Tag der Kriminalitätsopfer:Unabhängige Unterstützung

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Wolfgang Bössenroth ist Leiter der Aussentelle des Weißen Rings Dachau. (Foto: Niels P. Jørgensen)

Wolfgang Bössenroth über die Arbeit im Weißen Ring

Interview Von Maximilian Kießl

"Ohne Furcht im Alter" - unter diesem Motto begeht der Weiße Ring am Freitag, 22. März, seinen diesjährigen Tag der Kriminalitätsopfer. Der Verein ist Deutschlands größte Hilfsorganisation für Opfer von Kriminalität. Wie er Betroffene in finanzieller, rechtlicher und psychologischer Hinsicht unterstützt, erläutert Wolfgang Bössenroth , Leiter der Außenstelle Dachau.

Herr Bössenroth, wie präsentiert sich der Weiße Ring zum Tag der Kriminalitätsopfer?

Wir werden einen Tag danach, also am Samstag, vor dem Kaufland Dachau einen Stand aufbauen. Dort wollen wir über unsere Arbeit informieren und auf uns aufmerksam machen. Außerdem möchten wir mit Leuten ins Gespräch kommen und etwas Werbung für den Weißen Ring machen, da wir immer auf der Suche nach neuen Mitarbeitern und Mitgliedern sind. Die Werbung ist nicht zuletzt aus finanziellen Gründen wichtig für uns. Wir bekommen keine staatliche Unterstützung und wollen diese auch nicht, weil wir so unabhängiger sind. Stattdessen finanzieren wir uns durch von Gerichten verhängte Geldbußen, Mitgliedsbeiträge und vor allem Spenden.

"Ohne Furcht im Alter" ist das Motto des Aktionstages. Werden Senioren besonders oft Opfer von Verbrechen?

Tatsächlich sind ältere Personen gar nicht so häufig betroffen. Am häufigsten werden Menschen mittleren Alters Opfer von Verbrechen. Ältere Menschen machen sich allerdings oft mehr Gedanken und bei ihnen ist die Sorge, Kriminalität ausgesetzt zu werden, besonders groß. Mit unserem Motto wollen wir diesen Befürchtungen entgegenwirken und Senioren ein wenig die Angst nehmen.

Wie läuft es konkret ab, wenn jemand bei Ihnen anruft und um Hilfe bittet?

Zunächst ist es wichtig einfach zuzuhören, um herauszufinden um welche Art von Fall es sich handelt. Anschließend befasst sich derjenige unserer zwölf Mitarbeiter, der sich am besten in diesem Bereich auskennt, mit dem Opfer. Dazu wird erst einmal ein Gespräch zur Situation des Betroffenen geführt, oft brauchen die Menschen auch jemanden, der ihnen zuhört und dem sie sich anvertrauen können. Dann ist es wichtig, dem Opfer beim Erstatten einer Anzeige zu helfen. Die richtige Formulierung ist dabei ganz entscheidend. Ist die Anzeige juristisch gesehen nicht astrein, kann es passieren, dass sie nicht zur Anklage führt. Das liegt daran, dass der zuständige Staatsanwalt die Anzeige nur bei guter Aussicht auf ein Verfahren an den jeweiligen Richter weiterleitet. Daher begleiten wir die Opfer zur Polizei, um solche Fehler zu vermeiden.

Welche Hilfe bieten Sie zusätzlich an?

Darüber hinaus haben wir Beratungsschecks, um die Erstberatung durch einen Anwalt zu ermöglichen. Daneben gibt es auch Beratungsschecks für Psychologen, damit eine gute Versorgung gewährleistet ist. Finanzielle Soforthilfe können wir ebenfalls leisten. Letztens hatten wir beispielsweise den Fall einer Frau, die aufgrund von häuslicher Gewalt erst in einem Frauenhaus gewesen ist und anschließend in eine Sozialwohnung zog. Die Grundausstattung dort reichte nicht zum Leben, weshalb wir ihr Geld zur Verfügung gestellt haben, damit sie sich die Wohnung einrichten kann. Gerade bei häuslicher Gewalt flüchten die Betroffenen oft ohne irgendetwas mitzunehmen von zu Hause und sind deshalb in einer sehr schwierigen finanziellen Situation. Zusätzlich leisten wir den Opfern vor Gericht Beistand. Wir beschaffen den Anwalt und begleiten sie auch zu Gericht. Viele sind von der Zeugenanhörung überfordert. Daher sorgen wir dafür, dass ein Anwalt die Opfer im Voraus zu ähnlichen Verhandlungen mitnimmt, um sie mental vorzubereiten.

Haben sie das Gefühl, dass die Kriminalität im Landkreis steigt?

Laut der Kriminalstatistik sinkt die Kriminalität sogar leicht. Das betrifft vor allem Verbrechen wie Wohnungseinbrüche oder Überfalle. Auf der anderen Seite nehmen häusliche Gewalt sowie sexuelle Gewalt gegen Frauen und Kinder im Landkreis merklich zu. Das vermehrte Auftauchen dieser Fälle hängt vermutlich damit zusammen, dass Frauen durch die "Metoo-Bewegung" stärker für dieses Thema sensibilisiert sind und mehr Mut aufbringen, sich zu melden und solche Verbrechen zur Anzeige zu bringen. Nichtsdestotrotz ist die Dunkelziffer wahrscheinlich weiterhin groß. Insgesamt bearbeiten wir 60 bis 90 Fälle jedes Jahr, das bleibt relativ konstant.

© SZ vom 22.03.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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