Serie: Reine Sache:Die Geschmacksfrage

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Der Zieglerbräu ist eine der historischen bedeutenden Wirtschaften in der Altstadt. Deren Geschichten erzählt das Bezirksmuseum (rosafarben). (Foto: Niels P. Jørgensen)

Bier oder Weißbier? Zwei Plädoyers über den Zwang zu neuen Trends und den Mut zur Tradition. Letztlich kommt es darauf an, dass die Temperatur des Getränks stimmt.

Weißbier trinken hat Stil. Allein schon deshalb, weil es nicht jeder einschenken kann. Viele wollen einfach nicht glauben, dass Weißbier stark schäumt und nicht einfach ins Glas gedonnert werden darf. Weißbier einschenken ist Gefühlssache, pure Emotion. Man halte das mit kaltem Wasser ausgespülte Weißbierglas schön schräg und massiere das Bier dann achtungsvoll ein. Aus dem Heferest, der sich am Flaschenboden absetzt, drapiert man dem Weißbier eine gebührende Schaumkrone auf das hohe, leicht geschwungene Glas, das im Volksmund als Stutzn bezeichnet wird. Wer diese Aufgabe besteht, hat sich des Bayers Respekt schon verdient.

Aber obacht! Wer die zum Bier gehörige Weißwurst mit Haut isst, der kann noch so gut einschenken. Auf einen ordnungsgemäßen Umgang mit seinen kulinarischen Spezialitäten legt der Bayer höchsten Wert. Genauso wie auf die Einhaltung des Bayerischen Reinheitsgebots, das auf das Jahr 1516 zurückgeht.

Demnach darf Bier nur aus den Bestandteilen Hopfen, Malz, Hefe und Wasser hergestellt werden. Das besondere am Weißbier ist, dass beim Brauen Weizen- und Gerstenmalz zu etwa gleichen Teilen verwendet wird. Im Unterschied zu anderen Biersorten wird für Weißbier deutlich weniger Hopfen verarbeitet. Es schmeckt dadurch weniger bitter und erhält bisweilen einen süßlichen und fruchtigen Geschmack.

Die obergärige Bierspezialität gewinnt als einzige Sorte seit Jahren Marktanteile hinzu auf dem insgesamt stagnierenden deutschen Biermarkt - und zwar nicht nur in Bayern. Weißbier ist Lifestyle. Für den Hippster im E-garten ist es so obligatorisch wie seine stylische Sonnenbrille. Weißbier ist erotisch, suggeriert sogar der Werbespot einer Brauerei aus Frankfurt am Main. "Eine Flasche von die Bier, die hat so schön geprickelt in meine Bauchnabel", fordert eine lieblich klingende Französin in einem Werbespot der Brauerei.

Unvergessen bleibt auch die Wutrede des ehemaligen Fußball-Nationaltrainers Rudi Völler. "Du sitzt hier, locker und bequem auf deinem Stuhl, hast drei Weizenbier getrunken - und bist schön locker", fiel er einst über Moderator Waldemar Hartmann her, der kritische Fragen zu einem peinlichen Auftritt der Mannschaft in Island gestellt hatte. Hartmann bekam einen hoch dotierten Werbevertrag von einem bayerischen Weißbierhersteller. "Ich bin Völler noch heute dankbar", predigte er immer wieder. Einer von Völlers Vorgängern, ein gewisser Franz Beckenbauer, schoss von einem vollen Glas Weißbier einst einen Fußball durch die Torwand des aktuellen Sportstudios. Ex-Bayerntrainer Pep Guardiola weiß seit seiner ersten Meisterschaft mit den Münchnern, dass sich Weißbier auch vorzüglich zum Duschen eignet. Die Bayern feiern ihre Titel bekanntlich, indem sie sich gegenseitig literweise Weißbier über den Kopf schütten. Für den wahren Genießer ist das ein grausamer Anblick. Denn Weißbier gehört in den Mund - und nicht auf den Kopf. Benjamin Emonts

