Diskussion:Freiheit, die Geld braucht

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Theatermacher diskutieren die Kultur- und Förderpolitik der Stadt - und kommen zu einem leidigen Ergebnis

Von Eva-Elisabeth Fischer

An diesem Abend sind die älteren Herrschaften dran. Sie hatten ihre Hochzeit als Theatermacher in den Achtzigerjahren. Damals gelangte die freie Theaterszene als ernst zu nehmende Größe auch im eher behäbigen München zur Blüte und mischte in Maßen das recht konservative Kulturleben auf. Fünf Männer und zwei Frauen nehmen Platz in der Favorit Bar in der Damenstiftstraße, einer angenehm verwohnten Lokalität, auch für in Ehren ergraute Kunstanarchos.

Zur Diskussion steht an diesem Abend in der Reihe "Monokultur München" die Kultur- und Förderpolitik am Beispiel des Freien Theaters unter dem Schlagwort "Milchmädchenrechnung". Zur Linken des Doyens aller Widerständigen Alexeij Sagerer, des Erfinders des "unmittelbaren Theaters" ProT, sitzen Christiane Pfau, freie Presseagentin und Herausgeberin des Münchner Feuilletons, die Politikwissenschaftlerin und Regisseurin Christiane Mudra und der Gründer und künstlerische Chef des Meta Theaters Axel Tangerding. Zu Sagerers Rechten platzieren sich der Theatermann und Maler Holger Dreissig sowie der Tänzer und Choreograf Micha Purucker. Das Gespräch moderiert Matthias Hirth, Teilhaber der Favorit Bar, Schriftsteller und vor gut 30 Jahren Leiter des Theaters in der Kreide, genannt TiK, in Neuperlach. Hirth ist derjenige, der, allerdings unfreiwillig, am meisten provoziert: mit starken Worten und eindimensionalen Argumenten, mit denen er die Diskussionsteilnehmer auf Linie zu bringen sucht. Mit Begriffen aus dem Wörterbuch des Unmenschen wie "Selektion" und "Evaluation" bezüglich der Förderpolitik der Stadt nagelt er den Kulturreferenten, den Kulturausschuss wie auch eine Phalanx ignoranter Juroren zuverlässig an die Wand. Und behauptet, dass Kunst in ihrer geforderten Effektivität mit der gewinnorientierten Kreativwirtschaft gleichgesetzt würde. Schon wahr: Antragstellern sollte allerdings der derzeitige Papierkrieg erspart werden.

Sagerer unterläuft die so gar nicht neuen Klagen über die Abhängigkeit vom Geldgeber und die (inhaltliche) Gängelung durch denselben klar und kühl: "Man kommt ungefragt daher und hat Behauptungshoheit." Und null Geld. Null Geld haben auch Dreissig und Purucker. Tangerding hat Geld, bläst aber ins gleiche Horn wie Sagerer, wenn er von der "Selbstbeauftragung aus dem eigenen Inneren" spricht. Und Christiane Mudra, die reichlich gefördert wird, widerlegt Hirths Schmähung, heutzutage würden ausschließlich gut vernetzte, anpassungsfähige Akademiker unter den Freien gefördert: "Es geht nicht um die Ausbildung, sondern um die Haltung." Christiane Pfau wünscht sich die Szene wild und gefährlich, was sie im Übrigen auch vor 30 Jahren nicht war. Der derzeitige Generationenwechsel, der angeblich zu Lasten der wahren Künstler vonstatten geht, hat wohl weniger mit den Folgen des allseits verdammten Neoliberalismus zu tun als mit den in München mit drei Millionen Fördergeldern immer noch begrenzten Mitteln.

Sagerer rät, man müsse Druck ausüben, um zu bekommen, was man will. Er kriegt seit zehn Jahren kein städtisches Geld mehr, seit der Antrag für sein Stück "Reine Pornografie" abgelehnt wurde. Trotzdem reichte er Jahr für Jahr einen Förderantrag ein, um der Bestätigung willen, abgelehnt zu werden. Jetzt macht er nicht mal mehr das. Micha Purucker steht, nachdem die Optionsförderung erstmals anderweitig vergeben wurde, mit leeren Händen da. Verdiente Künstler der Stadt, die jahrzehntelang gute Arbeit geleistet haben, aber sollten unbedingt Geld aus einem anderen Topf bekommen. (Kulturreferent Hans-Georg Küppers übrigens arbeitet daran.) Das leidige Fazit dieser Diskussion: Man fordert die bedingungslose Freiheit der Kunst ein und hält gleichzeitig die Hand auf.

© SZ vom 28.10.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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