Drinnen:Bedrohliche Einblicke

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Nicht nur in ein Museum, sondern in Kammern und Zellen und eine atmosphärisch dichte Ausstellung begibt sich, wer im Haus der Kunst die Schau "Strukturen des Daseins" von Louise Bourgeois besucht. Die "Zellen" der 2010 im Alter von 98 Jahren verstorbenen französischen Künstlerin kreisen um den Wunsch, sich zu erinnern und zugleich zu vergessen. Es sind Psychokabinette, die mitunter harmlos wirken, in denen man sich aber leicht gruseln kann - wenn man sich denn auf sie einlässt. Denn betreten kann man sie nicht, nur von außen ansehen oder durch einen Spalt einen Blick hineinwerfen. Nicht alle wirken auf den ersten Blick so bedrohlich wie die Installation "Spider", bei der ein überdimensionales Spinnenvieh aus Bronze den Käfig- ja, was eigentlich: bedroht, beschützt, verdaut? Das rote Zimmer der Eltern mit seinem "je t'aime"-Kissen zwischen den beiden Kopfteilen mutet jedenfalls zunächst eher liebevoll an - wären da nicht diese komischen Dinge rundum und am Fußende. Und die Bettdecke entpuppt sich als rot lackierte Holzplatte. Eine Art Familienaufstellung als Gruselkabinett. Auch die Käfiginstallation mit den vielen Möbeln erinnert auf den ersten Blick eher an ein Trödelkabinett. Die Bedrohung nimmt man erst nach und nach wahr. Die kleine Louise muss keine leichte Kindheit gehabt haben mit ihrem extrem dominanten Vater und der unterwürfigen Mutter. Ihr Leben lang litt sie in ihrem Selbstverständnis als Tochter, Mutter und Künstlerin unter den Kindheitserlebnissen und versuchte, sich mit ihrer radikal-feministischen Kunst von ihren Traumata zu befreien. Ihre letzte "Zelle" von 2008 wirkt mit den blauen Kugeln, die an Luft- oder Seifenblasen erinnern, sogar eher heiter - wäre da nicht diese Wendeltreppe ins Nichts . . .

© SZ vom 24.07.2015 / lyn - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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