Die Lieferung (4):Endspurt

Lesezeit: 2 min

Paketzusteller Felice Iannone schleppt ein gewaltiges Pensum

Und das soll einer der Sündenböcke der Nation sein? Wer Felice Iannone bei der Arbeit beobachtet, der kann nicht so recht begreifen, warum Paketzusteller oft einen schlechten Ruf haben. Unzuverlässig, zu bequem, um Treppen zu steigen, überfordert, unwirsch zu den Kunden - zumindest Iannone straft diese Vorwürfe Lügen. Wenn er in seinem Zustellbezirk 105 in der Innenstadt zwischen Bayerstraße und Stachus unterwegs ist mit seiner gelb-roten DHL-Jacke und der roten Wollmütze, dann lächeln selbst Leute, die vorher ernst geschaut haben. Man kennt sich, grüßt sich. Ja, er brauche diesen Kontakt zu den Menschen, sagt der gebürtige Italiener, für ihn sei das so etwas "wie meine Arbeitspause".

Doch Iannone ist nicht nur freundlich, sondern konzentriert und schnell. "Der beste Paketzusteller von ganz München", nennt ihn ein ehemaliger Kollege, der inzwischen in der Poststelle einer Behörde in der Bayerstaße arbeitet. Trotz aller Eile haben die beiden noch Zeit für ein paar nette Worte. Als es aber um die Post geht, ist beim Ex-Kollegen Schluss mit nett. Er sei froh, dass das vorbei sei, unzumutbar seien die Arbeitsbedingungen gewesen, sagt er. Felice sagt das nicht. Ihm gefalle sein Job, er sei "sein eigener Chef". Und außerdem habe er das Glück, noch einen alten Vertrag aus seiner Zeit bei der Post zu besitzen. Viele Zusteller sind inzwischen bei der DHL-Tochter Delivery angestellt - zu schlechteren Bedingungen. Morgens um sieben beginnt der Arbeitstag Iannones mit dem Beladen des gelben DHL-Sprinters. Da habe jeder Kollege sein eigenes System, sagt er, um die Ausliefertour im Laderaum richtig vorzubereiten. Jetzt vor Weihnachten, wo aus den normalen 250 Paketen am Tag oft deutlich mehr werden, ist sein Bezirk ein bisschen verkleinert, weil zusätzliche Paketboten beschäftigt werden. Und Iannone hat auch eine Hilfe - in Form von Judy Winkler. Die arbeitet in der Frühschicht in der Briefsortierung und fährt derzeit danach zusätzlich Pakete aus.

Die beiden sind ein eingespieltes Team. Sie weiß, wo er ein Paket hinsortiert hat, sie kennt die Wege zu den Adressaten und ist oft schneller als Iannone zurück am Wagen, von dem sie vorher gleichzeitig mit ihren voll beladenen Sackkarren gestartet sind. Aber das liegt einmal daran, dass Iannone jede Frage während der Arbeit geduldig beantwortet und sich auch bei jedem Kunden Zeit nimmt für einen kleinen Schwatz. Dafür gibt es von diesen mal Äpfel, mal Süßigkeiten. Und Iannone vergisst nie, auch Judy etwas mitzubringen. Es sind keine zehn Kilometer, die Iannones gelbes Auto im Bezirk zurücklegt, meist mit zwei Rädern auf dem Bordstein. Zu Fuß kommt er auf fast 25 Kilometer täglich - alles im Eilschritt. Dazu die vielen Kilo an Paketen, die er zu heben, zu tragen oder zu schieben hat. Das Fitnessstudio könne er sich so sparen, überlegt er, "hey, damit verdiene ich doch 70 Euro zusätzlich". Eines versucht Iannone zu vermeiden: Pakete wieder mitnehmen zu müssen. Dafür hat er eine Art Nachbarschaftshilfe installiert. Überall findet er jemandem, dem er die Lieferung anvertrauen kann.

© SZ vom 03.12.2016 / kg - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: