SZ-Benefizkonzert:Gespielte Demokratie

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Die Unterbiberger Hofmusik lebt mit ihrem neuen Programm "Dahoam und retour" lustvoll Toleranz und Respekt aus. Zu hören auf dem Benefizkonzert zugunsten des SZ-Adventskalenders am 20. Dezember im Ludwig-Thoma-Haus in Dachau

Von Dorothea Friedrich, Dachau

Fünfmal Himpsl, einmal Sepp, einmal Lackerschmid. Das sind die "Ingredienzien" der Unterbiberger Hofmusik für ihr Konzert zugunsten des SZ-Adventskalenders für gute Werke am Mittwoch, 20. Dezember, im Dachauer Ludwig-Thoma-Haus. Fünfmal Himpsl heißt konkret: Franz Josef (Trompete, Flügelhorn, Piccolotrompete, Gesang), Irene (Akkordeon), Xaver Maria (Trompete, Flügelhorn, Piccolotrompete, Gesang), Ludwig Maximilian, genannt Wiggerl, (Waldhorn, Percussion, Schlagzeug), Franz junior (Waldhorn). Konrad Sepp spielt die Tuba, Wolfgang Lackerschmid ist am Vibrafon zu erleben.

"Dahoam und retour" heißt das aktuelle, hochgelobte Programm der Unterbiberger Hofmusik. Wobei man sich von der Bezeichnung Hofmusik nicht in die Irre führen lassen darf. Denn diese Töne haben wenig bis gar nichts mit der gerade zur Weihnachtszeit so beliebten Stubnmusi noch mit den einst für die höfische Gesellschaft geschaffenen Kompositionen zu tun. Franz Josef Himpsl, Gründer und Chef des Ensembles, erklärt das der SZ Dachau so: "Was wir heute machen, ist nicht mehr richtig bayerisch. Es ist Volksmusik, aber kein Mainstream." Letzteres wundert nicht wirklich, war die Unterbiberger Hofmusik doch nie Mainstream. Sie zählt zu den Erneuerern bayerischen Liedguts - und hat viel dazu beigetragen, dass die sogenannte neue bayerische Volksmusik schließlich doch Mainstream in der Szene geworden ist. Aus diesen Wurzeln wuchs etwas Unverwechselbares, eine Musik, die Kritiker gerne mit "anarchisch" apostrophieren. Heimische Blasmusik, Jazz und die Erfahrungen vieler Reisen in die Türkei, den Nahen und Fernen Osten oder nach Indien prägen die Gruppe. Und das nicht, weil die Musiker das gerade angesagt finden, sondern aus innerer Überzeugung. Nicht umsonst gibt es zwei CDs mit dem aussagekräftigen Titel "Bavaturka".

Himpsl, studierter Trompeter und ehemaliger Lehrer in Personalunion, hat sich schon immer mit "Musik aller Couleur" beschäftigt. Als Lehrer hat er viele türkische Kinder unterrichtet und sich so seine Gedanken gemacht, wie das ist, wenn man nicht einmal die Namen seiner Schüler richtig aussprechen kann. "Wenn ich mir vorstelle, meine Lehrer hätten mich ständig statt Franz Fraz, Frunz oder gar Brunz genannt - meiner jugendlichen Psyche wäre es bestimmt nicht gut bekommen", hat er einmal in einem Leserbrief geschrieben, in dem es um die korrekte Schreib- und Sprechweise des Türkischen ging. Und er hat die heute mehr denn je gültige Frage gestellt: "Bedeutet Integration automatisch, dass ich mit einem verstümmelten Namen leben muss?"

(Foto: N/A)

