Die Filmball-Kritik:Tanz-Therapie und lustvolle Opfer

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Immer heiter, immer weiter: Edmund Stoiber und Johannes Heesters stehlen beim Deutschen Filmball den Schauspielern glatt die Show.

Christian Mayer

Ein Mann zeigt Haltung, er dreht sich im Kreis, es muss ja immer weiter gehen und immer weiter. Man könnte vermuten, dass ihm alles schwer fällt: jeder Schritt eine bleierne Last nach diesen furchtbaren Wochen. Aber nein, er lächelt die ganze Zeit in alle Kameras, die unaufhörlich blitzen; er blüht geradezu auf im Scheinwerferlicht. Ist er innerlich befreit?

Spaß! Veronica Ferres und Edmund Stoiber in der Samstagnacht-Filmball-Show im Bayerischen Hof. (Foto: Foto: Stephan Rumpf)

Hat er sich für ein paar Stunden selbst vergessen? Er tanzt fast ohne Unterbrechung, erst mit seiner Frau Karin, mit der er galant den Eröffnungswalzer aufs Parkett legt, dann mit verschiedenen anderen Damen, selbstverständlich auch mit der Verdienstordensträgerin Veronica Ferres, die am Hofe des Ministerpräsidenten sozusagen die schönen Künste verkörperte.

Auch um zwei Uhr nachts ist Edmund Stoiber im Ballsaal des Bayerischen Hofs anzutreffen. Nicht mal das mitternächtliche Gelage im Weißwurstkeller bringt ihn aus dem Takt, und jetzt spielen sie gerade den alten Knef-Klassiker "Für mich soll's rote Rosen regnen''. Diese eine Liedzeile passt doch ganz gut auf den weißhaarigen Herrn im Smoking, der seine Runden dreht: "Ich will alles - oder nichts. . .''.

Wenn erhöhte Aufmerksamkeit wie eine Droge wirkt, ein Rauschmittel wie die Politik, dann bekommt Edmund Stoiber an diesem Abend eine ausreichende Dosis ab. Schon bei seinem Eintreffen klatscht das neugierige Volk, das den Einmarsch der Prominenz von der Galerie aus verfolgt.

"Ich habe gekämpft"

Und im Ballsaal wird Stoiber von den Branchengrößen, die stets auch von der bayerischen Filmförderung profitiert haben, fast so gefeiert wie früher von CSU-Parteitagen. Es hat Tradition, dass der Ministerpräsident als Schirmherr eine kurze Begrüßung sprechen darf: "Ich habe gekämpft, dass dieser Filmball nicht nach Berlin abwandert, sondern in München bleibt - bewahren Sie diese einmalige Atmosphäre!'', ruft er in den Applaus hinein.

Nur einem Mann wird an diesem Abend ähnlich viel Anteilnahme wie Edmund Stoiber zuteil, und das ist der 103-jährige Johannes Heesters, der von seiner Frau Simone Rethel und einem Dutzend Kameraleuten liebevoll betreut wird.

Die Stimmung im Saal ist der Stimmung in der Branche angemessen, also ziemlich ausgelassen, nach einem guten Jahr mit hohen Marktanteilen für den deutschen Film ist das kaum verwunderlich. Man muss sich diesen festlichen Champagnerabend als gigantische Werbeveranstaltung vorstellen, bei der die Gäste draußen im Foyer und an den Tischen permanent an ihrer Vermarktung arbeiten.

Geschichten vom Glitzerkleid

Til Schweiger, der grinsend seiner Kollegin Jasmin Tabatabai auf die Schärpe tritt, kann auf seinen neuen Film "One Way'' verweisen und gleich mal seine kanadische Filmpartnerin Lauren Lee Smith mit den Gepflogenheiten der Münchner Society vertraut machen. "Porno - rama!'', brüllt Regisseur Marc Rothemund im Chor mit seinen Darstellern, damit alle den Titel seines neuen Films mitbekommen.

Birgit Bergen erzählt Geschichten über ihr Glitzerkleid, das ihr ein stilprägender Stardesigner aus Hollywood geschenkt habe. Die junge Schauspielerin Caroline Herfurth übertrifft die anwesenden Fotomodelle mit ihrem schüchtern-koketten Sommersprossen-Charme.

Einen nahezu perfekten Auftritt hat Kollegin Jessica Schwarz ("Das Parfum''): Sie berichtet freimütig, aus einem Angebot von zehn Gratis-Roben ein weiß-blaues Kleid gewählt zu haben, "schließlich sitze ich ja heute am Bavaria-Tisch''. Der Manager der Schauspielerin versteht ebenfalls etwas von Marken: "Das Kleid ist von Cavalli, die Schuhe Baldini, der Schmuck Cartier'', erklärt er wie auf Knopfdruck, dabei hat keiner danach gefragt.

Auch Sandra Speichert hat sich neu ausstaffieren lassen, sie inszeniert sich körperbewusst in einem schwarzen Minikleidchen, das weitgehend textilfrei ist und beim Ankleiden offensichtlich größere Schwierigkeiten bereitet.

Opfer aus Leidenschaft

Allerdings kann sie nicht mit der üppiger ausgestatteten Lokalmatadorin Christine Neubauer mithalten, die sich beim Fotoshooting gefährlich in die Kurve legt. Business as usual also, nur Anna Thalbach gefällt sich in der Rolle der nörgelnden Berlinerin: "Dass die Fotografen immer so brüllen müssen.''

Sie müssen brüllen, das ist ihr Job. Dabei ist das Chaos zwischen Drehtür und Ballsaal deutlich entschärft worden. Die Kameraleute haben eine Tribüne bekommen, um von dort aus die sich lustvoll hingebenden Opfer abzuschießen. Leider zählt zu den Neuerungen beim Filmball auch, dass nun eine dieser grässlichen Sponsorenwände mit Firmenlogos als Hintergrund dient, vielleicht ein Versuch, Hollywood zu imitieren.

Ansonsten hat sich trotz neuer Sitzordnung nicht viel in der Hierarchie der Filmschaffenden geändert. Abgesehen davon, dass der sonst uneingeschränkt über den Constantin-Tisch herrschende Produzent Bernd Eichinger im Liebesurlaub weilt, was die führende deutsche Klatschkolumnistin mit großer Trauer erfüllt.

Wahrscheinlich macht Edmund Stoiber an diesem Abend etwas richtig: Es ist für den Filmballbesucher am besten, sich treiben zu lassen im Rhythmus der Musik, zwischen Kaviarhäppchen und Kameraklicks "Neid und Missgunst und alles andere zu vergessen'', wie Birgit Bergen rät.

Der König der Gelassenheit

Am besten man ist so locker drauf wie der ebenfalls tanzfreudige Regisseur Dieter Wedel, der vollmundig ankündigt, das Drama des bayerischen Ministerpräsidenten in Kürze verfilmen zu wollen (mit Ottfried Fischer in der Rolle des Horst Seehofer, was aus Wedels Sicht irgendwie logisch erscheint).

Filmemacher Oskar Roehler bringt die Sache auf den Punkt: "Ich bin unglaublich froh, hier zu sein und dieses ganze wahnsinnige Halligalli zu erleben'', sagt der Regisseur. "In München wird man ja schon durch die äußeren Bedingungen gelassener.''

Der König der Gelassenheit ist an diesem Abend eindeutig Johannes Heesters, der stoisch auf seinem Stuhl verharrt und sich feiern lässt: ein perfekt ausstaffierter Unterhaltungskünstler, stets heiter und präsent, wenn sich ein Fotograf nähert. Diesen Punkt hat Edmund Stoiber noch nicht ganz erreicht.

© SZ vom 22.1.2007 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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