Der Rentner:Philosoph im zweiten Anlauf

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Mit seinem Seniorenstudium hält sich Hans Stein geistig fit

Von Lenja Hülsmann

Hans Stein sitzt im Hörsaal gern auf einem Platz in den ersten Reihen. Aber nur so weit vorne, dass er nicht vom Professor angespuckt wird. "Das waren früher immer die Streberplätze" sagt der 71-jährige Seniorstudent. Heute sitze er gerne dort, weil man besser hört und sieht.

Hans Stein studiert im dritten Semester Geschichte und Philosophie an der Ludwig-Maximilians-Universität München. Als Rentner hat er seinen jungen Kommilitonen eine Menge Berufserfahrung voraus: Ausbildung als Versicherungskaufmann, BWL-Studium in Köln, dann arbeitete er bis zur Rente bei Bosch, zuletzt in der Personalabteilung in München.

Die Idee, noch einmal zu studieren, kam Stein bei seinem letzten Athen-Urlaub. "Da bin ich auf Sokrates gestoßen, habe ihn abends im Hotel gegoogelt und Videos auf Youtube geschaut", erinnert er sich. Das ist jetzt drei Jahre her. Im Februar 2016 hat sich Stein für das Seniorenstudium angemeldet. "Um die geistige Fitness zu trainieren", erklärt er. Im Seniorenprogramm gibt es keine verpflichtenden Prüfungen. Trotzdem will Stein im dritten Semester wissen, ob er noch richtig studieren kann. "Im Sommersemester möchte ich eine Klausur schreiben und mindestens eine 3,0 schaffen", sagt er. Zuerst müsse er aber wieder lernen zu lernen. "Da fehlt mir die Routine", gibt Stein zu.

Um das zu ändern, verbringt der Rentner neben den zwei Vorlesungen pro Woche einen Tag in der Uni-Bibliothek. Hier bereitet er die Vorlesungen nach, liest zusätzliche Texte, ergänzt Mitschriften. In Kontakt mit jungen Studenten komme er in der Bibliothek aber nicht. "Da sind immer alle so leise und sitzen an einzelnen Tischen. Ich sitze dort lieber auf dem Sofa", sagt Stein. Doch wenn der Senior am Dienstagmorgen vor der Vorlesung noch einen Cappuccino im Café Schneller neben der Uni trinkt, kann er dort seine Mitstudenten beobachten. Vielen merke man den Zeitdruck an, wenn sie schon früh morgens vor der Vorlesung an ihren Laptops arbeiten. "Jeder soll heute am besten in Regelstudienzeit fertig werden, den Stress hatte ich früher nicht", weiß Stein aus Erfahrung.

Sein persönliches Ziel hat Hans Stein klar vor Augen: So lange studieren, wie es geht. Noch habe er jede Woche Lust auf die Vorlesung. "Ich bin bisher auch nie eingeschlafen", sagt Stein und lacht. Doch eines gefällt dem Seniorstudenten nicht: alte Folien, die der Professor schon ewig nutzt. "Das ist zu langweilig, sogar für einen Oldie wie mich."

© SZ vom 22.04.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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