Drehbuchautoren im Schatten:Würze durch Witze

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Sie werden manchmal nicht zu Preisvergaben eingeladen - aber ohne sie gäbe es keine Filme. Stefan Betz zum Beispiel hat Drehbücher für "Schweinskopf al dente" und "Grießnockerlaffäre" geschrieben. Er gibt den Verfilmungen der Rita-Falk-Krimis mit skurrilen Plots eine eigene Qualität

Als vor drei Wochen beim Bayerischen Filmpreis die Kinokrimikomödie "Grießnockerlaffäre" ausgezeichnet wurde, dankte die Produzentin Kerstin Schmidbauer in ihrer Rede vielen Menschen, den Schauspielern, dem Regisseur, den Filmförderern und den Redakteurinnen vom Fernsehen, der Jury des Filmpreises und den Preisstiftern. Es waren so viele Leute, denen sie sich verpflichtet fühlte, dass sie kurz innehielt und sagte: "Ich hoffe, ich habe jetzt niemanden vergessen." Hat sie aber; damit ist sie aber nicht allein: Die Drehbuchautoren werden oft übergangen, sie denken sich zwar die Geschichten und Figuren aus und legen ihnen die schönsten Sätze in den Mund, in der filmischen Rangordnung sind sie aber eher im Mittelfeld angesiedelt.

So auch Stefan Betz, der die Drehbuchvorlage für den prämierten Film geschrieben hat. "Drehbuchautoren fliegen oft unter dem Radar", sagt er; das liege vermutlich daran, dass ihre Arbeit ganz am Anfang stehe, lange bevor die erste Klappe geschlagen wird. Es habe aber auch damit zu tun, dass Drehbücher flüchtig seien, ständig werde daran gearbeitet, immer wieder etwas verändert.

Betz schreibt fast ausschließlich bayerische Stoffe, nach einem abgebrochenen Sozialkunde- und Metalltechnik-Studium an der TU ließ er sich an der Münchner Drehbuchwerkstatt zum Filmautor ausbilden. Im Jahr 2005 debütierte er mit der Coming-of-Age-Komödie "Grenzverkehr", ein paar Jahre später dachte er sich die BR-Sitcom "Spezlwirtschaft" aus, die es auf immerhin 36 Folgen brachte. Bei seinem ersten Film führte er Regie, später verlagerte er sich mehr aufs Schreiben, über zu wenig Wertschätzung beklagt er sich nicht.

Stefan Betz beschreibt mit den Storys vom phlegmatischen Dorf-Cop Franz Eberhofer ein Bayernbild, das es kaum noch gibt. (Foto: Robert Haas)

Der 48-Jährige wirkt ohnehin wie einer, der sich nicht so schnell aus der Ruhe bringen lässt. In seinem Beruf ist das mit Sicherheit von Vorteil. Als Treffpunkt für das Zeitungsgespräch hat er das Café Kosmos in der Nähe des Hauptbahnhofs vorgeschlagen, als es dort zu laut und voll wird, zieht man einfach um in ein benachbartes Café. Dem großen Rummel geht er gerne aus dem Weg, die von ihm verfassten Kinohits "Schweinskopf al dente" und "Grießnockerlaffäre" sind trotz der Mordfälle auch eher eine gemütliche Angelegenheit. Vermutlich ist das ihr Erfolgsgeheimnis, die Storys vom phlegmatischen Dorf-Cop Franz Eberhofer, der mit seinen Saufkumpanen viel Zeit im Wirtshaus verbringt, beschwören ja ein Bayernbild, das es kaum noch gibt - nicht einmal in Niederbayern. Dort hat die Romanautorin Rita Falk ihre arg bayerntümelnden Geschichten angesiedelt; auch Betz kommt aus diesem Landstrich, er wuchs in der Nähe von Vilsbiburg auf einem Einödhof auf. Dass die Filme mit ihrem lakonischen Witz und den skurril verdichteten Plots eine ganz eigene Qualität haben und immer mehr Zuschauer anlocken, freut ihn. Es würden mittlerweile sogar ganze Betriebsausflüge in die Kinos organisiert, erzählt er.

Das ist natürlich auch gut für seine Auftragslage: Den fünften Teil der Reihe hat er schon vor einem Jahr geschrieben, "Sauerkrautkoma" ist abgedreht und kommt im Sommer ins Kino. "Es ist gar nicht so schlecht, dass der Franz in diesem Roman nach München versetzt wird", sagte Regisseur Ed Herzog vorletztes Jahr im Interview; sein Drehbuchautor bestätigt das. Einerseits solle ja alles möglichst vertraut wirken, gleichzeitig müssten sie dem Publikum ständig etwas Neues bieten. Manchmal schaut er bei den Dreharbeiten vorbei, mitunter feilt er auch kurzfristig an Szenen und Dialogen. Und selbst wenn er bei der Filmpreis-Rede vergessen wurde, war er immerhin zur Verleihung eingeladen.

