Debatte in der Uni:Unter Druck

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Journalisten müssen ihre Arbeitsweise erklären und Auswahlkriterien begründen, sagt Armin Wolf. (Foto: Robert Haas)

Journalist Armin Wolf und Forscher Carsten Reinemann diskutieren über Pressefreiheit

Von Birte Mensing

Die Pressefreiheit ist, zumindest akut, nicht in Gefahr. Da sind sich der österreichische Fernsehmoderator Armin Wolf und der Münchner Kommunikationsforscher Carsten Reinemann einig. Und das, obwohl Armin Wolf vergangene Woche ein Video postete, in dem ein Vertreter der rechtspopulistischen FPÖ forderte, Wolfs Arbeitgeber, den österreichischen Rundfunk (ORF), zu neutralisieren.

Das Institut für Kommunikationswissenschaft der Ludwig-Maximilians-Universität (LMU), die Süddeutsche Zeitung und jetzt.de hatten am Freitag zum zweiten Mal zum Gespräch in die Universität eingeladen. Moderiert von SZ-Redakteurin Karoline Meta Beisel diskutierten Wolf und Reinemann in einem Hörsaal mit etwa 120 Zuhörern die Frage: Ist die Pressefreiheit in Gefahr?

Ein wenig unbehaglich wird es dem österreichischen Journalisten, wenn er an sein Heimatland denkt. Momentan zieht die österreichische Regierungskoalition aus ÖVP und FPÖ eine Änderung des Rundfunkbeitrags in Betracht. Bisher müssen die Bürger pro Fernsehgerät jeden Monat eine Gebühr zahlen. Die FPÖ fordert, die Gebühr abzuschaffen und den ORF aus dem Staatshaushalt zu finanzieren. Wolf fürchtet: "Das würde uns erpressbar machen." Wenn der ORF jährlich um sein Budget verhandeln müsse, könne in die journalistische Arbeit eingegriffen werden. Medienvertreter könnten dann unter Druck gesetzt werden mit Drohungen wie: "Wenn ihr weniger blöd fragt, könnte man drüber nachdenken."

Ein Hauptproblem in der aktuellen Debatte sei, dass seriöser Journalismus versuche, Fakten zu differenzieren, während populistische Politik vor allem an Emotionen appelliere. "Ein Interview mit einem Politiker, der auf Tabubrüche setzt, verläuft natürlich anders als mit einem sehr bedachten Politiker", sagt Wolf. "Mein Job ist nicht, die FPÖ zu bekämpfen, sondern sie so darzustellen, wie sie ist." Trotzdem werfen ihm Rechtspopulisten dann vor, er stelle sie absichtlich schlecht dar.

Carsten Reinemann forscht zu genau diesen Fragen. "Medienkritik ist normal und gewollt, solange es um Inhalte und nicht um die Institution Presse geht", sagt der Kommunikationswissenschaftler. Auch wenn viel von "Lügenpresse" gesprochen wird, ist er sich sicher: "Das Vertrauen in die Medien ist nicht gesunken." Es gebe schon immer einen bestimmten Anteil der Gesellschaft, der den Medien nicht vertraue. Auch Wolf merkt das: "Da spielen Fakten keine Rolle mehr, die sind echt verloren." Er denke an jene, die ihn nach seinem Interview mit dem russischen Präsidenten Anfang Juni als "Nato-Speichellecker" bezeichneten. Eine Gefahr anderer Art, die eben jenen in die Hände spiele, sind für Wolf bestimmte technische Entwicklungen. Schon jetzt können Computer aus einem Video- oder Radiointerview eine neue Datei erstellen, in der der Protagonist ganz andere Dinge sagt. "In fünf Jahren kann ich mir nicht mehr sicher sein, was echt ist", so Wolf. "Ich weiß wirklich nicht, wie wir damit umgehen werden." Denn: "Wir können nur wählen, wenn wir wissen wen und warum."

Und jetzt? Was muss passieren, damit diese Infrastruktur erhalten bleibt? "Wir sollten dringend mehr Menschen mit anderen Hintergründen rekrutieren", sagt Wolf zu einem Publikum, das genauso wenig divers ist wie die meisten Redaktionen es sind. Außerdem sind sich Wolf und Reinemann einig: Journalisten müssen ihre Arbeitsweise erklären und bestimmte Auswahlkriterien begründen. Verantwortliche Redakteure sollten sich der Diskussion mit dem Publikum stellen, sagt Wolf. Er sei dazu bereit.

© SZ vom 16.06.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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