Dokumentarfilmfest in München:Das Strahlen der Zukunft

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Das 24. Internationale Dokumentarfilmfest in München zeigt differenzierte Bilder der Wirklichkeit.

Susanne Hermanski

Bauer sucht Frau - allerdings nicht hierzulande und nicht nur fürs Fernsehen, sondern in einem verlassenen Dorf in den Bergen des Libanon. Dort lebt Semaan ganz allein mit seinen Tieren, seit der Bürgerkrieg das Land zerrüttet hat. Und zum vollkommenen Glück, so glaubt er, fehlt ihm nur noch eine Gefährtin. Keiner seiner ehemaligen Mitbewohner des Dorfes Ain el-Halazoun, das im Krieg komplett zerstört wurde, kann oder will sich so recht erinnern, ob die Verwüstung der israelischen Armee oder den libanesischen Bürgerkriegsmilizen, den Drusen und Sozialisten, zuzuschreiben ist.

Ein Festival wie eine Weltreise durch Länder und Gesellschaftsschichten: The Yesman Fix The World zeigt die verblüffenden Aktionen einer Guerillatruppe im Dienste der Aufklärung. (Foto: Foto: Dokfest)

Der Film The One Man Village von Simon El Habre eröffnet das diesjährige Dokfest (Mittwoch, 6., 20 Uhr, Carl-Orff-Saal, Samstag, 9. Mai, 17.30 Uhr, Arri Kino). Der Mann in den Bergen, der zwischen Erinnern und Verdrängen, die Ruhe genießt, ist der Onkel des Filmemachers.

Viele Filme, die bei dem Festival zu sehen sind, haben einen deutlichen autobiographischen Bezug. Die linke persische Filmemacherin Nahid Sarvestani hat als junge Frau das Regime des Schahs bekämpft - und war doch stets fasziniert von dem Glamour seiner Frau. Jetzt, lang schon verbunden durch das gemeinsame Schicksal des Exils, besucht sie Farah Diba und porträtiert sie in The Queen andI (8., 17 Uhr, Filmmuseum; 10., 14 Uhr Arri). Der Deutsche Filmemacher Peter Heller (Plattln in Umtata) begibt sich in seinem neuen Film Kolonialmama auf eine "Reise in die Gegenwart der Vergangenheit" und auf die Spuren seiner Mutter, die in Swakopmund, dem heutigen Namibia aufgewachsen ist (9., 21 Uhr Gasteig).

Insgesamt sind mehr als 60 lange Dokumentarfilme und zudem Kurzfilme bei dem Festival zu sehen. Einen seiner thematischen Schwerpunkte bildet der indische Subkontinent. Im Bewusstsein der Inder selber spielt der Dokumentarfilm - neben den florierenden Bollywood-Filmen - keine Rolle. "Sie sind regelrecht die Underdogs der indischen Filmszene", sagt der scheidende Festivalchef Hermann Barth, "gerade deswegen haben wir sie eingeladen". Rajesh S. Jala ist einer von ihnen. In Children of the Pyre zeigt er, wie Kinder am Ganges Tag und Nacht mit und von den Totenfeuern dort leben (8., 20 Uhr Arri; 12., 17 Uhr, Atelier).

Doch lange nicht alle Regisseure stammen selbst vom Subkontinent. Der große australische Dokumentarist David MacDougall zeigt in seinem neuen Werk Gandhi's Children die Waisen einer Sozialstation von Neu-Dehli - und wagt sich in all der Ruhe, die 185 Minuten Film bieten, ganz nah an die Kinder heran. Das Ferne nahezubringen, das Fremde im Nahegelegenen zu entdecken, und reale Visionen von der Zukunft ganz ohne "Sciencefiction" zu zeigen, ist die Kunst guter Dokumentationen. Wahrscheinlich macht sie das beim Publikum in diesen Zeiten so besonders beliebt.

Dokfest - 24. Intern. Dokumentarfilmfestival München, Mi., 6., bis Mi., 13. Mai, Information 23001758, Karten 21839182. Progr.: www.dokfest.de

© SZ vom 30.04.2009/sonn - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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