Stadtbücherei:Verliebt in Dachau

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Etzenhausen ist als Dachauer Künstlerort etwas in Vergessenheit geraten. Hier eine Ansicht des Hotels Burgmeier in einem Gemälde von Otto Fuchs. Reproduktion: Toni Heigl (Foto: Toni Heigl)

Ein Sportwissenschaftler und eine Verwaltungsangestellte schreiben gemeinsam ein Buch über eine fast vergessene Künstlerin und kommen der Stadt und ihrer zwiespältigen Geschichte nahe

Von Andreas Förster, Dachau

Das Buch "Dachau, mon amour" entstand aus einem Briefwechsel zwischen der kunstinteressierten Verwaltungsangestellten Irmgard Angermann und einem 15 Jahre älteren renommierten Sportwissenschaftler Sven Güldenpfennig aus Berlin. Sie ist aus der Nähe von Petershausen, er stammt aus Berlin. Ein Kennenlernen unter normalen Umständen hätte es wohl nie gegeben. Zu unterschiedlich sind sowohl Herkunft als auch Lebensumstände der beiden. Doch wie es der Zufall oder die Vorsehung will, trafen sie sich doch. Vor sechs Jahren auf einer sporthistorischen Konferenz in der Schwabenakademie Kloster Irsee, die Irmhild Angermann mit ihrem Mann besuchte. Aus Neugier, denn eigentlich interessierte sie sich bis dahin wenig für Sport.

Insbesondere der Vortrag des Referenten Sven Güldenpfennig über die Verbindung von Kunst und Sport faszinierte sie ebenso wie er sie irritierte, wohl auch, weil sie von den wissenschaftlich hergeleiteten Thesen nicht alles verstand. Sie schrieb dem Professor, unter anderem von 1997 bis 2002 Wissenschaftlicher Leiter des Deutschen Olympischen Instituts in Berlin-Wannsee, einen langen Brief. Und wenn man so will: Von da an nahm das Schicksal seinen Lauf. Der Professor schrieb zurück und es entwickelte sich über gut drei Jahre andauernder angeregter Briefwechsel.

Dass daraus schließlich sogar eine persönliche Freundschaft entstand, ist, für sich betrachtet, zwar außergewöhnlich, aber noch keinen Zeitungsartikel wert. Da diese Freundschaft aber ein hoch interessantes Buch hervorbrachte, womit es die bis dato künstlerisch unbedarfte Irmhild Angermann mit ihrem Co-Autor bis in die Bibliothek des Instituts für Zeitgeschichte schaffte, ist hingegen eine bemerkenswerte Wendung. Für den emeritierten Professor mit seinen mehr als 40 wissenschaftlichen Buchveröffentlichungen ist der Ausflug in die mit historischen Bezügen über die Entwicklung der Stadt Dachau hin zu einer bedeutenden Künstlerkolonie aufgewerteten Belletristik ebenfalls ein Novum. Dessen spannendster Teil, die beinahe kriminalistische Suche nach der in Vergessenheit geratenen Malerin Marie Keller-Hermann (1868-1952), geht auf das Konto von Angermanns Tochter. Auch hier half der Zufall: Da die Tochter im Dachauer Bauamt arbeitet und sich für das Thema Denkmalschutz interessiert, erzählte sie ihrer Mutter von der ehemaligen Künstlervilla in Etzenhausen, in der die gebürtige Wienerin Keller-Hermann während ihrer Dachauer Jahre gewohnt hatte.

Ihr lag es sehr am Herzen, die Villa zu erhalten, doch letztlich hat es nichts genutzt. Das Haus gegenüber des als Künstlerherberge legendären Hotels Burgmeier in der Hermannstraße in Etzenhausen wurde vorletztes Jahr abgerissen, es war laut Denkmalschutz "nicht mehr erhaltenswert". Immerhin: Im Buch "Dachau, mon amour" befinden sich Bilder der Villa sowie zahlreiche weitere Fotos zur Geschichte Dachaus. Durch ihre Recherche, die Angermann unter anderem ins Stadtarchiv nach Dachau führte, hat die Hobby-Malerin eine Menge Wissenswertes über Marie Keller-Hermann herausgefunden. Zu deren Dachauer Zeit war sie eine sogar bei Hofe geschätzte Künstlerin, so erwarb Prinz Luitpold von Bayern zwei ihrer Bilder.

Vor allem für ihre farbenfrohen, verspielten und kontrastreichen Blumenstillleben ist sie bei Kennern bis heute berühmt: Keines ihrer Bilder ist aktuell auf dem Markt. "Wer ein Blumenbild von Marie Keller-Hermann hat, der gibt es nicht mehr her", ist sich Angermann sicher. "Sie war eine der ersten, die ihre Bilder auf Kunstpostkarten drucken ließ und diese erfolgreich vermarktete." Als Detail zur Entstehung des Buches sei noch verraten, dass die ganze Familie Angermann beteiligt war: Mutter Irmhild als Autorin, der Vater hilft bei der PR, die Tochter lieferte das Krimi-Thema und die zweite Tochter, eine Grafik-Designerin, lieferte die Illustration des Buchtitels: Dort ist das Bild der Dachauer Künstlerin abgebildet und eine Girlande aus Stacheldraht, die in Vergissmeinnicht übergeht. Als Sinnbild für die Verbindung von Politik und Kunst in Dachau.

Irmgard Angermann und Sven Güldenpfennig lesen aus "Dachau, mon amour" am Freitag, 1. März, in der Stadtbücherei am Mannheimer-Platz. Beginn um 20 Uhr

© SZ vom 28.02.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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