Demo gegen Ladenöffnung:Die Sonntagsfrage

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Laut Polizei demonstrierten 450 Menschen. Der Verband der Unternehmen in der Innenstadt, City-Partner, sprach dagegen von einem "Häufchen von 150". (Foto: Robert Haas)

450 Einzelhandels-Mitarbeiter, Kirchenvertreter und Gewerkschafter protestieren gegen die Ladenöffnung am Stadtgründungsfest und für mehr Lohn

Von Stephan Handel

Das Anliegen kommt laut und unverblümt: "Wir wollen mehr Geld", schallt es durch die Schwanthalerstraße, ausländische Touristen betrachten erstaunt-belustigt den bunten Zug: 450 Einzelhandels-Angestellte haben am Freitagvormittag an einer Demonstration teilgenommen, mit der die Gewerkschaft Verdi gegen die Öffnung der Innenstadt-Geschäfte am 14. Juni, dem Tag des Stadtgeburtstags, protestiert. Und gleichzeitig wollten sie auch ihre Sicht der Dinge bei den derzeit laufenden Tarifverhandlungen in den öffentlichen Raum tragen.

5,5 Prozent mehr Lohn fordert die Gewerkschaft in den Verhandlungen, das ist das eine. Das andere ist, dass der Stadtrat am vergangenen Mittwoch die Sonnntags-Öffnung für den 14. Juni beschlossen hat - "handstreichartig", wie der Verdi-Handelsexperte Georg Wäsler findet. Dagegen wollen sie protestieren, "kämpferisch und unbequem", wie ein Transparent verkündet, aber wohl eher nicht "gewaltbereit", so sagt ein anderes.

Mitarbeiter von Rewe sind dabei, von Tengelmann, H&M, Zara, Esprit, Massimo Dutti, Hugendubel, Karstadt, aber auch von der Metro in Freiham. Zusätzlich haben sich auch Arbeitnehmer der Allianz und der Bayerischen Versicherungskammer dem Marsch angeschlossen, nicht, weil auch ihnen Sonntagsarbeit zugemutet werden soll, aber die Branche befindet sich ebenfalls in Tarifverhandlungen.

Am Stachus angekommen, wird es kämpferisch: Orhan Akman, ehemaliger Linken-Stadtrat und mittlerweile in Südamerika gewerkschaftlich tätig, beginnt seine Rede mit scharfen Angriffen auf OB Reiter und seinen Stellvertreter Josef Schmid: Sie hätten beide immer wieder versichert, dass "der Sonntag tabu" sei - nun, so Akman, reiche ihre "Pinocchio-Nase" vom Marienplatz bis zum Stachus: "Ihr seid Lügner!" Für die Gewerkschaft sollte das nach Akmans Meinung zu Konsequenzen führen: "Reiters Verhalten ist eines Sozialdemokraten unwürdig. Er hat auf DGB-Podien nichts mehr verloren und sollte nicht mehr eingeladen werden." Und der CSU wirft er vor, sie habe "keine Ahnung vom Christentum".

Den Demonstranten gefällt Akmans kämpferische Rede - als er endet, wird er mit "Orhan, Orhan"-Rufen gefeiert. Diesen Schwung versucht sich Roland Pelikan zunutze zu machen, er ist Sozialpfarrer der evangelisch-lutherischen Kirche: "Wer für alles offen ist, kann nicht ganz dicht sein", ruft Pelikan und meint damit die beiden großen Fraktionen im Stadtrat, insbesondere auch den SPD-Fraktionsvorsitzenden Alexander Reissl, den Pelikan einen "frechen Lügner" nennt. Es gehe, sagt der Pfarrer weiter, bei der Frage nach der Sonntagsöffnung nicht einmal hauptsächlich um die Religion - es gehe um Menschenrecht und Menschenwürde: "Jetzt gebt amal a Ruh", das müsse auch für den Sonntag gelten.

Sowieso befürchtet die Gewerkschaft, dass das, was Stadtregierung und die Werbegemeinschaft "City Partner" sich da ausgedacht haben, Türen öffnen könnte, die besser verschlossen blieben: die einmalige Sonntagsöffnung als Schritt auf dem Weg zu einer weiteren institutionalisierten Verlängerung der Ladenöffnungszeiten. Christian Bindl, Leiter der katholischen Betriebsseelsorge, rechnet vor, dass die Öffnung sowieso rechtlich nicht zulässig wäre, weil dann nicht mehr ein "Marktgeschehen" im Vordergrund stehe, wie es die Rechtsprechung fordert, sondern die ganz normalen Geschäfte in der Fußgängerzone, die geöffnet hätten wie an einem ganz normalen Tag. Verdi-Mann Wäsler meint zu Bindl, er hoffe, dass sich noch weitere "anständige Pfarrer" finden ließen, die den Leuten sagen, was sich gehört an einem Sonntag und was nicht: "Wenn ein Fest zu einem kommerziellen Spektakel verkommt, dann ist es kein Fest mehr."

Die City-Partner haben sich am Freitagmittag als Reaktion auf die Demonstration zu Wort gemeldet: Sie, nach eigenen Angaben "auch da" am Stachus, haben "ein kleines Häufchen von vielleicht 150 Teilnehmern" ausgemacht, obwohl Veranstalter wie auch Polizei 450 Demonstranten gezählt haben. Zu den Angriffen der Redner sagt City-Partner-Chef Christian Fischer: "Diese Kampfpolemik und Heuchelei ist unfassbar und aus unserer Sicht nicht mehr akzeptabel."

© SZ vom 23.05.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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