Die Forscherin:Fragiler Zwitscherautomat

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Silke Berdux im Reich der Klänge. Sie konzipiert die künftige Ausstellung. (Foto: Stephan Rumpf)

Silke Berdux, Kuratorin der Musikabteilung, kümmert sich um die Instrumente

"Jedes Instrument hat seine eigenen Bedürfnisse", sagt Silke Berdux und legt ihre Stirn in Falten, "da muss man beim Umzug sehr sensibel vorgehen, damit keinem was passiert." Wenn die promovierte Musikwissenschaftlerin von Oboen, Klavieren, Geigen und Flöten spricht, klingt es, als erzähle sie von ihrem Streichelzoo, auf jeden Fall von lebendigen Wesen. In gewissem Sinne sind Musikinstrumente das auch. Zumal Berdux regelmäßig Konzerte veranstaltet. "Manche Organisten reisen von weit her an, um einmal auf der Arend-Orgel spielen zu dürfen", sagt sie. Die Orgel ist gerade 20 Jahre alt geworden und etwas ganz Besonderes. "Wir haben ihr ein Geburtstags- und zugleich ein Abschiedskonzert ausgerichtet, weil wir sie ja ins Depot bringen müssen. Das war ein wunderschöner Abend." Silke Berdux strahlt. Sie lacht überhaupt viel und gestikuliert leidenschaftlich, wenn sie vom Reich der Klänge berichtet.

Die Orgelsammlung ist die bedeutendste der Welt, betont Berdux. Aber natürlich ist ihr auch jeder andere ihrer Schützlinge wichtig, von der kleinsten Schelle bis zum Tangentenflügel oder dem Zungenspielwerk. Oder der Zwitscherautomat, ein Glaskasten, in dem echte, ausgestopfte Vögel auf einem Baum sitzen. Dreht man an der Kurbel, zwitschern sie - eines der vielen Kuriosa im Museum. Der Apparat ist zu fragil für den Umzug, er wird einen Stock höher transportiert, wo ein Teil der Musikausstellung geöffnet bleibt.

Silke Berdux ist die Kuratorin der Musikabteilung. Nebenbei hat sie einen Lehrauftrag an der Ludwig-Maximilian-Universität, hält Vorträge in Oxford, Mailand, Wien. Sie forscht zur Herkunft und Entwicklung von Instrumenten, das reicht von der germanischen Lure bis zum selbstspielenden Klavier. Sie sichtet Nachlässe, versucht, die Sammlung zu ergänzen, und manchmal bekommt sie auch wunderbare Geschenke wie die Flöten eines Münchner Sammlers. "Damit ließ sich beweisen, wer die moderne Querflöte erfunden hat: der Münchner Komponist und Flötenbauer Theobald Böhm", sagt sie stolz.

2000 Instrumente besitzt das Museum, gut 600 waren bisher ausgestellt. In Zukunft soll die Ausstellung luftiger werden. "Die Geschichte der Oboe in 40 Exemplaren, jede mit der Zahl ihrer Klappen - das hat die Besucher überfordert", gibt Berdux zu. Es soll in Zukunft mehr Mitmachstationen geben, Zusammenhänge sollen besser erklärt werden. Das braucht Platz, deshalb werden wohl nur noch 400 Exponate ausgestellt. In zwölf Themeninseln rund um die Höhepunkte ihrer Sammlung - manches davon gibt es nur noch einmal auf der Welt - will Berdux künftig die Welt der Musik erklären.

Während sie schon die neue Ausstellung plant, sorgt die Kuratorin parallel dafür, dass jedes Exponat im Depot die Bedingungen bekommt, die es braucht, Feuchtigkeit und Luft vor allem. Für einige ist die Sanierung aber auch eine Frischzellenkur. Für die Steinmeyer Orgel aus dem Jahr 1923, zum Beispiel. Sie soll in ihren Originalzustand zurückversetzt werden, mit einer elektrischen Verbindung zwischen Spieltisch und Registern. "Wir sind stolz, dass wir jetzt alle historischen Fotos und den Werkplan gefunden haben." In der neuen Ausstellung in fünf Jahren kommt auch die Gloriosa aus dem Keller wieder ans Licht. Der musizierende Christbaumständer war ein Verkaufsschlager in der Zeit um 1900. Mehr als 100 000 Stück wurden damals verkauft. Beim Ausräumen hat Berdux noch viele dazugehörende Schallplatten gefunden und ihre Entdeckung auf der Museumshomepage veröffentlicht. Seither bekommt sie immer wieder Emails von Familien, bei denen die Gloriosa noch heute jedes Weihnachten spielt.

© SZ vom 03.11.2015 / mse - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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