Serie "Dachauer Oasen", Teil 12:Der Garten der Malweiber

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Hinter einem Haus in der Burgfriedenstraße liegt ein Idyll mitten in der Stadt: die Grünfläche von Nina Schiffner. Die Dachauer Künstlerin lädt einmal im Jahr zu einem Frühstück ein, um über Impressionismus zu reden und folgt damit einer alten Tradition

Von Marie Groppenbächer

Frühstück im Grünen - zwei junge Männer in Anzügen sitzen picknickend auf einer Waldlichtung. Zu ihrer Linken hockt eine junge Frau. Sie ist nackt. Mit diesem Bild erregte 1863 der Maler Edouard Manet großes Aufsehen. Zu Gesicht bekam es die breite Öffentlichkeit nur, weil Kaiser Napoleon III scheinbar keine Angst vor einem Skandal hatte. Auf kaiserliche Anweisung musste das vorerst abgewiesene Bild doch ausgestellt werden.

Passend zum Titel Gemäldes lädt Nina Schiffner einmal im Jahr zu einem Frühstück im Grünen ein, um bei Croissant und Café au lait vom Impressionismus zu erzählen. Ort des Geschehens ist der Malweibergarten in der Burgfriedenstraße 10, mitten in Dachau. Hinter ihrem Haus schuf sich die studierte Betriebswirtin in den letzten 15 Jahren eine grüne Oase, abgeschirmt vom städtischen Lärm und neugierigen Blicken. Lediglich der Kirchturm des St. Peter, den Sie von ihrem Lieblingsplatz aus, einem großen blauen Gartensessel, erblicken kann, erinnert an die Stadt.

Eine große, geschwungene Holzterrasse - Kanten mag die Besitzerin nicht - bietet auch für große Gruppen ausreichen Platz. Kleinere und größere Sitzgruppen laden zum Lunch oder Kaffee im Schatten, mehrere Bänke zum Dösen in der Sonne ein. Rosentörchen zieren die Wege in den hinteren Teil des Gartens. Zwei große Apfelbäume verbergen beinahe den Blick auf ein altes Baumhaus, ein Relikt aus Kindertagen. Schaufensterpuppen in jeder Größe und Haltung, manche bemalt, stehen allein oder in Gruppen entlang der Zäune. Die ein oder andere machte sich die Natur mit rankendem Efeu bereits zu eigen. Sie alle sind Zeugen von Nina Schiffners künstlerischem Schaffen.

Nachdem Nina Schiffner lange Jahre als Controllerin in verschiedenen Unternehmen tätig war und eine Firma mitgründete, hing sie ihr "konventionelles Leben", wie sie sagt, vor mehr als einem Jahrzehnt an den Nagel. Seitdem arbeitete sie freiberuflich im künstlerischen Bereich und gründete 2005 die Dachauer Malweiber. Sie ist als Stadt- und Themenführerin tätig, macht Führungen durch die KZ-Gedenkstätte, hat einen Kostümverleih und kann als Stilberaterin und Maskenbildnerin gebucht werden. Jeden Freitag von 15 bis 19 Uhr öffnet sie ihre Ladentür in der Burgfriedenstraße 10. Dort findet man ausgefallenen Kleider und von der Künstlerin selbst umgestaltete, künstlerisch verzierte Hüte.

"Malweiber" wurden im 19. Jahrhundert Frauen genannt, die sich künstlerisch betätigten. Der Begriff war despektierlicher Natur und wurde zumeist von männlichen Gleichgesinnten verwendet. "Da Frauen zu dieser Zeit nicht an den Universitäten studieren durften, schlossen sie sich eigenständig zusammen und gründeten Künstlerschulen", erzählt Nina Schiffner. Das seien Frauen gewesen, die emanzipiert und selbständig auftraten.

Sie fielen auf im Dachauer Stadtbild, viele von ihnen trugen Hosen, undenkbar in dieser Zeit. Dachau wurde in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts zu einer Künstlerkolonie. Bedeutende deutsche Maler, wie Max Liebermann oder Wilhelm Leibl, drängten von der Stadt aufs Land, um sich im Dachauer Moos der Landschaftsmalerei hinzugeben. "Die Künstler wollten raus aus den engen Räumen und statt beengten Stillleben, größere Szenerien abbilden", erklärt die Künstlerin, "außerdem lag das Arbeiten au plein air - unter freiem Himmel - total im Trend".

Was die Maler lockte, lockte selbstverständlich auch die Malerinnen. "Charakteristisch für die Malweiber der Jahrhundertwende waren Attribute wie Selbständigkeit, Kreativität, Courage, Durchsetzungswille, Zähigkeit und Unabhängigkeit", sagt Schiffner. Eigenschaften, die ihr imponieren und unübersehbar selbst anhaften. Obwohl der Begriff Malweiber abschätzig verwendet wurde, wählte sie ihn ganz bewusst. "Gerade im Bayrischen wird das Weib mit handfest, wehrhaft, hemdsärmelig und zupackend assoziiert", erklärt sie die Wahl ihres Markennamens.

Nicht nur Nina Schiffner selbst, ihre Kostüme und Erzählungen versetzen Besucher ihres Geschäftes und Gartens schnell zurück in die Zeit des ausgehenden 19. Jahrhunderts. Das Haus, in dem sie seit 15 Jahren lebt, war schon damals Teil dieser Welt. Zumindest vermutet sie das. Denn es gehörte einmal einem Freiherr von Perfall, ein deutsches Adelsgeschlecht, der wohl enge Kontakte zu Wilhelm Leibl und damit vermutlich zur Dachauer Künstlerszene hegte. Für diese Vermutung hat Schiffner zwei Gründe. Zum einen malte Wilhelm Leibl einst ein Gemälde mit dem Titel Der Jäger von Perfall. Zum anderen zog der Künstler, kurz nachdem der Freiherr von Perfall sein Haus in der Burgfriedenstraße 10 verkauft hatte und an den Ammersee gezogen war, auch dorthin.

Die nächste Gelegenheit, Nina Schiffner kennenzulernen und Eintritt in den geschichtsträchtigen Garten zu bekommen, bietet sich am Freitag, 14. September. Bei der 12. Langen Nacht der offenen Türen in Dachau, lädt sie zur Herzmeditation bei Sonnenuntergang ein. "Sowohl beim Yoga als auch in der Kunst muss man sich auf sich selbst besinnen, sich konzentrieren, um dann die eigene Kreativität nach außen zu tragen", erklärt Nina Schiffner. Besondere Fähigkeiten oder Vorkenntnisse sind bei dieser Yogastunde nicht von Belang. Interessierte sollten sich bereits um 18.30 Uhr in der Burgfriedenstraße 10 einfinden. Pünktlich zum Sonnenuntergang werden die Matten ausgerollt und gemeinsam im Grünen meditiert.

© SZ vom 08.09.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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