Diskussionsrunde in Gauting:Philosophie zum Frühstück

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In Gauting diskutieren jede Woche Schüler über philosophische Themen - und das um sieben Uhr morgens.

Valentin Feneberg, SZ-Jugendseite

Der Text ist erschienen auf der Jugendseite der Süddeutschen Zeitung. Der Autor Valentin Feneberg ist 18 Jahre alt. Weitere Texte der Jugendseite finden Sie unter www.sz-jugendseite.de.

Jeden Montag klingelt der Wecker für Andreas eine Stunde früher. Jede Woche. Kein sehr schönes Geräusch nach einem wieder mal viel zu kurzen Wochenende. Vor allem, wenn man das Klingeln schon um halb sechs hört.

Aber Andreas hat gute Gründe, so früh in die Woche zu starten: Der 18-jährige Schüler trifft sich jeden Montagmorgen um sieben Uhr im Schülercafé des Otto-von-Taube-Gymnasiums in Gauting mit einer Gruppe von Mitschülern zum allwöchentlichen Philosophiefrühstück. Die 17- bis 19-Jährigen kommen hier jede Woche zusammen. Jeder ist einmal für das Frühstück zuständig - und der Lehrer, der die Gruppe unterstützt, ist für den Kaffee verantwortlich.

"Wir behandeln über einen Zeitraum von ein paar Wochen ein bestimmtes Thema", erklärt der 18-Jährige. "Dieses Jahr haben wir bereits über Ästhetik, Demokratie und Gerechtigkeit diskutiert, aktuell geht es um Freiheit." "Man bekommt so eine ganz neue Sichtweise auf diese Themenkomplexe", sagt Andreas, der seit der neunten Klasse fast jede Woche wiederkommt.

Auch Philine ist gerne jeden Montag so früh in ihrer Schule. Ihre Motivation, sich so früh am Tag mit so schwierigen Themen auseinanderzusetzen? "Das, was mich selbst jeden Tag beschäftigt und berührt, wird hier diskutiert und dadurch auch klarer", antwortet die 18-Jährige. "Man nimmt unheimlich viel mit, für sich persönlich und sein ganzes Umfeld", in diesem Punkt sind sich Andreas und Philine einig.

Wenn man die Diskussionsrunde besucht, merkt man auf den ersten Blick, dass die Veranstaltung wenig mit Schule im herkömmlichen Sinne zu tun hat. Gleich zu Beginn der Runde werden Brezen verteilt. Es wird Kaffee ausgeschenkt, der um diese Uhrzeit großen Zuspruch findet.

Danach wird die Runde eröffnet, die ersten müden Gesichter zeigen ein Lebenszeichen und bald entsteht eine engagierte Diskussion, ob denn nun die Sicherheit die Freiheit beschränken darf, inwiefern in einer Demokratie wirklich jeder seine Meinung sagen darf und so weiter. "Das Schöne ist, dass wirklich jeder zu Wort kommen kann, und diese Möglichkeit auch genutzt wird", sagt Andreas über die Runde. Und auch Philine weiß aus Erfahrung: "Jeder kann seine Meinung sagen, und diese wird auch immer von den anderen akzeptiert und aufgenommen."

Und wenn die Diskussion doch einmal in eine völlig andere Richtung schwenkt oder komplett am Thema vorbeigeht, greift der anwesende Lehrer ein, der das Frühstück nun seit mehreren Jahren betreut, und lenkt das Ganze wieder in die richtige Richtung. "Obwohl ein Lehrer dabei ist, ist es trotzdem alles andere als Unterricht", darauf besteht Philine, "eher eine lockere Diskussionsrunde mit Verköstigung."

Die morgendlichen Aktivitäten der Jungphilosophen werden in der Schule mit Skepsis aufgenommen. "Die meisten finden es sehr komisch und können sich nicht wirklich etwas darunter vorstellen", schmunzelt Andreas, "aber selbst mal vorbeizukommen, darauf kommen die wenigsten". Auch Philine hat solche Erfahrungen gemacht. "Viele finden es gut, aber Lust, dafür so früh aufzustehen, hat am Ende doch keiner", sagt die Schülerin. Sie findet es aber dennoch wichtig, dass Philosophie an der Schule nach wie vor freiwillig angeboten wird: "So ist jeder motiviert, keiner fühlt sich gezwungen."

Ab und zu gibt es dann Sternstunden, die beweisen, dass dieses Konzept aufgeht. Von Zeit zu Zeit kommt der ein oder andere Frühstücksphilosoph vorbei, der sein Abitur schon seit längerem in der Tasche hat, und diskutiert fleißig mit.

Auch der Schultag ist nach so einem Start ein ganz anderer. "Man ist in der ersten Stunde nicht nur körperlich wacher als alle anderen, die gerade erst aus dem Bett gefallen sind, sondern kann auch gleich voll konzentriert in den Unterricht starten", sagt Andreas.

Auf der anderen Seite sei man häufig noch abgelenkt und denke über das eben Besprochene viel nach, geben Andreas und Philine zu. "Natürlich reflektiert man so eine aktive Morgendiskussion noch für sich, die Aufgabe eines jeden Philosophen ist es ja, immer wieder nachzufragen", meint Andreas. Und auch Philine stimmt zu: "Viele Themen werden im Laufe des Tages wieder aktiviert und man wird von selbst zum Denken angeregt."

Die wichtigste Frage wird bei der Philosophenrunde immer kurz vor acht Uhr gestellt. Es ist eine Aufgabenstellung, die fast noch mehr beschäftigt als jedes andere philosophische Thema: "Wer bringt nächste Woche das Frühstück mit?"

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© SZ vom 28.04.2009/sonn - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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