Debatte um Standort:Wo der Konzertsaal Platz hätte

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  • Bei der Standortfrage für einen neuen Konzertsaal in der Stadt hat Kultusminister Ludwig Spanle auf 38 Flächen hingewiesen. Auf dem SZ-Forum wurde diskutiert, ob die Suche nicht noch weiter ausgeweitet werden soll.
  • Beispielweise kam die Idee auf, den Konzertsaal nicht in der Innenstadt zu bauen. Stadtbaurätin Elisabeth Merk hatte schon vor Jahren angeregt, das Konzerthaus in der Riemer Messestadt, im Bahnhofsviertel oder sogar im Neubauquartier Freiham zu bauen.

Von Rita Argauer und Christian Krügel, München

Was BR-Intendant Ulrich Wilhelm da sagt, klingt zunächst wie der größte Treppenwitz in einer an skurrilen Wendungen ohnehin reichen Konzertsaal-Debatte: Man müsse die Diskussion über mögliche Standorte weiten und vielleicht ganz neue Grundstücke ins Visier nehmen. Wie jetzt? Hatte Kunstminister Ludwig Spaenle nicht gerade auf insgesamt 38 Flächen in München hingewiesen, die alle schon auf ihre Konzerthaus-Tauglichkeit untersucht wurden und von denen am Ende nur zwei übrig blieben? Der Abend im Künstlerhaus hat gezeigt, dass die jahrelange Sucherei vielleicht wirklich von vorne beginnen muss. Denn die Widerstände an den Rest-Standorten Finanzgarten (Protest der Baumschützer) und Kongresssaal (Protest der Museumsschützer) könnten am Ende so groß sein, dass neue Ideen gefragt sind.

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Und für die steht derzeit der designierte Kammerspiel-Intendant Matthias Lilienthal exemplarisch. Mit seiner Aktion "Shabby-shabby Apartments" will er durch provisorische Hütten und Wohncontainer den städtischen Raum auf etwas andere Art erobern als durch ministerielle Arbeitsgruppen. Standort-Findung kann für Lilienthal deshalb auch anders gedacht werden: Warum muss der mögliche neue Saal unbedingt an einem prestigeträchtigen Ort wie dem Finanzgarten oder der Museumsinsel entstehen? Wäre es nicht auch möglich, über ein wenig unkonventionellere Lösungen nachzudenken? So schlägt er beim SZ-Forum Viertel wie Obergiesing oder Nordschwabing als mögliche Standorte vor.

Konzertsaal an der Dachauer Straße

Auch Till Hofmann, Betreiber des Lustspielhauses, regt neues Denken an. Mit Guerilla-Aktionen von "Goldgrund" weist er seit Jahren auf Gentrifizierung in München hin. "Man sollte das Kreativ-Quartier an der Dachauer Straße in die Innenstadt holen und den Konzertsaal an die Dachauer Straße bauen", sagt er beim Umtrunk nach der SZ-Diskussion. Auch wenn das nicht ganz ernst gemeint sein mag: Es gehe ihm schon darum, die "Independent-Kultur" ein wenig ins Zentrum der Stadt zu holen. Und warum lassen sich Kreativ-Quartier und Konzertsaal eigentlich nicht am gleichen Ort verwirklichen? Ein Teil der Fläche des ehemaligen Kasernengeländes an der Dachauer Straße liege ja immer noch brach. "Wie schön wäre es, wenn die Leute nach dem Konzertbesuch im Kreativ-Quartier in die Kneipe gehen könnten", sagt Hofmann. Den Konzertsaal außerhalb der direkten Innenstadt zu denken, findet er absolut richtig - mit Blick auf Paris, wo die Louis-Vuitton-Foundation und auch die neue Philharmonie in Randbezirken eröffnet haben: "Das funktioniert prächtig."

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Mit Matthias Lilienthal weiß er sich da einig: Der Berliner vermisst die "kleinen dreckigen Ecken" in München, an denen Kunst entsteht. Deshalb wünscht er sich einen Saal mit "Aufbruch in andere Kunstsparten". Das erinnert an das Bochumer Modell, von dem Generalmusikdirektor Steven Sloane auf dem Podium schwärmt. Sein Konzerthaus solle eines werden, in dem den ganzen Tag über Leben und Kunst stattfindet. Und es liegt in einer dieser "kleinen dreckigen Ecken": im sogenannten Bochumer Bermuda-Dreieck, eher bekannt als Kneipen- und Drogen- statt als Hochkulturszene. Das macht für Sloane einen besonderen Reiz aus: Da es im Konzerthaus keine Parkgarage geben werde, müssten die Besucher zu Fuß durch dieses Viertel und sich somit bewusst damit auseinandersetzen.

Ein Neubau in der Messestadt oder in Freiham wäre denkbar

Nun ist die Idee auch in München nicht ganz neu, mit einem Konzertsaal aus der Innenstadt hinaus in Peripherie und in Problemviertel zu ziehen. Stadtbaurätin Elisabeth Merk hatte schon vor Jahren angeregt, das Konzerthaus in der Riemer Messestadt, im Bahnhofsviertel oder sogar im Neubauquartier Freiham zu bauen. Und bei den 38 Standorten, die Spaenles Findungskommission aufsuchte, waren auch Flächen in ehemaligen Arbeitervierteln wie Milbertshofen dabei.

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Nie näher in Betracht gezogen wurden diese Standorte auch aus Angst: Mögliche Mäzene könnten vielleicht nur für "ihre" Philharmonie spenden, wenn die in repräsentativer Innenstadtlage statt im Neubauviertel entsteht. Für ein spektakuläres Konzerthaus in der Isar, wie es sich Waltraud Meier vorstellen kann, würde es vermutlich mehr Spendengelder geben als für ein Freihamer Odeon.

Doch diese Haltung könnte sich ändern. Was, wenn ein Privater ein Grundstück zur Verfügung stellt, das in einem neu entstehenden Viertel liegt? Das könnte auf dem Gelände der Kultfabrik denkbar sein. Was, wenn die Stadt ein Areal hergibt, um Probleme mit Baulücken und Brachen kreativ zu lösen? Das könnte an der Großmarkthalle interessant werden oder gegenüber der BMW-Welt, wo die Olympiapark GmbH schon heute Ideen für das Gelände des Eisstadions einfordert. Der Blick könnte sich also tatsächlich weiten, das ist eine Erkenntnis des Abends im Künstlerhaus. Die andere: Es gibt noch viele Standorte zu prüfen.

© SZ vom 19.03.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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