Dass die Türkei gewissermaßen zum Land non grata, zum unerwünschten, ungeliebten Land geworden ist, will Himpsl ebenso wenig hinnehmen, wie Schmähungen seines Programms "Bavaturka" aus fremdenfeindlichen Gründen. Klar, dass Himpsl längst Türkisch spricht, ebenso Arabisch, um sich mit seinem Publikum verständigen zu können. Schließlich hat die jüngste Tour der Unterbiberger Hofmusik nach Tunis, Ägypten und Teheran geführt, keine Destinationen, die auf der Otto-Normalbürger-Urlaubsliste gerade ganz oben stehen. Warum ausgerechnet in diese Länder? Aus denen hört man nun wahrhaftig nichts Gutes. "Des is a Schmarrn", empört sich Himpsl im Gespräch mit der SZ Dachau. "Ich kann daheim wesentlich schneller umkommen, wenn ich über die Straße gehe." Und dann erzählt er: von den offiziellen Auftritten in den jeweiligen Botschaften zum Tag der deutschen Einheit rund um den 3. Oktober, von einem unvergesslichen Konzert in der neuen Bibliothek von Alexandria, die die Geschichte des zerstörten Weltwunders der Antike weiterschreibt, von Spontanauftritten im Flieger nach Teheran, von jungen Menschen, die kein Wort vom urbayerischen Lied vom Rehragout verstehen, aber begeistert mitsingen und mitklatschen. Er erzählt von Freundschaften, die sich weltweit mit Musikerkollegen entwickelt haben, davon, wie deren Musik die der Unterbiberger beeinflusst und prägt.

Es sind Geschichten von Respekt und Toleranz, von Weltoffenheit und von der Wirkmächtigkeit der Musik über alle kulturellen Grenzen hinweg. "Wenn du mit einem Trommler aus Kairo zusammenspielst, dann versuchst du, eine Brücke zu schaffen, das geht nur auf der emotionalen Ebene", sagt Himpsl. Beides ist für ihn eminent wichtig: Brücken bauen und positive Emotionen auslösen. Ein Grund, warum ihm Konzerte in sozialen Einrichtungen oder für den sogenannten guten Zweck so wichtig sind: "Da, wo man kein Geld bekommt, ist es meistens am schönsten für uns", sagt Himpsl und bittet im gleichen Atemzug auf das Welcome Café in den Münchner Kammerspielen hinzuweisen. Was hiermit geschieht: Die Unterbiberger Hofmusik spielt am Montag, 18. Dezember, um 20 Uhr im Welcome Café. "Kommt's und bringt eure Flüchtlinge mit", sagt Himpsl.

Das klingt alles zu schön, um wahr zu sein? Ist es aber. Das dokumentieren die Unterbiberger in einem neuen Film. Der ist auf typische Hofmusiker-Art entstanden. Bei ihren jüngsten drei Reisen hat die Musiker ein Kameramann begleitet. Eigentlich sollte eine Fernseh-Doku entstehen. Hat aber nicht geklappt. Doch das spornt die engagierte Truppe eher an. Der Film ist fertig. Premiere und Live-Konzert sind am 15. Februar 2018 in der Elbphilharmonie Hamburg, der aktuell hippsten Kulturlocation Deutschlands. Bayerische Weltmusik in der Hansestadt ist für Himpsl gewissermaßen ein Heimspiel. "Je weiter wir weg sind, desto einfacher wird es für uns", sagt er. Warum? Vielleicht weil die Gralshüter der Traditionsmusik nicht jeden Gig akribisch überprüfen, eher aber, weil es der Formation im Blut liegt, ihre ernsten Anliegen mit Spaß an die Frau und den Mann zu bringen. Ein Mann ist jedenfalls bekennender Unterbiberger-Hofmusik-Fan: Bundespräsident Frank Walter Steinmeier hatte sich seinerzeit für seinen Antrittsbesuch in der bayerischen Landeshauptstadt ausdrücklich die Unterbiberger Hofmusik gewünscht. Warum wohl? Die Antwort war kürzlich in dieser Zeitung zu lesen: "Die Musik der Unterbiberger "ist gelebte, oder sagen wir besser: Gespielte Demokratie".

Beginn des Konzerts ist am Mittwoch, 20. Dezember, um 19.30 Uhr im Ludwig-Thoma-Haus in Dachau; Einlass und Sektempfang von 18.30 Uhr an. Karten zu 20 Euro gibt es in Dachau bei Lotto Zeitschriften Siems GmbH in der Bahnhofstraße 9 sowie in der Mittermayerstraße 14 (Telefon 08131 / 80746), außerdem in der Volksbank-Raiffeisenbank Dachau, Augsburgerstraße 33-35 und an der Abendkasse. Das gesamte Eintrittsgeld geht als Spende an den SZ-Adventskalender für gute Werke.

© SZ vom 02.12.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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