Retrospektive in Fürstenfeldbruck:Erinnerungen an eine prägende Figur

Lesezeit: 3 min

Anfangs malte Alto Fertl vor allem klassische Landschaften. Doch schnell vollzog er einen radikalen Wandel und beeinflusste die Kulturlandschaft maßgeblich. Im Dezember wäre er 85 Jahre alt geworden. Eine Ausstellung würdigt nun sein Werk

Von Florian J. Haamann, Fürstenfeldbruck

Alto Fertl gehört zu den Künstlern, die gleich zwei Landkreise geprägt haben: Dachau und Fürstenfeldbruck. Dazu in einer Zeit, in der die Kulturlandschaften noch kaum vorhanden waren. Und wenn, dann geprägt von meist äußerst konservativen Ausdrucksformen. Zwar stand auch Fertl anfangs dem naturalistischen Stil nahe, malte er doch vor allem Landschaften. Doch in den Sechzigerjahren unterzog er seine Kunst einem radikalen Wandel: Kollagen, Materialarbeiten und Installationen aus Fundstücken drückten auch Kritik an der Gesellschaft aus. Am 2. Dezember wäre Fertl 85 Jahre alt geworden, wenn er nicht im Mai 2014 nach langer, schwerer Krankheit gestorben wäre. Alto Fertl lebte in Unterzeitlbach bei Altomünster im Landkreis Dachau. Die Sparkasse Fürstenfeldbruck widmet ihm eine Retrospektive, die auch für die Dachauer Kunstfreunde spannend ist.

Die gezeigten Bilder stammen aus einem Sammlung von 200 Bildern, die Fertl der Bank übereignet hatte. Insgesamt verschenkte der Künstler mehr als 600 Werke an ausgewählte Gemeinden und Organisationen. Die in der Sparkasse gezeigten Gemälde stammen hauptsächlich aus den Achtziger- und Neunzigerjahren, allerdings sind auch einige ältere und jüngere Werke zu sehen, das aktuellste stammt aus dem Jahr 2005. Genau so unterschiedlich wie die Entstehungszeiten sind auch die Motive und Techniken der präsentierten Bilder.

Stellvertretend für Fertls vielleicht prägendste Phase steht ein Landschaftsbild, das aus verschiedenen Materialien zusammen gesetzt ist. Es stammt aus der Zeit, in der Fertl sich von der klassischen Landschaftsmalerei befreite, wie sie gerade in Dachau mit der kunsthistorischen Tradition der Pleinairmalerei gängig und auch kulturpolitisch gewollt war. Vielmehr begann er damals, Fundstücke zu sammeln und daraus Kunstwerke zu schaffen. Dazu gehörten Müll genauso wie tote Tiere oder natürliche Materialien wie Steine und Erde. Mit diesem künstlerischen Wandel nahm Fertl Ideen der noch jungen Umweltbewegung auf, übte Kritik an einer immer stärker ausgeprägten Wegwerfgesellschaft. Das ausgestellte Landschaftsbild ist abstrakt gehalten, besteht je zur Hälfte aus Naturmaterial und aus Karton. Statt einer Landwand kommt ebenfalls ein Karton zum Einsatz.

1 / 6
(Foto: Carmen Voxbrunner)

Auf eine Kunstrichtung...

2 / 6
(Foto: Carmen Voxbrunner)

...hat sich Alto Fertl nie festlegen lassen: "Bewegung II".

3 / 6
(Foto: Carmen Voxbrunner)

"Sonnenstrahlen I": Auch wenn die Arbeit mit Fundstücken...

4 / 6
(Foto: Carmen Voxbrunner)

...und damit eine gewisse Kritik an der Wegwerfgesellschaft...

5 / 6
(Foto: Carmen Voxbrunner)

...im Zentrum seines Schaffens steht.

6 / 6
(Foto: Carmen Voxbrunner)

"Sonnenstrahlen II".

Allerdings musste Fertl für diesen radikalen Wandel einen hohen Preis zahlen: Während er seine traditionellen Landschaftsgemälde gut verkaufen konnte, war das Interesse an seinen modernen Arbeiten nur gering. "Von den Landschaftsbildern hätte ich leben können, aber das ist keine Kunst", hat Fertl dazu einmal gesagt. Um zu überleben, schlug er sich mit zahlreichen Jobs durch, bevor er von 1969 bis 1991 als Hausmeister der Olchinger Hauptschule arbeitete. Geboren wurde er 1931 in Sixtnitgern bei Odelzhausen im Landkreis Dachau. Sein Vater, den er als gefühlskalten Nazi beschrieb, starb während des Krieges. Bereits 1934 zog die Familie nach Gröbenzell, wo Fertl später eine Ausbildung zum Dekorationsmaler machte.

Auch wenn es seine wohl wichtigsten Arbeiten waren, hat Fertl nicht nur abstrakte Objekte aus Fundstücken geschaffen. Eine ganze Serie der in der Sparkasse ausgestellten Bilder zeigt, wie präzise er mit geometrischen Figuren arbeitete. Besonders interessant sind dabei die beiden Bilder "Sonnenstrahlen II" und "Sonnenstrahlen I". Beide zeigen exakt das gleiche Motiv, einen Kreis in der Mitte, der unten weiß und oben farbig ist, nach unten gehen schwarze und weiße Strahlen ab, die obere Bildhälfte ist eingefärbt. Allerdings unterscheiden sich die Bilder in ihren Farben. Bei "Sonnenstrahlen II" sind die Farbfläche und die Farbe der Kugel blau, im anderen Bild ist die halbe Kugel rot, die Farbfläche beige. Der Betrachter sieht so, welche Wirkung Farben auf die Atmosphäre eines Bildes haben. Denn einmal erkennt er hier einen Sonnenuntergang, einmal einen warmen Sonnenaufgang.

Alto Fertl war allerdings nicht nur als Künstler wichtig für die Landkreise Fürstenfeldbruck und Dachau. Auch als Kulturschaffender war er maßgeblich am Aufbau zahlreicher Einrichtungen beteiligt. Seit den Siebzigerjahren engagierte sich Alto Fertl als Kurator für Künstlerkollegen, setzte sich in Dachau und in verschiedenen Gemeinden für die öffentliche Wahrnehmung der Kunst in der Region ein. Er initiierte und belebte Künstlervereinigungen und organisierte Ausstellungen.

Alto Fertl. (Foto: Niels Jörgensen)

So war er einer der Mitbegründer von Haus 10 und der bis heute bestehenden IG Kultur in Fürstenfeld. Außerdem gründete er die Olchinger Künstlergruppe "form-licht-farbe". 1989 wurde er für seine Verdienst mit dem Kunstpreis des Landkreises Fürstenfeldbruck ausgezeichnet. Umso erfreulicher ist es, dass dieser herausragende Künstler nun noch einmal mit einer sehenswerten Ausstellung gewürdigt und der Öffentlichkeit in Erinnerung gebracht wird.

"Abstrakt - Konkret - Bewegt", Retrospektive der Werke von Alto Fertl bis zum 2. Dezember, in der Sparkasse Fürstenfeldbruck.

© SZ vom 11.11.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: