Der Machtkampf geht weiter:Basic sucht den Bio-Rhythmus

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Hinter den Kulissen der Naturkost-Kette tobt ein heftiger Machtkampf, der auch nach dem Ausstieg der Schwarz-Gruppe weitergeht.

Bernd Kastner

Verschieden waren sie schon immer, aber früher war das gut, denn sie haben sich bestens ergänzt. Der eine war Stratege, der andere zuständig fürs Gefühl, weshalb er die Läden ausgestattet hat, und der Dritte brachte Dampf in eben diese Läden.

(Foto: Foto: ddp)

Richard Müller, Georg Schweisfurth und Johann Priemeier haben sich umarmt, wenn sie sich getroffen haben, man war das so gewohnt in einer Branche, in der man sich lieb hat. "Basic" haben sie die Frucht der Freundschaft genannt, die Firma wuchs heran zur zweitgrößten Bio-Supermarktkette der Republik.

Die drei waren stolze Väter, haben gern aus der Zeitung gelacht und gute Geschäfte gemacht mit dem Bio-Boom und dem guten Gewissen, das der Kunde mit über die Theke gereicht bekam.

Jetzt aber, zehn Jahre nach der Gründung, herzen sie sich nicht mehr. Nicht einmal geredet haben sie in den letzten Monaten mehr miteinander. Hinter der sonnengelben Fassade tobt ein Machtkampf: Müller und Schweisfurth gegen Priemeier.

Es geht um den Einstieg der Schwarz-Gruppe bei Basic - und um deren Ausstieg. Die Geschichte dieser Freundschaft ist eine Geschichte über die Moral in einer Branche, die sich ethisch so korrekt gibt. Und vielleicht ist es der erste große Kampf dieser Art, denn es geht um fundamentale Fragen: Wann ist Geld sauber und wann schmutzig?

Mit wem dürfen "die Guten" paktieren? Man diskutiert seither in der Szene wieder intensiver über die eigenen Werte, und Basic sucht seinen alten Bio-Rhythmus.

Angefangen hat alles, zumindest nach außen hin, Ende Juli. "Basic verhilft Bio-Branche zu schnellerem Wachstum", war eine Pressemitteilung überschrieben, in der der geringe Bio-Anteil am Lebensmittelhandel beklagt wurde und die eigentliche Nachricht eher versteckt daherkam: Um Basics rasantes Wachstum zu finanzieren, steigt die Schwarz-Gruppe ein, 23 Prozent gehen nach Neckarsulm.

Eingefädelt hatte alles Finanzvorstand Johann Priemeier - ohne Aufsichtsrat und Gründer-Kollegen einzuweihen. Die reagierten entsetzt, warfen ihm "Geheimdiplomatie" vor und begannen, im Hintergrund die Fäden zu ziehen.

Dabei war dieser Deal überhaupt nichts Neues mehr: "Er läuft schon seit Februar, und ihr habt es gar nicht gemerkt", sagte Priemeier in Richtung seiner Kunden. Bald sollte er Sätze wie diesen bereuen.

Die Kommunikation geriet zum Desaster, und es gärte im eigenen Haus, weil viele der rund 700 Basic-Mitarbeiter erst von Kunden erfuhren, dass sie einem neuen Herren dienen - einem, vor dem sie Angst haben.

Es sprach auch niemand von Schwarz, sondern von Lidl, dem Discounter, der zum Imperium des Dieter Schwarz gehört und für seinen ungebührlichen Umgang mit Mitarbeitern und Lieferanten kritisiert wird. Es dauerte nicht lange, da hefteten Kunden an Basic-Pinnwände Zettel, auf denen stand: "Stoppt den Lidl-Einstieg, sonst ..."

In der Szene galt die Allianz als Tabubruch. Zum ersten Mal verbündeten sich Discount und Bio, schwarz und weiß. Priemeier drang nicht durch mit seinen Beteuerungen, dass der Schwarz-Konzern auf dem Weg vom Saulus zum Paulus sei und ehrliches Interesse am Erfolg der Biobranche habe.

Und dass er, Priemeier, der seit 30 Jahren als gelernter Müller in Bio macht, das alles nur tue, um die Branche herauszuführen aus dem Tal der Zwerge. Er nannte die Zahl von 25 bis 50 neuen Supermärkten, die er pro Jahr eröffnen wolle.

Dass dies eine Illusion ist, weil sich so schnell nicht so viele geeignete Standorte und Mitarbeiter finden, ging unter. Je mehr Priemeier sich seiner Weitsicht rühmte, desto mehr wurde er zum Buhmann. Er konterte und nannte seine Kritiker "Gutmenschen".

Die Entrüstung wuchs, als auf der Basic-Hauptversammlung Anfang August Schwarz allen Alt-Aktionären ein Übernahmeangebot unterbreitete. 20 Euro pro Aktie boten die Neckarsulmer, ein sehr guter Preis.

Die Übernahme der Mehrheit schien nur noch eine Frage der Zeit, zumal Richard Müller, der Stratege im früheren Freundschaftstrio, sofort seinen Ausstieg angekündigt hatte - mit Lidl wolle er nichts zu tun haben. Ähnlich äußerte sich Georg Schweisfurth.

Dass die Herrmannsdorfer Werkstätten, gegründet von dessen Vater und geleitet von seinem Bruder Karl, einen Lieferboykott verkündeten, ist bemerkenswert in dieser Diskussion um den Reinheitsgrad von Geld.

Schließlich verdankt der Öko-Hof bei Glonn seine Existenz dem Verkauf der Fleischfabrik Herta. Mit der Firma, bei der es um die Wurst ging, war Schweisfurth senior groß und reich geworden, ehe er auf den Pfad der Ökologie einbog.

So einen Wandel wolle man auch bei Schwarz nicht ausschließen, sagt Georg Schweisfurth, aber: Noch passe das Lidl-Image nicht zu Basic, was zu Abstoßreaktionen führe.

So kam es jedenfalls, dass das einst so strahlende Unternehmen Basic mit den leise plätschernden Brunnen zwischen Obst- und Weinregalen zum Outlaw der Biobranche zu werden schien, und als auch noch der Bio-Großhändler Dennree einen Lieferstopp ankündigte, drohten den gut zwei Dutzend Basic-Märkten sogar leere Regale.

Attac protestierte vor den Läden, Fernsehteams rückten an, und es dauerte nicht lange, bis der Umsatz einbrach. Von zehn Prozent sprechen sie in der Basic-Zentrale.

Hausverbot für den Gründer

Im September hätte Schwarz die Macht bei Basic übernehmen können, denn die beiden entscheidenden Eigner, Schweisfurth und Müller, boten ihre Aktien an. Zusammen halten sie rund 35 Prozent, sie hätten viele Millionen aus Neckarsulm überwiesen bekommen.

Doch dann zogen die Vorstände die Notbremse, der Kundenboykott machte ihnen Angst, sie stoppten den selbst initiierten Aktiendeal. Da schon deutete sich an, dass Basic in die Wirtschaftsgeschichte eingehen könnte als eines der ganz wenigen Unternehmen, das von den eigenen Kunden zur Umkehr gezwungen wurde.

Wie beim Öl-Multi Shell, der wegen der geplanten Versenkung der Bohrinsel Brent Spar von Greenpeace attackiert worden war. Die Autofahrer tankten woanders, diese Art des Protestes ist für Kunden ebenso bequem, wie den Bioapfel im Laden nebenan zu kaufen.

Am 5. November wird Firmengründer Johann Priemeier, der früher Action in den Betrieb brachte, als Vorstand abberufen, ohne ein Wort des Dankes. Er, mit rund 25 Prozent noch immer größter Eigner, muss sein Büro sofort räumen und bekommt Hausverbot - in der eigenen Firma. Über die tieferen Gründe des Rauswurfs schweigen beide Seiten.

Sicher aber ist, dass die Affäre Müllerstraße seine Position weiter geschwächt hat: Priemeier wagte einen Ausflug in den Immobilienbereich, um Basic im Glockenbachviertel einen neuen Markt zu ermöglichen - auf Kosten zahlreicher Bewohner, die man zu entmieten versuchte. Ein Image-Gau für die Öko-Kette (SZ berichtete).

Noch in derselben Woche kommt die Trennung von Schwarz. Man hört, dass Dieter Schwarz persönlich darauf gedrungen habe, und dass seine Manager Fehler eingeräumt hätten.

Den Kunden als kritisches Wesen hatte keiner auf der Rechnung, auch nicht der Schweizer Investor Theo Häni, Aufsichtsrat bei Basic, der sehr gerne an Schwarz verkauft hätte: "Ich habe nicht mit dieser Gegenwehr gerechnet. Die Bio-Szene scheint recht sensibel zu sein." Häni hat jetzt sein Aufsichtsmandat niedergelegt, weitere personelle Veränderungen im Aufsichtsrat dürften folgen.

Die Verkündigung der Trennung von Schwarz nutzt Basic zum öffentlichen mea culpa: "Unsere Kunden und viele unserer Lieferanten haben uns den Weg aufgezeigt. Dafür sind wir dankbar." Man peile jetzt wieder ein organisches Wachstum an mit maximal zehn neuen Märkten pro Jahr.

Eine schallende Ohrfeige für den, den sie noch immer "Hansi" rufen. Sein Vorstandskollege Josef Spanrunft hatte die Partnerschaft mit Neckarsulm ebenso gutgeheißen, doch heute hält er das alles für eine "Schnapsidee". Mit der Presse sprechen wolle er jetzt aber nicht mehr.

Ebenso schweigen will Priemeier, der sich gedemütigt in seine Bio-Mühle in Niederbayern zurückgezogen hat. Und die Neckarsulmer sind gewohnt einsilbig: Nein, als Niederlage empfinde man die Zwangsscheidung nicht.

Dennoch dringt nach außen die Kunde von einer angeblichen "Entlassungswelle" in der Basic-Zentrale an der Richard-Strauss-Straße: 20 Mitarbeiter habe man angesichts der geplanten Expansion engagiert, die müssten nun um ihren Job bangen, den Vertriebschef habe es schon erwischt.

Als kurz darauf der verbliebene Vorstand der kompletten IT-Abteilung kündigen will, wird er vom Aufsichtsrat zurückgepfiffen. Schweisfurth will die Entlassungen nicht kommentieren, nur so viel: Eine "Riesen-Welle" werde es nicht geben.

Er und sein Freund Müller, die formal nur Aktionäre sind bei Basic, haben nun das Sagen. Schweisfurth, im Trio einst fürs Gefühl zuständig, redet von einer "Brandmauer" zwischen der Bio- und der konventionellen Lebensmittelbranche, die man nicht niederreißen dürfe, zumindest nicht auf einen Schlag.

Und so suchen sie nach ethisch sauberen Fonds, die die Schwarz-Millionen ersetzen, und nach vermögenden Privatpersonen. Günther Fielmann, der Brillen-Fabrikant und Bio-Großbauer, ist beispielsweise im Gespräch. Bald biete man womöglich auch Kunden wieder Aktien ihres Supermarktes an, wie ganz früher schon.

"Szene wird sich spalten"

Ob alles wieder wird wie damals, als die Bios ganz unter sich waren, ist dennoch fraglich in einem Markt, der wächst wie kein anderer im Lebensmittelhandel. Thomas Dosch, Präsident des Anbauverbandes Bioland, stößt der moralische Rigorismus von Schweisfurth und Co auf.

Wenn, dann müsse man diesen Maßstab bei allen Kapitalgebern anlegen. Er selbst kann die Aufregung nicht ganz nachvollziehen, wenn sie sich nur auf Basic konzentriere und die Bio-Ware ignoriere, die schon jetzt im Discounterregal liege. Solange das Geld nicht allzu unsauber sei und der Kapitalgeber nicht ins Geschäft reinrede, sei nichts einzuwenden.

"Man muss gewisse Kompromisse eingehen."Steffen Reese sieht das anders: "Der Verbraucher hat die Macht", sagt der Chef von Naturland. Mittelfristig werde sich die gesamte Branche, die längst wie jede andere funktioniert, Kabale und Liebe inklusive, und die fürs erste Halbjahr 2007 Wachstumsraten von bis zu 40 Prozent vermeldet, ausdifferenzieren: Hier die einfache Bio-Ware, dort die Produkte mit sozialem Mehrwert: "Die Szene wird sich spalten."

Bei Basic hat inzwischen der Großhändler Dennree seine Kündigung zurückgezogen, und an den Pinnwänden finden sich neue Kundenreaktionen, nun mit dem Tenor: Lidl ist weg, wir sind wieder da!

Ob der Kampf um den Kurs von Basic damit endgültig entschieden ist, darf dennoch bezweifelt werden. Zu tief sind die Wunden, auch wenn Georg Schweisfurth eher abwiegelt. Er betrachte die Affäre als Kinderkrankheit, wie die Windpocken vielleicht, unangenehm, aber "es gehört zur Entwicklung". Er kaut am kleinen Finger, während er von seinem kranken Kind erzählt.

© SZ vom 1.12.2007 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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