Deutschlandpremiere:Das Spiel mit der Größe

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Über ihr fertiges Modemagazin im Zeitungsformat freuen sich (von links) Anna Walter, Anna Ziegelbauer und Anita Bauer. (Foto: Lukas Barth)

Angehende Journalistinnen, die an der Akademie Mode und Design studieren, haben als Projektarbeit ein Magazin im Zeitungsformat entwickelt. Es hebt sich deutlich vom übrigen Angebot ab, spart auch nicht mit Kritik und tritt den üblichen Branchen-Klischees entgegen

Von Franziska Gerlach

Als Modejournalismusstudentinnen an der Akademie Mode und Design (AMD) kennen sie freilich die Hollywoodkomödie "Der Teufel trägt Prada". Schließlich amüsierte sich die halbe Welt - und mit ihr ein überwiegend weibliches Münchner Publikum - über Meryl Streep in der Rolle der divenhaften Chefredakteurin, die in einer Tour die ihr ängstlich ergebenen Assistentinnen anpfeift. Mit dem Alltag in einer Moderedaktion hat das Ganze aber überhaupt nichts zu tun, sagen Anna Ziegelbauer, Anna Walter und Anita Bauer. Und müssen lachen. Alle drei.

Mit angewinkelten Beinen sitzen die jungen Frauen nebeneinander auf einer flachen Stufe. Hier, im Hinterhof des Buch- und Zeitschriftenladens Soda in der Rumfordstraße, scheint die große, weite Welt der Mode fern. Und doch halten die jungen Frauen ihre ganz persönliche Interpretation davon fest in den Händen - in Form bedruckten Papiers. Bauer, Ziegelbauer und Walter haben ein Modemagazin im Zeitungsformat entwickelt, am Montag wurde es vorgestellt. Wahre Größe lautet der Titel. Und groß, das ist die Zeitung mit ihren 400 auf 570 Millimetern tatsächlich. Und das wiederum darf nicht nur als Verneigung vor dem Printjournalismus gewertet werden, sondern auch als Deutschlandpremiere. "Es ist das erste Mal, dass eine Modezeitung im nordischen Vollformat erschienen ist", sagt Sabine Resch, Leiterin des Studienbereichs Modejournalismus an der AMD.

Schon in den vergangenen Jahren erprobten Reschs Studenten ihr Fachwissen gegen Ende des Studiums in einer Lehrredaktion. Einmal entstand ein Buch mit Charles Schumann, ein anderes Mal ein kunsthistorisches Magazin. Im achten Jahr des Praxisprojekts ließen die Studenten 15 Wochen lang, Tage wie Nächte, ihre Vision vom Modejournalismus in ein Konzept einfließen. "Wir spielen in der ganzen Zeitung mit Größe", sagt Anna Ziegelbauer. Große und kleine Geschichten haben Eingang gefunden in die Zeitung. Bildstrecken, die von Tiefgang zeugen und von Humor - und deren Macherinnen sich nicht davor scheuen, Mode auch mal anders zu denken als die gängigen Magazine, von denen einige in Münchner Verlagshäusern wie Burda oder Condé Nast entstehen. Bei Walter, Ziegelbauer und Bauer flirtet die Mode unverblümt mit der Zeitgeschichte, das Yoga-Model trägt Übergröße, und auch für Quereinsteiger ist freilich Platz.

Wie es in einer Moderedaktion zugeht, wissen Ziegelbauer, Bauer und Walter längst. Bauer etwa war Praktikantin beim Hochglanzmagazin Madame. Das Klischee vom Zickenalarm kann sie in diesem Fall aber nicht bestätigen. "Überhaupt nicht", sagt sie und betont jede einzelne Silbe. Die Studentinnen stören sich an dem Bild von der überkandidelten Modetussi. Viele würden nur den Glamour sehen, die Partys und Fotoshootings auf Südseeinseln, sagt Anna Walter. "Dabei hat man einen längeren Arbeitstag als in einem Bürojob", sagt die 22-Jährige. Sie wünscht sich mehr Wertschätzung für die Mode als Sujet, und dass die Leute den Stellenwert der Mode als Kulturgut, als Ausdruck gesellschaftlichen Wandels, irgendwann erkennen. Sieben Semester lang haben die Studenten Unterricht in Kulturjournalismus, sie lernen Nachrichten schreiben und Essays. Natürlich gehört auch Modetheorie dazu, die im Übrigen gar nicht dröge sei. Mit Phrasen wie "Ach, war das wieder schön bei Dior" dagegen braucht den ambitionierten Studentinnen keiner zu kommen.

Ein Text der Zeitung befasst sich mit Eltern, die ihre Kinder als Models vermarkten. Sollte Modejournalismus auch kritisch sein? "Er muss", sagt Ziegelbauer wie aus der Pistole geschossen. Obwohl es den Frauen nicht darum geht, Online gegen Print aufzuwiegen, finden sie: Die Zeit der Blogger, die hektisch am Rand der großen Schauen ihre Laptops malträtieren, ist langsam vorbei. "Der Konsument will etwas Recherchiertes, mehr Hintergrundwissen", sagt Anita Bauer; "eine Einordnung."

Die Frage, ob ein royal gestyltes Pärchen in Tagen des Brexit vielleicht doch zu politisch gewesen sei für das Cover, beantwortet ihre Kommilitonin Anna Ziegelbauer mit der Souveränität eines alten Hasen. "Da wäre der Leser verloren gewesen, wenn er in der Zeitung dazu nichts mehr gefunden hätte", sagt sie.

Dass es als ein Privileg der Jugend gilt, sich kreativ auszutoben, ist ihnen bewusst. Angst, im späteren Berufsleben als kleines Rädchen im Getriebe eines großen Verlages ihrer Experimentierfreude beraubt zu werden, haben sie nicht. Anita Bauer hat sogar schon eine Jobzusage, als Modeassistentin einer Zeitschriftenredaktion wird sie wohl erst mal Säume abstecken und Shootings organisieren. Doch genauso wie Ziegelbauer und Walter ist sie sich sicher, dass ihre Zeit kommen wird. Nicht morgen, auch nicht übermorgen. Doch eines Tages, da werden sie ihr eigenes Ding machen. Ihre Vision verwirklichen.

© SZ vom 13.07.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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