Der Vater als Onkel:Leben mit Mama und Mami

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Clara ist am wichtigsten, dass sie zwei Eltern hat, die sie lieben und unterstützen

Von Silke Lode, München

Clara kann sich manchmal nur wundern, welche Bedeutung der Tatsache beigemessen wird, dass sie mit zwei Müttern aufwächst. "Ich würde mich nie so vorstellen: Ich bin die Clara und habe zwei Mütter. Warum auch? Mich interessiert an anderen doch auch nicht deren Eltern." Clara wünscht sich, dass die Leute einfach sehen könnten, dass "ein Regenbogenkind Eltern hat, die einen lieben. Dass das genauso schön ist wie mit Vater und Mutter". Aber die 14-Jährige hat sich inzwischen damit abgefunden, dass sie anderen Leuten sehr oft ihre Familienkonstellation erklären muss.

Wirklich schlimm findet sie das nicht: "Ich bin stolz auf meine Familie. Mir ist vor allem wichtig, dass die Leute nicht dagegen kämpfen." Einmal hat sie erlebt, wie sich das anfühlt: Beim Christopher Street Day vor einigen Jahren, der großen Demo der Schwulen, Lesben, Bisexuellen und Transgender, lief eine Frau herum, die auf einem Schild wetterte, wie schlimm die Homo-Ehe sei, dass Schwule und Lesben in die Hölle kämen und keine Kinder haben dürften. "Ich hatte echt Angst und war eingeschüchtert. Aber meine Mütter haben mir gesagt, dass die Frau für uns kein Problem ist." Anfeindungen oder Probleme hat Clara sonst aber nie erlebt. Sie schiebt das "aufs Umfeld" - München, die Freunde ihrer Eltern, ihre eigenen Freunde.

Claras Mütter haben sich gemeinsam ein Kind gewünscht, ein Freund half mit seiner Samenspende. Zu diesem Freund pflegt die Familie bis heute Kontakt, "er ist fast wie mein richtiger Vater", sagt Clara. "Oder wie ein Onkel", meint sie nach kurzem Überlegen, "nur enger zu mir." Heute lebt er zwar in einer anderen Stadt. "Aber wir skypen oft und er besucht uns in München." Für Clara steht fest: "Er ist mir total wichtig und gehört zur Familie." Zugleich zieht sie auch Grenzen: "Wenn er bei wichtigen Entscheidungen mitreden wollte, würde ich ihn auslachen, dafür steht er mir nicht nah genug." Aufgewachsen ist Clara bei "Mama und Mami", dass nur eine von beiden ihre "Bio-Mama" ist und die andere sie sogar adoptieren musste, spielt für sie keine Rolle.

Ganz oft wird Clara gefragt, ob sie einen "richtigen" Vater nicht vermisse. Sie ist im Gegenteil oft froh, dass sie zwei Mütter hat: "Als Mädchen ist das sogar ein Vorteil, wenn zwei Frauen im Haus sind. Du kannst über alles reden. Als Junge ist das sicher anders - aber da kommst du schon auch klar." Was für Clara zählt: "Zwei Eltern sind wichtig. Egal, ob das eine Frau und ein Mann oder zwei Männer oder zwei Frauen sind." Wenn sie sich vorstellt, mit einem Vater zu leben, der nie da ist und einer Mutter, die nur im Haus ist, meint sie ganz trocken: "Das bringt doch auch nichts!"

Für Clara zählt, dass sie zwei Eltern hat, die sie lieben und unterstützen. Sie tanzt, seit sie vier Jahre alt ist, spielt seit acht Jahren Geige, auch für Tennis findet sie neben der 9. Klasse am Gymnasium Zeit. Das Verhältnis zu ihren Müttern ist entspannt. "Es gibt so viele gescheiterte Hetero-Familien. Allein in meinem Freundeskreis kenne ich zwei Mädchen, die überhaupt nicht mit ihren Müttern klarkommen und überlegen, ob sie mit 16 ausziehen", erzählt Clara. Umso mehr ärgert es sie, wenn andere Leute ihre Familie kritisieren - und es macht sie traurig. Bei solcher Kritik gehe es immer nur darum, dass die beiden Erwachsenen nicht ein Mann und eine Frau sind. Sie sieht ganz andere Unterschiede zum klassischen Familienmodell: "Es gibt ungleiche Rechte." Für gemeinsame Kinder gibt es komplizierte Adoptionsverfahren, Lebenspartner zahlen mehr Steuern als Eheleute. "Und das, obwohl Lesbenpaare mit Kind theoretisch am wenigsten Geld haben", sagt Clara. Frauen seien im Job schließlich oft benachteiligt. "Vielleicht ist so was einfach mehr Thema, wenn drei Frauen zusammenleben."

© SZ vom 03.05.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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