TSV-Aussiedlung:Leserbrief

Lesezeit: 2 min

Einseitige Vereinbarung

Zum Artikel "Rückschlag für TSV-Aussiedlung" vom 23. Oktober:

In dem Artikel ist ausführlich dargelegt, warum der Appell der TSV-Mitgliederversammlung zu einer Nachverhandlung der städtebaulichen Grundsatzvereinbarung im Sinn eines fairen Interessenausgleichs einen "Rückschlag" für die TSV-Aussiedlung darstelle und dass "die TSV-Mitglieder erneut auf die Bremse treten" würden.

Worum geht es aber im Kern bei dieser städtebaulichen Grundsatzvereinbarung?

Stellen Sie sich als Leser bitte einmal vor, Sie selbst hätten ein größeres städtisches Grundstück, das Sie bebauen wollen, zum Beispiel um Ihrer Familie oder anderen Dachauer Familien erschwinglichen Wohnraum zu ermöglichen. Sie treten also an die Stadt heran mit dem Antrag, dieses Grundstück mittels Bebauungsplan entsprechend baureif zu machen. Sicherlich haben Sie dann Verständnis, wenn die Stadt dies grundsätzlich davon abhängig macht, dass Sie die entsprechenden Planungskosten übernehmen - Sie hätten dann ja auch eine ganz erhebliche Bodenwertsteigerung. Etwas überraschter werden Sie wahrscheinlich sein, wie viele Kosten in der Grundlagenvereinbarung auf Sie abgewälzt werden sollen: Neben Planungskosten auch die anteiligen Kosten für die Grundstücksbewertung, etwaige Fachgutachten, Rechtsberatung, eventuelle Ausschreibungsverfahren und die (übertragbaren) Verwaltungskosten der Stadt. Hinzu kommen 20 Prozent für die soziale Wohnraumförderung, 10 Prozent für das Dachauer Modell, Anteile für soziale Infrastruktur wie Kindergärten und Schulen etc.

Wahrscheinlich würden Sie wenig Verständnis für eine Regelung in dieser Grundsatzvereinbarung haben, wonach Sie auf diesen Kosten "sitzen bleiben", wenn Ihnen die Stadt nach längerer Verfahrensdauer mitteilt, dass Sie Ihnen leider kein Baurecht gewähren und das Bebauungsplanverfahren einstellen oder ändern muss, obwohl Sie Ihrerseits Ihren Mitwirkungspflichten aufs Sorgfältigste nachgekommen sind! Hinzu kommt im Fall des TSV Dachau 1865, dass eine solche Klausel in der Grundsatzvereinbarung meines Erachtens - mehr als bei einem privaten Bauwerber - bei einem gemeinnützigen Verein zu hinterfragen ist. Denn dieser nimmt ja so wichtige Aufgaben der Stadtgesellschaft wahr wie Breitensport, Kinder- und Jugendförderung. Dass eine solche Einstellung oder Abänderung eines Bebauungsplanverfahrens nicht nur eine hypothetische Variante ist, zeigt ein Blick ins Baugesetzbuch: Hier wird klar gefordert, dass die Stadt ergebnisoffen in dieses Bebauungsplanverfahren gehen muss und die sich im Rahmen der Bürger- und Öffentlichkeitsbeteiligung ergebenden Bedenken - etwa zur verkehrlichen Erschließung - gebührend berücksichtigen muss. Damit muss sie natürlich auch das Recht haben, den Bebauungsplanentwurf entsprechend zu ändern oder das Verfahren ganz einzustellen.

In der Mitgliederversammlung wurde deutlich zum Ausdruck gebracht, dass wir Verständnis dafür haben, dass der Oberbürgermeister zunächst einseitig die Interessen der Stadt vorträgt und dem Verein einen Vertrag mit solch einseitiger Klausel vorlegt. Umgekehrt hätte ich aber auch mit seinem Verständnis dafür gerechnet, dass sich der Verein dies genauer anschaut und solche einseitigen Risikozuweisungen für vergebliche Aufwendungen nach dem Motto "außer Spesen nichts gewesen" hinterfragt. Auch sollte er nicht in ein Schwarz-Weiß-Denken verfallen und auf einseitigen und unfairen "Radikallösungen" beharren, sondern interessensgerechtere Kompromisslösungen zumindest prüfen! Diese liegen auf der Hand: beispielsweise eine "Deckelung" der auf den Verein entfallenden Kosten für vergebliche Aufwendungen auf einen Höchstbetrag oder die anteilige Verteilung dieser Kosten unter Berücksichtigung der jeweiligen Einflussmöglichkeiten der beiden Vertragsparteien.

Noch ein Letztes: Der Verein hat wiederholt bewiesen, dass er zum Beispiel durch Einberufung einer außerordentlichen Mitgliederversammlung sehr schnell reagieren kann. Den Mitgliedern würde dort dann die Zustimmung umso leichter fallen, als sie den Eindruck haben, dass Ihnen nicht "per ordre" ein einseitiger Vertrag vorgesetzt wird, sondern eine Vereinbarung, die in einem fairen Ausgleich den Interessen von Stadt und Verein Rechnung trägt.

Helmut Parzefall, Dachau

© SZ vom 27.10.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: