Die Stadt und ihr Fluss - Teil 12:Das Glück hängt an der Angel

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In der Neopren-Hose am Stauwehr: Isarfischer müssen bei ihrem Hobby auf alles vorbereitet sein, sogar auf einen meterlangen Waller.

Rudolf Neumaier

Nach fünf Minuten ein Ruck. Die Schnur spannt sich, die Rutenspitze biegt sich. Da hat einer angebissen. Zieht nicht schlecht. Er nützt die starke Strömung. Gib nach, Fisch! Der Widerstand wird schwächer, gleich landet er im Kescher. Es ist ein Aitel. Knapp 40 Zentimeter groß. "Hallo, du Aitel, Petri Heil!" Wegen ihrer vielen Gräten sind Aitel nicht sehr beliebt.

Petri Heil! (Foto: Foto: SZ / Archiv)

Egal, der erste Isarfisch ist immer der schönste, er bekommt eins übergebraten und landet im Jutesack. Aber was, wenn gleich der nächste anbeißt? Auf dem "Tagesfischereierlaubnisschein" steht: "Die Entnahme von Fischen ist auf 2 Stück pro Tag begrenzt. Nach Erreichen des Fanglimits ist das Fischen einzustellen." Könnte ein kurzes Vergnügen werden.

Und jetzt? Pause machen? Einen Köder nehmen, den nur die größten Kaventsmänner ins Maul bekommen, Huchen mit 30 Pfund zum Beispiel? Naja, vielleicht beißt ja da vorne am Wehr erst mal keiner. Hoffentlich.

Nur streng nach Vorschrift

Der Verein der Isarfischer, der das Fischereirecht an der Münchner Isar gepachtet hat, nimmt Ökologie sehr ernst. Erst mal gibt er Erlaubnisscheine in einer streng limitierten Zahl nur an Mitglieder heraus. Wer sonst mal angeln will, muss neben dem staatlichen Fischerprüfungszeugnis einen guten Grund vorweisen - eine Zeitungs-Recherche zum Beispiel.

Und die Vorgaben für den Angeltag sind dann ziemlich streng: Nur eine Handangel darf verwendet, nur zwei Fische dürfen gefangen werden - nur Aale, Barsche und Hechte dürfen die Angler herausziehen, so viele sie wollen, denn diese Raubfische gefährden die Bestände der anderen Arten.

Womit wir bei den Gänsesägern wären. Gänsesäger sind Vögel, die sich wie Kormorane bevorzugt von Fischen ernähren. Äschen scheinen ihnen besonders zu schmecken. Jedenfalls erzählt Sebastian Hanfland, dass in der Münchner Isar Mitte der 80er mehr als 2000 Äschen im Jahr gefangen wurden. Heute werden noch höchstens 30 pro Jahr gezählt.

Die meisten der 24 Fischarten in der Isar seien gefährdet, was aber nicht den Vögeln allein anzulasten sei. Hanfland ist nicht nur Mitglied bei den Isarfischern, sondern als promovierter Fischereibiologe auch Artenschutzreferent beim Landesfischereiverband. Er betreibt mit dem Verband Artenhilfsprogramme.

Für die Äschen, für die Huchen, für Bachforellen. Zentnerweise setzen die Isarfischer jedes Jahr Forellen aus der eigenen Zucht ein. Die müssen doch irgendwann wirken, die Hilfsprogramme, oder?

Hanfland deutet über die sanften Wellen oben am Föhringer Wehr. "Die Vögel da", sagt er, "das sind Gänsesäger." Einer von ihnen verschwindet kopfüber im Wasser, und, tatsächlich, wie er auftaucht, hat er einen Fisch im Schnabel. Petri Heil, Gänsesäger! Hanfland zuckt mit den Schultern: Was soll man machen. . .

Warten auf den Hecht

Er angelt selbst leidenschaftlich gerne, und es ist ein guter Tag zum Angeln. Nicht zu kühl, nicht zu heiß. Ab und zu ein kleiner Schauer, was den Effekt hat, dass nicht allzu viele Spaziergänger unterwegs sind, die einem zuschauen, wie man in einer geliehenen Neopren-Wathose durchs Wasser stakst, was offenbar recht tolpatschig ausschaut.

Kollege Hanfland sieht jedenfalls professioneller aus, wie er den Fluten trotzt und seinen Gummi-Köderfisch gut 30 Meter weit zwischen die mächtigen Pfeiler des Föhringer Wehres schleudert, um einen Hecht aufs Kreuz zu legen.

Hechte fängt man selten, aber wenn, dann schießt das Adrenalin in einer Dosis, die ausreicht, um den Angler über mehrere erfolglose Monate hinweg zu motivieren, auf das nächste Exemplar zu warten. Hechte haben riesige Mäuler, sie werden bis zu 1,50 Meter groß. Wenn sie Fresszeit haben, verschlingen sie alles, was ihnen vors Maul schwimmt.

Angler-Latein?

Heute haben sie keine Fresszeit - Angeln ist Glückssache. Aber: Anglerglück kann auch bedeuten, dass nach einem Aitel nicht gleich der nächste Fisch beißt.

Der Köder jagt durch die Isar. Nervenkitzel, beim nächsten ist's vorbei. Hoffentlich ist es ein Kaventsmann. Eine Stunde später: Widerstand. Die Schnur spannt sich, die Rute biegt sich, heftiger als vorher. Eine Forelle, 37 Zentimeter. Hätte kleiner sein können. Aber auch größer.

Am Abend ist Sebastian Hanfland am Telefon: "Mein Neffe hat sich gerade gemeldet. Er hat einen Waller gefangen. 1,56 Meter, 50 Pfund." - "Wo?" - "In der Isar, weiter nördlich." - "Das gibt's doch gar nicht!" - "Doch."

© SZ vom 3.9.2005 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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