Sulzemoos:Wo Räuber Kneissl auf der Schulbank saß

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Das alte Schulhaus in Sulzemoos ist fester Bestandteil des innerörtlichen Ensembles mit Kirche, Schloss und Pfarrhof. (Foto: Toni Heigl)

Das 180 Jahre alte Schulhaus in Sulzemoos ist fertig renoviert. Bauherr Johannes Kneidl fand in dem Gebäude nicht nur alte Schulhefte, sondern auch Feldpostbriefe und ein Andenken an den Lehrer des berühmten Diebes.

Von Renate Zauscher, Sulzemoos

Wäre es nach den ursprünglichen Plänen der Gemeinde gegangen, dann würde das ehemalige Sulzemooser Schulhaus heute nicht mehr stehen. "Abreißen" lautete das Urteil des Gemeinderats für das fast knapp 180 Jahre alte, ziemlich heruntergekommene Haus noch vor gar nicht so langer Zeit. Dann aber wurden in der Gemeinde Stimmen laut, die diese Pläne bedauerten, und auch im Gemeinderat setzte ein Umdenken ein. Heute dürfte die ehemalige Schule zu den schönsten, das Ortsbild in besonderer Weise prägenden Gebäuden im Ort zählen.

Zu verdanken ist das einem Sulzemooser, der hier zwar nicht mehr in die Schule gegangen ist, das Haus aber trotzdem seit seiner Kindheit gut kennt: Johannes Kneidl. Hier hat er mit dem von ihm geleiteten Chor geübt, hier nahm er als Mitglied des Gemeinderats bis zum Umzug ins neue Rathaus an den Sitzungen in einem der früheren Klassenzimmer teil. Nachdem entschieden worden war, dass die Gemeinde das Gebäude unter bestimmten Auflagen verkaufen würde, nahm Kneidl an einem anonymisierten Bieterverfahren teil - und bekam den Zuschlag.

Bis in Details hinein und mit authentischem Baumaterial haben örtliche Handwerker originalgetreu restauriert (Foto: Toni Heigl)

Die Entscheidung des Rats für Johannes Kneidl als Käufer des Hauses sollte sich als absoluter Glücksfall erweisen: als Glück für das Haus und auch für den Ort. Zunächst sei es ihm einfach nur um den Erhalt des Gebäudes gegangen, erzählt Kneidl. Dann aber habe sich schnell herausgestellt, dass es um mehr ging: "In der Sanierungsphase wurde mir erst so richtig bewusst, wie bedeutend das Haus ist", sagt Kneidl und verweist darauf, dass es Teil des innerörtlichen Ensembles mit Kirche, Schloss und Pfarrhof ist. Zwar stehe das Haus nicht unter Denkmalschutz, seine Pläne für das Haus seien aber von Anfang an von den Behörden des Denkmalschutzes im Landratsamt und in München unterstützt worden und er habe sich bei der Renovierung in vielen Details an Richtlinien des Denkmalschutzes orientiert. So hat sich Kneidl im Bayerischen Staatsarchiv die ursprünglichen Baupläne besorgt und er hat die alten Farbschichten im Inneren des Hauses sorgfältig untersuchen lassen und dabei eine frühe Schablonenmalerei entdeckt, die nach altem Muster im Treppenhaus wieder hergestellt wurde. Wichtige Hilfe bekam Kneidl von Theobald Brunetti, einem Odelzhausener Bauunternehmer, der schon als junger Mann bei Arbeiten an dem Haus mit dabei war, und von Alfons Wagner, einem erfahrenen Dekorationsmaler und Restaurator aus Prack bei Einsbach.

Das Haus an der Ecke von Schul- und Kirchstraße ist im Laufe seiner 180-jährigen Existenz mehrmals verändert worden. Der ältere, südliche Teil stammt aus dem Jahr 1835. 1908 wurde das Gebäude nach Norden zu erweitert und bekam einen schön geschwungen Jugendstil-Giebel. 1965 wurde im Osten des Hauses ein niedrigerer Anbau hinzugefügt. Abreißen oder Aufstocken hieß hier die Alternative: Kneidl entschied sich fürs Aufstocken und für die Einbeziehung des Anbaus in die Hausfront. Das Ergebnis wirkt ausgesprochen harmonisch und bietet darüber hinaus zusätzlichen Wohnraum. Im Parterre des ehemaligen Anbaus gibt es nach wie vor eine kleine Schusterwerkstatt.

Auch das übrige Erdgeschoss wird gewerblich genutzt: Das war eine Auflage der Gemeinde. Eines der beiden Büros, die dabei entstanden sind, ist bereits vermietet, ein zweites wäre noch zu haben. Höchst gefragt waren die drei Wohnungen im Haus, zwei im ersten Stock, eine weitere im Dachgeschoss. Da das Innere des Hauses bis auf die tragenden Wände entkernt worden war, hatte der Bauherr bei der Grundrissplanung der Wohnungen freie Hand.

Manche hätten das Haus lieber abgerissen, Johannes Kneidl wollte es retten. Um die Rendite geht es ihm weniger. (Foto: Toni Heigl)

Für Johannes Kneidl entwickelten sich Sanierung und Umbau des Hauses zum veritablen Abenteuer: Immer wieder entdeckte er Schätze aus vergangenen Tagen: ein altes Schulheft, auf dem noch der Name Kneidl steht, Teile einer Schiefertafel, Feldpostbriefe aus dem Ersten und Zweiten Weltkrieg oder den in einen Dachbalken geritzten Namen des Schulleiters Leonhard Wagner, der hier einstmals auch den legendären Räuber Kneissl unterrichtet hat. Kneidl fasziniert, "wie sehr das Haus lebt", wie viel Geschichte in ihm steckt. Seine Begeisterung für das Haus sei bei der Suche nach authentischem Baumaterial und möglichst ortsansässigen Handwerkern "noch um das X-fache gewachsen".

Gewachsen sind durch die Verwendung hochwertiger Materialien aber auch die Kosten für Sanierung und Umbau. Der Bauherr hat das in Kauf genommen: Nicht die Rendite, sagt er, sei für ihn in erster Linie wichtig, sondern die Freude darüber, die alte Bausubstanz gerettet und sie gleichzeitig für heutige Ansprüche an Wohnen und Arbeiten nutzbar gemacht zu haben.

© SZ vom 14.04.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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