Die Halle:Eine Münchner Geschichte

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Die Geschichte des Wiederaufbaus der Schrannenhalle ist eine Aneinanderreihung von Lokalpossen. "Zu viel Kultur" schreit die CSU zuerst, und fürchtet Unruhe für die Anwohner. "Zu wenig Kultur", schreit sie dann, als mehr Kommerz in die Halle einzieht. Zwei Investoren und Architekten verschleißen die langjährigen Planungen, und zwischendurch steigt ein Stadtrat auf eine Linde, um sie nicht dem Bimbes-Tempel zu opfern - die Schranne böte genügend Stoff für eine Daily Soap. Immer noch.

Birgit Lutz-Temsch

1978 entdeckt der Architekt und Stadthistoriker Volker Hütsch auf dem Gaswerksgelände in der Dachauer Straße die Reste der Schrannenhalle und setzt sich für den Wiederaufbau des historischen Gebäudes ein. Die Schrannenhalle ist ein Teil Münchner Stadtgeschichte: 1853 von Stadtbaumeister Karl Muffat erbaut, stand sie mehr als 60 Jahre an ihrem Platz an der heutigen Blumenstraße. 1914 wurde sie abgebaut, Reste brannten 1932 ab, nur das einstige Kopfgebäude, die Freibank, blieb stehen.

1980 stellt Stadtrat Franz Forchheimer den Antrag, die Schrannenhalle wieder aufzubauen. Damit entbrennt ein heftiger Streit: Die Marktkaufleute auf dem Viktualienmarkt fürchten Konkurrenz und Einbußen, die Metzger in der Freibank fürchten um ihre Existenz, weil sie der Halle weichen sollen, die Stadt fürchtet die hohen Kosten, die Historiker fürchten einen nicht ordentlichen Umgang mit dem Baudenkmal.

So schleppt sich der Streit um die Halle Jahr um Jahr dahin, während auf ihrem einstigen Standplatz ein Parkplatz wenig großstädtische Atmosphäre verströmt.

Die Suche nach dem Investor beginnt

Weil sich die Stadt den kostspieligen Wiederaufbau nicht leisten kann, geht sie auf die Suche nach einem privaten Investor. Maßgabe: Eine Drittelnutzung der Halle aus Kultur, Markt und Gastronomie.

Der Investor ist schließlich mit Helmut Ronstedt, einem Textil- und Antiquitätenhändler gefunden. Der aber gerät sofort in den Geruch, den Zuschlag von Bürgermeisterin Sabine Csampai zugeschustert bekommen zu haben, weil er einst für die Grünen im Starnberger Kreistag gesessen hat.

Trotzdem bekommt er 1995 den Zuschlag für sein Hallenkonzept. Zwei Jahre später allerdings, 1997, wirft er das Handtuch. Der Grund: Mangelnde Planungssicherheit auf Grund des noch fehlenden Stadtratsbeschlusses und die Auseinandersetzung mit der Stadt, der er vorwirft, eine "Halle zum Nulltarif" haben zu wollen. Außerdem hat sich für ihn ein anderes, deutlich einfacher zu verwirklichendes Objekt aufgetan: Er eröffnet das "Kokon" im Lenbach-Palais.

Der Stadtrat beschließt 1997 schließlich den Wiederaufbau und die Beauftragung eines Investors, dem die Schranne zur Nutzung im Erbbaurecht überlassen werden soll. Kurz darauf starten die Anwohner der Schrannenhalle ein Bürgerbegehren dagegen.

Bei der Investorensuche beharrt die Stadt nun nicht mehr auf der strengen Drittellösung. Mit einem formellen Antrag will die CSU-Fraktion umgehend erreichen, daß keine Konzerte, Ausstellungen und Großveranstaltungen zugelassen werden, um die Anwohner vor Lärmbelästigungen zu schützen. Überraschend beweist die CSU auch ein Herz für die Natur: Die Halle solle so aufgestellt werden, daß die Baumreihe entlang der Blumenstraße gerettet werden könne.