Lea Schmidbauer: Ostwind

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(Foto: Fabian Frinzel)

Fällt die erste Klappe, ist der Drehbuchautor für den Regisseur wie gestorben. Das hat Lea Schmidbauer, 46, schon einige Male erlebt. Sie ist Autorin der Ostwind-Trilogie, deren erster Teil 2014 mit dem Deutschen Filmpreis ausgezeichnet wurde. Erstaunt hat Schmidbauer am Anfang ihrer Laufbahn als Autorin, dass dem Publikum oft gar nicht bewusst ist, dass zu jedem Film erst einmal ein Drehbuch geschrieben werden muss. Nachdem sie Dokumentarfilm studiert hatte, wusste sie zwar schon, dass sie lieber im fiktiven Bereich arbeiten würde, aber "eher zufällig", durch "eine kleine Spinnerei", wie sie es nennt, sei das Drehbuchschreiben zu ihr gekommen. Als eine Idee, die sie mit einer Freundin gehabt hatte, von einer Münchner Produktionsfirma aufgegriffen wurde und daraus "Groupies bleiben nicht zum Frühstück" entstand, begann sie, ausschließlich Drehbücher zu schreiben. Die "strukturelle Nicht-Beachtung" von Autoren auch innerhalb der Branche, "die auch jedem bewusst ist", ärgert sie. Der "Flash" jedoch, den sie hat, wenn da "meine Geschichte" auf einer großen Leinwand zu sehen ist, der sei unvergleichlich und mache vieles wett.

Ariela Bogenberger: Marias letzte Reise

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(Foto: Ariela Bogenberger/BR)

Ariela Bogenberger interessieren die Geschichten, die fürs Fernsehen oft zu ungemütlich sind. Altern. Krankheit. Der Tod. Für das Buch "Marias letzte Reise", die Geschichte einer krebskranken Bäuerin, gewann sie 2005 den Grimmepreis. Das war ihr Drehbuch-Debüt, viele Jahre lang hatte sich die Münchnerin gar nicht getraut, sich dem Geschichtenerzählen zu widmen. Oder: dem fiktiven Erzählen. Die heute 56-Jährige hatte als Journalistin gearbeitet, ehe sie sich mit 40 den Traum vom Drehbuchschreiben erfüllte. Da waren zu viele Geschichten in ihr, die raus wollten. Es hat geklappt: "In aller Stille", "Die Frau aus dem Moor" und "Die Verführerin Adele Spitzeder" wurden mit hochkarätiger Besetzung verfilmt. Zuletzt war ein Münchner Polizeiruf von ihr zu sehen. "Wenn die Zusammenarbeit mit einem Regisseur klappt, ist es der Himmel", sagt sie. Sie wird gern mit von der Regie einbezogen; schließlich kenne sie ihre Figuren wie niemand sonst - "und ich bewahre die Regisseure davor, die Fehler zu machen, die ich beim Schreiben auch schon gemacht habe. Man sollte also mehr auf uns hören."

Christian Lex: Eine unerhörte Frau

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(Foto: Christian Hartmann)

Beinahe wäre er selbst zum unerhörten Mann geworden. Christian Lex hat mit Angelika Schwarzhuber ein Drehbuch verfasst über die auf wahren Erlebnissen basierende Geschichte einer Bäuerin, deren Tochter krank ist und der niemand glaubt. Titel: "Eine unerhörte Frau". Acht Jahre haben sie darum gekämpft, es gab viele Widerstände - und am Ende wurden sie vom Deutschen Fernsehpreis ausgeladen. Doch Lex ist auch Vorstand im Verband Deutscher Drehbuchautoren, der mit einem offenen Brief auf die Einladungspolitik der Fernsehpreis-Stifter aufmerksam machte. Der Brief schlug hohe Wellen, weshalb sie kurz vor der Verleihung doch noch eingeladen wurden - als ihr Film auch noch gewann, war der Triumph perfekt. "Es ist diese Diskrepanz, die mich nervt", sagt er, "da spricht man immer vom Goldenen Zeitalter des Fernsehens und will nicht begreifen, woher das kommt." Lex steht auch vor der Kamera, zuletzt sah man ihn in der BR-Serie "Hindafing". Aktuell schreibt er unter anderem mit dem Münchner Autor Christian Limmer an einer historischen Serie über das Oktoberfest.

John Quester: Hannas Reise

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(Foto: privat)

Hinter jedem starken Mann steht eine Frau, heißt es, umgekehrt geht es aber genauso. Julia von Heinz ist erfolgreiche Regisseurin, mit dem Hape-Kerkeling-Biopic "Ich bin dann mal weg" landete sie einen Kinohit, mit dem TV-Film "Katharina Luther" wurde sie gerade für den Grimme-Preis nominiert. Ihr Mann John Quester braucht sich aber nicht hinter ihr zu verstecken. Der in Bonn geborene Sohn eines Deutschen und einer Neuseeländerin hat großen Anteil an ihrem Erfolg. Die beiden haben eine gemeinsame Produktionsfirma, auch die Drehbücher ihrer Filme "Hannas Reise" und "Was am Ende zählt" schrieben sie zu zweit. Aktuell arbeitet das Paar unter anderem an einer Adaption von Lily Bretts Roman "Zu viele Männer" oder einem Film über eine linksautonome Antifa-Gruppe. Sie leben am Ammersee; wenn sie bei Dreharbeiten ist, passt er auf die drei Kinder auf. Das sei eine sehr glückliche Situation, sagt er, selbst wenn es durch die zwangsläufige Mischung von Film und Familienleben mitunter Streit gebe. "Doch wir haben gelernt, die Arbeit vom Persönlichen zu trennen."

Niklas Hoffmann: Hindafing

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(Foto: Rebecca Meining)

Hinter der Serie "Hindafing" um einen drogensüchtigen, korrupten Bürgermeister erwartet man eher einen abgebrühten Drehbuch-Hund als einen 30-jährigen Absolventen der Hochschule für Fernsehen und Film. Aber es stimmt; Hoffmann hat Hindafing gemeinsam mit Boris Kunz und Rafael Parente verfasst. Der 30-Jährige wollte eine "mutige Provinzgeschichte über Bayern, die sich auch mit Lokalpolitik beschäftigt", schreiben. Als die dunkle Satire um den Bürgermeister Alfons Zischl vergangenen Herbst im BR lief, überschlugen sich die Kritiker. Vom "Bayerischen Fargo" war die Rede; die Serie war für den Grimme-Preis nominiert. "Damit hatte ich dann doch nicht gerechnet", sagt Hoffmann. Aber er liebt das Format und wird ihm erst mal treu bleiben: aktuell arbeitet er an der Serie "Luden" über das St. Pauli der 70er und 80er Jahre. Es geht um Kartellkriege und Zuhälterei. Für ihn als Autor ist es wichtig, beim Entstehen der Serie mitarbeiten zu können. "Ohne die Arbeit der Regisseure schmälern zu wollen - ich möchte als Urheber der Geschichte dabei bleiben."

Das ist in der Branche keine Selbstverständlichkeit, gerade erst haben seine Kollegen deswegen protestiert, beim Deutschen Fernsehpreis in Köln. "Diese Ignoranz uns Urhebern gegenüber ist ein Skandal", schrieb die Autorin Kristin Derfler auf Facebook. Ihr Film war für einen Preis nominiert, einen Platz bei der Verleihung wollten ihr die Veranstalter aber nicht anbieten. Erst als sich berühmte Regisseure und Schauspieler mit ihr solidarisierten und mit einem Boykott der Veranstaltung drohten, wurden die Autoren nachträglich eingeladen. Es geht ihnen nicht so sehr um die Erwähnung in Dankesreden oder über ein Foto auf dem roten Teppich. Sie fordern Respekt und eine faire Behandlung. "Ohne Buch kein Film", ist einer ihrer Kampfsprüche; man las ihn in letzter Zeit wieder öfter.

Stefan Betz findet das gut, selbst zu Protesten aufrufen möchte er aber nicht. Auch wenn er hin und wieder kleine Schauspielrollen übernimmt, im Münchner "Tatort" etwa oder der Bogner-Serie "München 7", bleibt er gerne im Hintergrund. Der Mann mit dem Wohlfühlbäuchlein, dem Bart und der Brille fällt auch dann nicht auf, als er im Café-Getümmel fotografiert wird. Passt schon, sagt er, demnächst dürfte sich das aber ändern: Beim Ende Februar stattfindenden Politiker-Derblecken auf dem Nockherberg werden alle Augen auf ihn und Richard Oehmann gerichtet sein; die beiden haben das Singspiel von Marcus H. Rosenmüller und Gerd Baumann übernommen. Derzeit laufen die Proben; alles ist streng geheim. Auch beim Gespräch im Ausweich-Café will Betz nichts verraten. Fertig ist das Buch ohnehin noch nicht; die politische Lage verändert sich derzeit täglich, der endlosen Regierungsgespräche in Berlin sei Dank. Inhaltlich wollen sie sich aber auf Bayern und die im Herbst anstehenden Wahlen konzentrieren; auch über die Form sind sich die beiden einig: "Wir wollen kein Musikkabarett machen", sagt er, "sondern wir erzählen mit den vorhandenen Figuren unsere Geschichte. Und wir haben ein Thema, von dem wir finden, dass es gerade sehr aktuell ist."

Natürlich sei es zurzeit etwas viel, sagt er, seine Frau und der dreizehnjährige Sohn bekommen ihn momentan selten zu sehen. Aber das sei "angenehmer Stress", der ja bald wieder vorbei sei. Im März geht es weiter mit dem nächsten Eberhofer-Fall. Stefan Betz wird ihn vom Schreibtisch aus begleiten.

© SZ vom 10.02.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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