Diözesanrat:"Unkultur der Niveaulosigkeit"

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Flüchtlingsdebatte: Katholiken kritisieren Sprachwahl der CSU, Marx widerspricht Söder

Von Jakob Wetzel

Er wolle ja nicht streiten, sagt Kardinal Reinhard Marx. Aber offen sprechen, das schon. Und er mache sich Sorgen. "Die Gesellschaft wird nervöser, erregter", klagt der Erzbischof von München und Freising. Die Debatte werde schärfer. "Und es gibt Situationen, in denen wir Christen sagen müssen: So nicht!" Hass dürfe nicht hingenommen werden. Der Kardinal widersprach zudem Finanzminister Markus Söder, ohne den CSU-Politiker beim Namen zunennen. Es sei behauptet worden, so Marx, die Kirche sei für Barmherzigkeit zuständig, der Staat für die Gerechtigkeit. "Damit kann ich wenig anfangen", sagte der Kardinal. Soziale Gerechtigkeit sei ein Kernanliegen der Kirche. Missverständnisse wie dieses solle man doch vermeiden - und schon gar nicht öffentlich vertreten.

Marx weiß an diesem Freitagnachmittag den Saal hinter sich. Der Kardinal spricht auf dem Freisinger Domberg vor dem Diözesanrat, dem höchsten Laien-Gremium im Erzbistum. Und die Kirchen liegen seit Langem mit der CSU über Kreuz. Gerade in den vergangenen Wochen haben führende Parteivertreter mit ihrer Rhetorik gegen die deutsche Flüchtlingspolitik und auch gegen die kirchliche Flüchtlingshilfe viele Gläubige vergrätzt. Und angesichts der Kritik sind Amtskirche und engagierte Laien zusammengerückt. Denn auch unter den Laien sitzt der Ärger tief. Marx erhält viel Applaus. Auch der Diözesanratsvorsitzende Hans Tremmel nennt die CSU nicht beim Namen, er spricht nur von "relativ bekannten Politikern" und von deren inakzeptablen Provokationen. Doch wen er meint, das ist kaum misszuverstehen.

Die CSU-Mitglieder im Diözesanrat müssen lavieren. Joachim Unterländer etwa: Der Landtagsabgeordnete ist Beauftragter der CSU-Fraktion für Fragen der katholischen Kirche. Nun kandidiert er für die Wiederwahl in den Diözesanrat. Zwischen Kirche und Politik zu vermitteln sei nicht immer leicht, sagt er. Aber der Austausch sei doch wichtig. Einen Bruch zwischen Diözesanrat und Partei gibt es indes nicht: Unterländer etwa wird mit 116 zu 8 Stimmen wiedergewählt. Hans Tremmel wird an diesem Freitag noch deutlicher. Es mache sich eine "Unkultur der Niveaulosigkeit" breit, klagt er. Politiker, Pfarrer und Laien wie er selbst erhielten ehrverletzende, geradezu bedrohliche Briefe. Er dankte den Gläubigen dafür, dass sie ihr Christsein "trotz manchmal stürmischem Gegenwind tapfer und aufrecht leben". Und an diesem Klima seien die genannten Politiker nicht unschuldig.

Natürlich dürfe man nicht jedes Wort auf die Goldwaage legen, sagt Tremmel noch. "Aber wir dürfen gezielte Beleidigungen, bodenlose Unverschämtheiten und grobe Verbalattacken auch nicht einfach so hinnehmen, als wäre das grundsätzlich in Ordnung".

© SZ vom 15.10.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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