Digitale Medien:"Es gibt einen positiven Effekt"

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Kristina Reiss, 65, ist Mathematikerin und Dekanin der Fakultät für Lehrerbildung an der Technischen Universität München. Sie forscht zu neuen Unterrichtsmethoden. Außerdem leitet sie die deutsche Pisa-Studie. (Foto: Robert Haas)

Wie funktioniert guter Unterricht? Mit dieser Frage beschäftigt sich die Professorin Kristina Reiss

Interview von Martina Scherf

Wie funktioniert guter Unterricht? Mit dieser Frage beschäftigt sich Kristina Reiss. Sie ist Professorin für Didaktik der Mathematik an der Technischen Universität München und leitet die dortige Fakultät für Lehrerbildung, die "TUM School of Education". Außerdem leitet sie die Pisa-Studie in Deutschland. Seit Jahren beschäftigt sie sich auch mit dem Einsatz digitaler Medien an Schulen.

SZ: Frau Reiss, Sie haben gerade eine der größten Studien zum Einsatz digitaler Medien im Unterricht veröffentlicht. Was ist die wichtigste Erkenntnis?

Kristina Reiss: Wir haben im Auftrag der Kultusministerkonferenz eine Metastudie gemacht, dabei mehr als 1000 Studien zum Einsatz digitaler Medien in den Fächern Mathematik, Physik, Biologie und Chemie betrachtet und knapp 80 konkret ausgewählt. Man kann festhalten: Ja, es gibt einen positiven Effekt. So ist etwa die Motivation der Schülerinnen und Schüler höher, dadurch sind auch die Leistungen besser. Aber im Anschluss kommen gleich sehr viele Abers ...

Welche Einschränkungen gibt es?

Einen positiven Einfluss haben digitale Medien vor allem dann, wenn sie im Wechsel mit traditionellen Materialien verwendet werden. Und wenn die Lehrkräfte genau wissen, wann sie welche Formate zu welchem Ziel einsetzen können. Einfach nur das Internet beim Lernen zu Hilfe zu nehmen, das ist kein Fortschritt.

Der Digitalpakt der Bundesregierung, der Laptops und Tablets in Schulen bringen soll, ist per se noch kein Gewinn?

Die technische Ausstattung der Schulen ist natürlich die Voraussetzung. Aber wir müssen gleichzeitig gezielt die Lehrkräfte schulen. Das klingt trivial, aber daran mangelt es noch überall.

Wie ist der aktuelle Stand in der Ausbildung der Lehrer?

Der Einsatz digitaler Medien ist noch nicht systematisch eingeführt. In den meisten Bereichen fehlen dafür didaktische Konzepte. Darüber hinaus sind wir an die Vorgaben der Lehramtsprüfungsordnungen aus den Ministerien gebunden.

Der Schulalltag ist noch immer geprägt vom 45-Minuten-Takt und Frontalunterricht. Lassen sich da neue Konzepte überhaupt sinnvoll erproben?

Kaum. Der Vormittagsunterricht bietet zu wenig Flexibilität. Außerdem fördert er nicht die Chancengleichheit, denn es gibt Kinder, die nachmittags Bildungsangebote und Lernunterstützung haben, und andere, die das nicht haben.

Mit mehr Zeit und weniger starren Lehrplänen, was ließe sich da erreichen?

Viel. Wir setzen uns in der Universität für das selbständige Lernen ein. Lehrer sollen Kindern Hilfestellung geben, sich selber Wissen anzueignen, Dinge auszuprobieren und Spaß an Themen zu finden. Dann ist der Lerneffekt größer, das belegen viele Studien.

Wie lange dauert es noch, bis modernes Lernen in der Schule ankommt?

Ich habe den ersten Computer in der Schule 1978 gesehen, vor 40 Jahren. Das sagt alles, oder? Es ist viel Zeit verstrichen, die man gut hätte nutzen können. Natürlich ist das auch eine Kostenfrage. Die Technik entwickelt sich immer schneller, die Industrie bringt ständig neue Hard- und Software auf den Markt. Im Gegensatz dazu ist Schule ein langsames System. Das muss aber nicht immer schlecht sein.

Sollte Schule nicht auch einen kritischen Umgang mit der Technik vermitteln?

Unbedingt. Wie werde ich beeinflusst von digitalen Medien, wer steckt dahinter, welche Interessen spielen da eine Rolle? Solche Fragen gehören in den Unterricht. Das ist längst auch eine Forderung von Informatik-Didaktikern. Wir wollen doch, dass unsere jungen Leute sich später einmal als mündige Bürger in einer zunehmend komplexen Welt bewähren.

Was kann Schule dabei leisten?

Je mehr man sich auf digitale Systeme einlässt, desto mehr muss man den Menschen mitdenken - seine Bedürfnisse, Schwierigkeiten, Möglichkeiten. Man muss den Jugendlichen erklären, dass es nicht darum geht, wer der stärkste oder der schnellste ist. Sondern: Wie kann ich mich in die Gemeinschaft einbringen? Wir sind vermutlich heute stärker aufeinander angewiesen, als wir das noch vor ein paar Jahrzehnten waren. Deshalb gehört das Thema Werte in den Lehrplan.

© SZ vom 08.12.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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