Warnung vor dem Investor

Als nächste Investoren kommen die Bauunternehmer-Brüder Ralf und Bodo Rossius ins Gespräch. Überraschend empfiehlt dann aber das Kommunalreferat im Oktober 1997 die Deutsche Beamtenvorsorge Immobilienholding AG mit ihrem Vorstandsvorsitzenden Klaus Thannhuber.

Auch vor diesem wird umgehend gewarnt: Der Wirtschaftsdienst "Gerlach-Report" beurteilt in seiner Nummer 32/97 die Deutsche Beamtenvorsorge AG: "Sie brüstet sich mit einer Aktienkursentwicklung von 17 Prozent seit dem 15.12.1994, dem Tag der Börseneinführung der Aktien, und bewegt sich damit als Immobiliengesellschaft auf dem Lächerlichkeitsniveau der Offenen Immobilienfonds, die auch so tun, als ob sie die Entwicklung der Immobilienmärkte, die jedermann alltäglich in den Zeitungen nachvollziehen kann, überhaupt nicht beträfe."

In älteren "Gerlach-Reports" ist von einem "Unternehmensgespinst" die Rede, der "an Intransparenz kaum zu überbieten" sei. Die denkbar schlechteste Bewertung "mangelhaft", nämlich lauter Fünfer, gibt die "Capital" 2/92 der AG.

Trotzdem erhält die DBVI im Dezember 1997 den Zuschlag. 20 Millionen Euro soll der Bau kosten, die DBVI soll der Stadt jährlich 300.000 Euro Erbpacht bezahlen, so die Konditionen.

Die CSU, die zuvor gegen zuviel Kultur in der Halle war, bemängelt nun die zu kommerzielle Ausrichtung des Nutzungskonzepts. Die Freibankmetzger willigen in keine Vorschläge neuer Bleiben ein. David gegen Goliath erinnert weiter an die zu fällenden Bäume.

David auf dem Baume

1999 geben die Freibankmetzger auf und weichen aus dem alten Kopfbau der Schrannenhalle. Dafür eskaliert der Streit um die zu fällenden Bäume auf dem Areal: Stadrat Bernhard Fricke von der Umweltorganisation David contra Goliath stellt einen offiziellen Dringlichkeitsantrag im Stadtrat, um das "Massaker" in letzter Minute zu verhindern und die Natur nicht dem neuen "Bimbes-Tempel" in der Innenstadt zu opfern.

Als dies ohne Resultat bleibt, steigt er am 13. März 2000 auf einen der Bäume, kettet sich an, empfängt die Medien und geißelt die geplante "Exekution von 52 zum Tode verurteilten Bäumen".

Der Einsatz bleibt nicht folgenlos: Alle bis auf die so genannte Fricke-Linde werden gefällt. Außerdem verspricht der Oberbürgermeister, sich für mehr Bäume in der Altstadt einzusetzen. Im April wird die Fricke-Linde in die Baumschule Müllerstadel in Langwied verpflanzt, um sich dort von ihren Strapazen zu erholen.

Wieder geht ein Architekt

Im Oktober 2000 steigen die Architekten Kurt und Peter Ackermann aus dem Projekt aus. Das Büro galt als Garant für sensiblen und denkmalschutzgerechten Umgang mit der Halle. Die Architekten steigen aus, weil sich das Projekt "in eine Richtung entwickelt, die wir mit unserm eigenen Anspruch als Architekten nicht mehr vereinbaren können".

Stadtbaurätin Christiane Thalgott warnt den DBVI-Chef Thannhuber, die Schranne dürfe kein "Kaufhaus mit der Schrannen-Konstruktion als Spitzendecke darüber" werden. Thannhuber sragt: "Es ist nunmal nicht möglich, Marktstände zu machen, die durchsichtig sind." Neuer Architekt wird Stefan Schumer aus Wien.

Weil nichts vorangeht, wird der Schrannenhallen-Platz zwischenzeitlich wieder zum Parkplatz. Im März 2003 ist es dann so weit: 25 Jahre, nachdem Volker Hütsch die alten Schrannenteile gefunden hat, beginnt der Wiederaufbau.

Im Juni erreicht die Auseinandersetzung CSU-Schrannenhalle einen weiteren Höhepunkt: Thannhuber stellt Strafanzeige gegen den Stadtrat Hans Wolfswinkler, weil der ihn des Betrugs bezichtigt hat. Grund: es sei trotz bereits geflossenen Geldes kein Baufortschritt zu erkennen.

Im Dezember ist auch für Architekt Schumer die Zeit abgelaufen: Weil er für seine Planungen nicht ausreichend honoriert wird, zieht sich Schumer zurück und beschreitet den Rechtsweg gegen die DBVI. Architekt Nummer Drei wird nun das Büro Garbe und Garbe aus Ebersberg.

Stadt klagt gegen Investor

Im Mai 2004 schließlich verklagt die Stadt den Schrannenhallen-Investor auf Zahlung von 1,4 Millionen Euro für diverse Baumaßnahmen, gleichzeitig ermitteln Staatsanwaltschaft und Polizei wegen Anlagebetrugs gegen Thannhuber. Mit der Schrannenhalle hat das aber nichts zu tun. Die Finanzlage der DBVI ist allerdings nicht die beste: Sie macht 2004 einen Bilanzverlust von 43 Millionen Euro.

Die Baukosten haben sich mittlerweile verdoppelt und liegen bei rund 40 Millionen Euro. Dadurch verringert sich der vertraglich geregelte Pachtzins für die Stadt auf Null.

Trotz weiterer Querelen um den Straßenbau rund um die Halle wird im Oktober 2004 Richtfest der Schrannenhalle gefeiert.

Als schließlich sichtbar wird, was an der Blumenstraße entsteht, beginnt die bislang nicht beendete Architekturkritik: Von einem groben Glasbauwerk das mit der ursprünglich filigranen Bauweise nichts mehr gemein habe, ist zu lesen.

Am 5. September 2005 wird die Schrannenhalle eröffnet. In den ersten Tagen strömen bis zu 25000 Menschen in die Halle, später werden es 10000. Vor allem während des Oktoberfests wird die Schrannenhalle zum "13. Wiesnzelt." Die Halle wird also angenommen.

Trotzdem ebbt die Kritik nicht ab: Die Kultur komme zu kurz, der Kommerz stehe im Vordergrund, und in allen Kritiken kehrt die Geißelung der Architektur wider. Die Anwohner beschweren sich über zu viel Verkehr, zu viel Müll und zu viel weg geworfene Kondome. Und schließlich gehen die Standlbetreiber auf dem Viktualienmarkt auf die Barrikaden, weil der Pschorr in der ehemaligen Freibank einen riesigen Biergarten auf dem Markt plant.

Unterdessen endet der Streit zwischen Stadt und Investor mit einem Vergleich: Die Stadt bleibt auf den von ihr vorgeschossenen 2,2 Millionen Euro für Änderungs- und Anpassungsarbeiten im Umfeld der Halle größtenteils sitzen. Dafür bekommt sie nun doch jährlich 150.000 Euro Erbbauzins.

Damit nun aber nicht alles ruhig wird um die Schrannenhalle, steigen im Januar 2006 zwei Mitglieder des Schrannenhallenbeirats, Richard Quaas und Helmut Pfundstein, aus dem Beirat aus und machen das nicht leise sondern laut, mit offenen Briefen. Neben den Gründen des hässlichen Baus und der jetzt also wieder als zu wenig bemängelten Kultur wird vor allem angegeben, dass die Anwohner ihre Ruhe haben möchten und sich die beiden Stadträte außerhalb des Beirats besser für selbige einsetzen können. Thannhuber antwortet ebenfalls in einem offenen Schreiben.

Und der nächste Streich? Folgt sogleich.

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