Diplomatie als Hobby:Diese Menschen vertreten Staaten in München - ehrenamtlich

Eine berufsmäßige Vertretung können sich kleinere Länder nicht leisten, daher übernehmen häufig Honorarkonsuln die Aufgaben. Einige Länder wären übrigens noch zu haben.

Von SZ-Autoren

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(Foto: Alessandra Schellnegger)

Von Angola bis Zypern - in München und im Umland der Stadt gibt es neun Honorargeneralkonsulate sowie mehr als 60 Honorarkonsulate. Einige Länder sind in der Stadt noch nicht vertreten, die Cookinseln zum Beispiel. Oder der Tschad. Posten als Honorarkonsuln wären also noch zu vergeben. Doch was für Aufgaben muss ein solcher Vertreter übernehmen? Die wichtigsten Fragen. Was macht eigentlich ein Konsul? Ein Konsul vertritt die Interessen der Einwohner seines Entsendestaates in Deutschland. Das unterscheidet ihn von einem Diplomaten, der die Interessen seiner Regierung gegenüber der Bundesregierung vertritt. Konsuln arbeiten eher verwaltend. Sie kümmern sich um Pass-, Visums- und Aufenthaltsangelegenheiten. Nebenbei pflegen sie die wirtschaftlichen und kulturellen Beziehungen zu Deutschland. Was unterscheidet einen Honorarkonsul von einem Berufskonsul? Honorarkonsuln heißen so, weil sie eine ehrenamtliche Tätigkeit ausüben (lat. honor"Ehre"). Der Berufskonsul hingegen ist Beamter des Auswärtigen Dienstes. Nicht alle Staaten können es sich leisten, neben dem Berufskonsul in Berlin einen weiteren in Bayern zu beschäftigen. Deswegen vertrauen sie auf die Dienste von Honorarkonsuln. Diese vertreten den Entsendestaat in einem Konsularbezirk, der meistens ein Bundesland, manchmal auch mehrere umfasst. Wer sein Amt über mehrere Jahre führt, ohne sich etwas zu Schulden kommen zu lassen, kann zum Honorargeneralkonsul aufsteigen. Wie wird man Honorarkonsul? Wer Honorarkonsul werden will, fragt bei der Botschaft des entsprechenden Landes an. Wenn diese Bedarf sieht, aber ein Berufskonsulat für zu teuer erachtet, kann sie das deutsche Außenministerium bitten, ein Honorarkonsulat zuzulassen. Welche Voraussetzungen sollte ein Honorarkonsul erfüllen? Wer Honorarkonsul werden möchte, sollte die deutsche Staatsangehörigkeit oder die des Entsendestaates besitzen und nicht vorbestraft sein. Und es darf nicht um den finanziellen Vorteil gehen. Für die Zulassung sollten weder Geld noch Sachleistungen fließen. Auch sogenannte Gefälligkeitsbestellungen, zum Beispiel zur persönlichen Ehrung, sind ausgeschlossen. Laut Auswärtigem Amt sollte der Honorarkonsul "eine allgemein angesehene, wirtschaftlich unabhängige und möglichst selbständige Stellung mit engen Beziehungen zum Entsendestaat" haben. Darüber hinaus wird erwartet, dass er oder sie sich im jeweiligen Konsularbezirk auskennen, dort auch wohnen, und nicht schon Honorarkonsul eines anderen Staates sind. Älter als 65 sollten Honorarkonsuln nur in begründeten Ausnahmefällen sein. Genießt ein Honorarkonsul Immunität? Honorarkonsuln können im Hinblick auf ihre Amtshandlungen nicht strafrechtlich verfolgt werden. Wer aber zum Beispiel geblitzt wird, bekommt ganz normal einen Strafzettel. Bleibt man Honorarkonsul auf Lebenszeit? Die Bundesrepublik beschränkt die Amtsdauer nicht - anders als manche Entsendestaaten. Das Auswärtige Amt kann allerdings die Zulassung entziehen, zum Beispiel wenn bekannt wird, dass der Honorarkonsul eine Straftat begangen hat.

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(Foto: Stephan Rumpf)

Rund 2000 Bürger des zentralamerikanischen Landes El Salvador vertritt Christa Brigitte Güntermann in Bayern und Sachsen. Zum Glück sei von denen noch keiner "eingesessen", denn sich darum zu kümmern, auch das wäre Aufgabe eines Honorarkonsuls, sagt die Münchner Immobilieninvestorin. "Honorargeneralkonsulin", wie sie präzisiert. Ein Titel, den man bekomme "wenn man sich bewährt", erläutert Güntermann, die sich vielfältig ehrenamtlich engagiert. Unter anderem als Handelsrichterin, und über dieses Amt sei sie vor 15 Jahren auch zu dem diplomatischen Dienst ehrenhalber gekommen. Sie sei von damaligen Regierungsvertretern gefragt worden, ob sie nicht die Vertretung in München übernehmen wolle, und habe zugesagt. "Ich habe das nie bereut, denn diese Aufgabe ist für mich eine Ehre, weil ich mich mit den Menschen dort identifizieren kann." Nach langen Jahren des Bürgerkriegs herrsche immer noch viel Armut in diesem Land, doch die Einwohner seien bereit, etwas zu leisten, und dafür lohne sich auch der Einsatz, sagt die Geschäftsfrau. Sie ist auch Stifterin eines Vereins, der sich für Kinder und junge Menschen in El Salvador engagiert. Mit "El Sa Care" unterstützt sie unter anderem ein Krankenhaus in Santa Ana, indem sie neue Geräte vor allem für den kindermedizinischen Bereich anschafft. Der kleine mittelamerikanische Staat an der Pazifikküste lebt vor allem vom Exportgut Kaffee. Immer wieder beschäftigt sich auch Christa Brigitte Güntermann in ihren Gesprächen über Wirtschaft und Politik deshalb mit "Kaffee-Fragen". Sie begleitet Wirtschaftsdelegationen nach Mittelamerika oder versucht bei der bayerischen Staatsregierung, Interesse für El Salvador zu wecken. "Es geht nicht um Feste und Einladungen", versucht sie das Bild zurechtzurücken, das sich die Öffentlichkeit von Honorarkonsuln mache. Es gehe auch nicht um irgendwelche Vorteile, die dieses Amt mit sich bringe, "alles Quatsch". Ihr gehe es um "die Verantwortung" für die Menschen, die sie vertrete. Deshalb will sie El Salvador auch richtig darstellen, ein Land, "das ums Überleben kämpft". Güntermann hält darüber Vorträge und wundert sich dann, wenn sie nach Fußball in El Salvador gefragt wird. Dafür sei dort gar kein Platz, der Staat sei "sehr zerrissen". Ein weites Betätigungsfeld also für die Münchner Honorargeneralkonsulin.

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(Foto: Hartmut Pöstges)

"Wie die Jungfrau zum Kinde" sei er zu seinem Ehrenamt gekommen, sagt Reinhold Krämmel, kirgisischer Honorarkonsul in Bayern und Thüringen. Reisen, Zufälle und eine Art Länder-Ringelspiel verschafften dem Bauunternehmer aus Wolfratshausen den Posten. Der passionierte Netzwerker und Jäger war vor Jahren häufiger als Tourist in Zentralasien unterwegs. Aufgrund der Kontakte, die er dabei knüpfte, "stand auf einmal der kirgisische Botschafter auf der Matte und fragte, ob ich Honorarkonsul werden könnte", erinnert sich der heute 68-Jährige. Allerdings gab es ein Problem: "Ich wusste zu dem Zeitpunkt gar nicht, was das ist, ein Honorarkonsul". Krämmel bat sich Bedenkzeit aus, informierte sich - und kam zu spät: "Inzwischen hatte es einen Botschafterwechsel gegeben, und der Neue verfolgte die Sache nicht weiter". Das wiederum erfuhr der diplomatische Vertreter des benachbarten Landes Kasachstan: "Er wusste, wenn da einer ist, der schon mal grundsätzlich bereit wäre, ein solches Amt zu übernehmen, dann muss man dran bleiben." Er lud Krämmel ein und bot ihm den Posten für sein Land an: "Warum nicht, dann eben Kasachstan", dachte sich Krämmel. 2013 aber eröffneten die Kasachen in München ein Berufskonsulat. "Damit war mein Ehrenamt obsolet." Das war die zweite Chance für das Nachbarland: Nach einem neuerlichen Botschafterwechsel sprach ihn der kirgisische Vertreter an: Jetzt, da er frei sei, könnte er doch - mit zehn Jahren Zeitverzug - Kirgisien übernehmen. Oder Kirgistan? Oder Kirgisistan? "Alle drei Namen sind gültig und meinen das gleiche Land", erklärt Krämmel. Er sagte zu und vertritt seither das Binnenland in Zentralasien, das rund 5,5, Millionen Einwohner zählt und an Kasachstan, China, Tadschikistan und Usbekistan grenzt. Kirgisisch spricht Krämmel nicht ("nur Danke kann ich sagen: Rachmat"), das Ehrenamt nimmt er dennoch ernst und reist in regelmäßigen Abständen hin: "Ich trage auch alle Kosten selbst, von den Reisen angefangen bis zu Projekten und Veranstaltungen", erklärt er. Obwohl Krämmel gelegentlich kirgisische Kulturabende im Foyer seines Firmensitzes veranstaltet, interessiere er sich weniger für das gesellschaftliche Parkett: "Ich will was bewegen", sagt er. Unter anderem habe er deshalb den Aufbau von landwirtschaftlichen Familienbetrieben in Kirgisien angestoßen.

Mach ich nicht! So habe er zuerst reagiert, als man ihm den Posten eines Honorarkonsuls für Antigua und Barbuda angetragen habe, sagt Wolfgang Altmüller. (Links im Bild, zu sehen mit Premierminister Gaston Browne.) "Warum soll ich mich mit einem solchen Titel schmücken", hat er gedacht. Seit 2015 aber macht er es doch. Er habe inzwischen umgedacht, erklärt der Banker, der Vorstandschef der Raiffeisenbank Altötting ist und auch Geschäftsführer der Raiffeisen Touristik Group. In dieser Eigenschaft habe er Land und Leute des kleinen Inselstaats in der Karibik kennen und auch schätzen gelernt. Dabei sei er "extrem überrascht" gewesen: Die knapp 100 000 Einwohner leben - das hat Altmüller bei seinen Besuchen dort erfahren - bescheiden, aber sie seien sehr zufrieden und warmherzig. Der unabhängige Antillenstaat, der zum Commonwealth gehört, verspreche nicht zu viel, wenn er mit dem Motto "Island of Sea and Sun" werbe. Viel Natur und 365 Strände, für jeden Tag ein anderer und alle frei zugänglich. Ein Paradies, das auch die Segler sehr schätzten, schwärmt Wolfgang Altmüller. Aber auch ein Paradies kann Probleme bekommen, manchmal sogar sehr große, und da ist es gut, einen Honorarkonsul zu haben. Der Hurrikan Irma hat auch auf den Inseln "unter dem Wind" gewütet und dabei 95 Prozent der kleineren Insel Barbuda zerstört. Altmüller, der auch zum Kreisvorstand des Bayerischen Roten Kreuzes Rosenheim gehört, hat eine Spendenaktion initiiert, um das kleine Krankenhaus auf der Insel wieder aufzubauen. 70 000 Euro seien bereits auf dem BRK-Konto eingegangen, darauf ist er doch ein "klein wenig stolz", denn damit könne man dort einiges bewirken. Reich ist der Antillenstaat nicht, deshalb sei es wichtig, den Tourismus, als wichtigste Einnahmequelle anzukurbeln. So macht der Honorarkonsul die Kreuzfahrtunternehmen auf die Schönheiten der Inseln und auf den Überseehafen der Hauptstadt Saint John's aufmerksam. Und einmal im Jahr reist er selbst nach Antigua und Barbuda, auf die Dauer aber, so gesteht er, "wäre es mir dort zu eng". Sein Ehrenamt könne er neben seiner Arbeit gut ausüben. Der Sitz des Konsulats befindet sich im Reisebüro der Raiffeisenbank in München, für eine eigene Niederlassung "hätte der Staat gar kein Geld", sagt Altmüller.

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(Foto: N/A)

