Vor dem Bundesgerichtshof:Dachauer Rentnerin wehrt sich gegen angeordnete Betreuung

Bei der Einrichtung einer Betreuung darf sich ein Gericht nicht pauschal auf ein gerichtlich angeordnetes Sachverständigengutachten verlassen. Legt die betroffene Person im Streit um die Betreuung eine nicht beachtete Stellungnahme einer behandelnden Psychiaterin vor, die im offenen Widerspruch zu dem eingeholten Sachverständigengutachten steht, ist die gerichtlich angeordnete Betreuung fehlerhaft. Das hat der Bundesgerichtshof in Karlsruhe in einem am Mittwoch veröffentlichten Beschluss entschieden (AZ: XII ZB 443/19). In dem Rechtsstreit war eine heute 84-jährige Frau zu Hause gestürzt. Die behandelnde unfallchirurgische Klinik regte eine Betreuung an. Das Amtsgericht Dachau holte hierfür ein Sachverständigengutachten ein und bestellte einen Berufsbetreuer, der die Angelegenheiten der Frau regeln sollte. Der Gutachter hatte bei der alten Frau eine organische Persönlichkeits- und Wesensveränderung festgestellt und eine Betreuung empfohlen. Die Frau hielt dies für unnötig. Da sie auch in einer geriatrischen Klinik behandelt wurde, verwies sie auf die Stellungnahme einer Psychiaterin im Entlassungsbericht. Diese hatte der Frau bescheinigt, dass sie in ihre häuslichen Umgebung zurückkehren könne. Das Amtsgericht verließ sich jedoch allein auf die gutachterliche Stellungnahme. Dies sei rechtsfehlerhaft, befand der BGH. Das Gutachten stehe in offenem Widerspruch zu der psychiatrischen Stellungnahme. Die Klinik habe zudem die Frau umfassender untersucht als der Sachverständige. Über eine Betreuung muss nun mithilfe eines weiteren Gutachtens entschieden werden.

© SZ vom 28.04.2020 / epd - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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