verfällt der alte Parkzaun. "Waidgerechte" Jagd aber wird bis heute großgeschrieben - auch im Spessart: Den überhegten Reh-, Rot- (und Schwarz-) Wildbeständen ist daraus folgend die Buchendominanz geschuldet: Schutzlose Eichenjünglinge werden stärker verbissen als Buchen. Ein Nationalpark Spessart mit reduzierten Wildbeständen würde den Wald nicht den Jägern lassen; Wölfe könnten es ihren Vorfahren gleichtun und die historische Waldbau-Erfahrung vergegenwärtigen . Dr. Hubertus Habel, Bamberg

© SZ vom 19.06.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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