Botswana? In seinem Ordner habe der Mann jedenfalls keine Informationen über das Land finden können, erinnert sich Thilo Schotte an ein Kundengespräch, das der für eine weltweit tätige Werbe- und Marketingagentur tätige Diplomkaufmann führte. (Hier zu sehen mit Tswelopele Moremi, der ersten Botschafterin der Republik Botswana in Deutschland.) Kein Wunder, die Akte behandelte die Korruption auf dem afrikanischen Kontinent, und davon sei Botswana weitgehend verschont. Nur wenige wüssten über das südafrikanische Land näher Bescheid, bedauert Schotte, der Botswana seit 2009 als Honorarkonsul vertritt. Dabei gebe es viel Erwähnenswertes, nicht nur das Okavangodelta, das ebenso wie die Kalahari in diesem Land liegt, sondern vor allem die Tatsache, dass Botswana die niedrigste Kriminalitätsrate Afrikas aufweise. "Ein Vorzeigeland", sagt Schotte. Und empfiehlt es jedem, der Angst vor Johannesburg habe: Eine halbe Flugstunde weiter könne man in Botswanas Hauptstadt Gaborone furchtlos leben. Seine Liebe zu Afrika, sagt Schotte, habe er als Tourist entwickelt. Deshalb habe er sich dort auch bald sozial und politisch engagiert. Dieser Einsatz gewinne an Gewicht, wenn er eine offizielle Rolle innehabe, habe ihm ein Freund geraten. Und so wurde der 48-Jährige Honorarkonsul der Republik Botswana, ein Empfehlungsschreiben des südafrikanischen Botschafters habe den Weg geebnet. Das Amt versteht Schotte als "reines Hobby" in seiner Freizeit, dennoch könne er aber einiges bewirken. So habe ihn gerade die Anfrage einer Gesellschaft erreicht, die in Gaborone ein Kinder-Krebskrankenhaus eröffnen wolle. Nach einem Gespräch mit einem Arzt, den er kenne, könnte sich daraus ein konkretes Projekt entwickeln. Netzwerken sei das, sagt der Diplomat ehrenhalber. Auch ein in Deutschland entwickeltes thermisches Abfallverwertungsmodell könne dank seiner Kontakte möglicherweise in Botswana verwirklicht werden. Dass er für einen Minister aus Botswana bei dessen Besuch in München kurzfristig Tickets für ein Champions-League-Spiel des FC Bayern besorgen konnte, auch das sieht der Honorarkonsul als eine seiner Aufgaben. Und wenn derzeit sein Arbeitgeber in Gaborone eine Niederlassung einrichte, dann geschehe auch das auf seine Initiative hin, sagt Schotte stolz.

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(Foto: N/A)

Oh, wie schön ist Panama. Für den kleinen Bären und den kleinen Tiger, Helden der gleichnamigen Kindergeschichte von Janosch, ist es gar das Land ihrer Träume, zu dem sie mit Kochtopf, Angelrute und Hut aufbrechen. Und nicht minder schwärmt Michael Häckel von dem Land, das er als die Schweiz Mittelamerikas bezeichnet. Der 54-Jährige aus der Gemeinde Sauerlach im Süden Münchens ist qua Amt ständig zu Gast in "einem der faszinierendsten und sichersten Länder Mittelamerikas", wie er sagt. Häckel vertritt seit 20 Jahren als Honorarkonsul die Republik Panama in Deutschland. Nachdem sein Vorgänger 1996 zurückgetreten war, sei er mit 33 Jahren als damals jüngster Honorarkonsul Deutschlands nachgerückt. Unter anderem das deutsche Außenministerium habe ihn nach seiner Bereitschaft gefragt, erfülle er doch die wichtigsten Voraussetzungen für dieses Amt: einen Bezug zum Land und örtliche Kenntnisse. Nachdem das Familienunternehmen "Häckel Reisen" schon seit Anfang der Neunzigerjahre Event-Tourismus in Panama angeboten hatte, kannte er sich bestens aus, nicht nur in Panama-City, einer Stadt, die es ihm bis heute angetan hat. Zum klassischen Amtsgeschäft zähle die Hilfe für die Panameños, die auf ihn zukommen, weil sie ein Visum oder die Beglaubigung von Dokumenten benötigen, oder weil ihr Pass abgelaufen ist. Für wie viele panamaische Bürger er die erste Anlaufstelle ist, weiß er nicht genau. Auf 200 bis 300 schätzt er ihre Anzahl. Aber über die Pflicht hinaus gibt es auch einige reizvolle und interessante Aufgaben, die ihn regelmäßig nach Panama führen: Wirtschaftskontakte knüpfen, Delegationsreisen begleiten oder den Kontakt mit anderen Honorarkonsuln pflegen. Eine seiner jüngsten Amtshandlungen war ein Gratulationsschreiben an den panamaischen Präsidenten Juan Carlos Varela nach dem 2:1 Sieg der Fußballnationalmannschaft gegen Costa Rica am 11. Oktober, den der Präsident denn auch gleich zum Nationalfeiertag ausrief. Eine seiner angenehmsten Aufgaben stand gleich nach seiner Bestellung zum Honorarkonsul auf dem Programm: Mit Janosch, dem Autor des später verfilmten Kinderbuches "Oh wie schön ist Panama", flog er nach Panama. Ohne Kochtopf, Fischerrute und Hut.

© SZ vom 24.10.17 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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