Gilt in anderen Bundesländern das Bier als Genussmittel, so zählen es die Bayern schon eher zu den Grundnahrungsmitteln. Der durchschnittliche Pro-Kop-Bierkonsum beläuft sich in Bayern auf in etwa 150 Liter pro Jahr. Im Landkreis Dachau - und generell im Süden Bayerns - dominieren nach wie vor das Weißbier und das Helle die Sortenstatistik der verkauften Biere. War das Helle in der Vergangenheit das beliebteste Bier, so gab es seit den 1980er Jahren einen regelrechten Weißbier-Boom. Rund 36 Prozent des Bierausstoßes fallen dem Weißbier zu. Den zweiten Platz belegt das Helle mit 25 Prozent. Doch was macht ein Helles oder ein Weißbier aus? Worin unterscheiden sie sich? Und vor allem: Welches ist besser?

Ob zum Schweinebraten, beim Biergartenbesuch oder bei manch einem zum Frühstück. Das Helle gehört zu den beliebtesten Biersorten im Großraum München. Mit seiner goldgelben Farbe, seinem süßlich herben Geschmack und seinem vergleichsweise geringen Kaloriengehalt schmeckt es nahezu jedem - ganz egal ob jung oder alt, Mann oder Frau. Und wenn in den Bezirken Ober-, Mittel- und Unterfranken das Pils der beliebteste Gerstensaft ist, so kommt einem waschechten, heimatverbundenen Oberbayern ein solches "Gwasch" nicht in die Stube.

Das Helle ist bekömmlicher, weniger gehaltvoll, passt fast zu jedem Essen, ist durch seinen leicht herben Geschmack erfrischend und kann aus der Flasche getrunken werden. Für jeden angetrunkenen Partygänger, der auf dem Weg zur nächsten Club-Nacht noch ein "Wegbier" benötigt, kein zu vernachlässigender Vorteil. Ein Weißbierliebhaber müsste stets ein Weißbierglas parat haben. Denn Weißbier aus der Flasche gilt in Bayern als verpönt. Dann könne man ja gleich seine Weißwürste mit Ketchup essen. Jeder standfeste Bayer würde sofort aus seinen Haferlschuhen kippen.

Wie jedes Getränk, das sich Bier nennen darf, wird auch das Helle aus den vier Zutaten gebraut, die durch das Reinheitsgebot erlaubt sind: Aus Wasser, Malz, Hopfen und Hefe. Seine helle, goldene Farbe verdankt es der niedrigen Temperatur beim trocknen der Braumalze - der sogenannten Darrtemperatur. Es ist schwächer gehopft, das macht es im Vergleich zum Pils, weniger bitter. Auch der niedrigere Alkoholgehalt von 4,7 bis 5,4 Prozent macht es verträglicher. Vielleicht veranlasste das den ehemaligen Bayerischen Ministerpräsidenten Günther Beckstein zu der Aussage, man könne nach zwei Maß Bier noch Autofahren.

Nach einem langen, heißen Arbeitstag im Sommer kann es schon einmal vorkommen, dass man großen Durst auf ein kaltes Helles im Freien oder im Biergarten bekommt. Wo man es trinkt ist erst einmal egal. Auf die Temperatur kommt es an. Doch was ist überhaupt die optimale Trinktemperatur eines Hellen? Ist es zu warm, schmeckt es schnell "lack", da sich unangenehme Aromen entfalten. Trinkt man es zu kalt, verdirbt man sich möglicherweise den Magen und es entfalten sich nicht alle Geschmacksstoffe. Am besten schmeckt ein gekühltes Helles bei sieben bis neun Grad Celsius.

Das Helle sieht also nicht nur besser aus, schmeckt besser und ist verträglicher als ein Weißbier. Der Vorteil, dass man es aus der Flasche trinken kann, macht es zudem auch praktischer. Nicht umsonst bekommt man ein Helles hingestellt, wenn man im Großraum München ein "Bier" bestellt. Tobias Roeske

© SZ vom 23.07.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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