Reden wir über:Die Sucht nach Alkohol und Spiel

Lesezeit: 2 min

Bärbel Löhnert weiß, wie man Betroffenen helfen kann

Interview von Angelika Aichner

Es schadet nicht, hin und wieder an einem Gläschen Wein zu nippen, eine Beruhigungstablette zu schlucken oder eine Münze in einen Spielautomaten zu schieben: Das denken viele und haben damit wohl nicht unrecht. Es schadet jedoch dann, wenn es regelmäßig passiert und nicht, weil man es will, sondern weil man es muss. Über Abhängigkeiten sprach die SZ mit Bärbel Löhnert (), Fachambulanz für Suchterkrankungen.

Frau Löhnert, Sie betreuen alkoholkranke, medikamentenabhängige und spielsüchtige Menschen. Ist Alkoholismus nach wie vor die am weitesten verbreitete Suchterkrankung?

Tatsächlich sind immer noch sehr viel mehr Menschen von Alkohol und auch von Medikamenten abhängig als von Glücksspielen. Auf letzteres hat man sich allerdings stärker fokussiert. Und es ist in der Tat so, dass gerade in Ballungsräumen wie München sehr viele Menschen spielsüchtig sind. Das hängt auch damit zusammen, dass besonders dort Spielhallen wie Pilze aus dem Boden schießen. Es ist wahnsinnig, welche Summen in einer Spielstätte verzockt werden können. Ein durchschnittlicher Lohn ist schnell weg.

Lässt sich eine Tendenz erkennen, ob eher Frauen oder Männer trinken, medikamentenabhängig sind oder spielen?

Es sind vorwiegend Männer, die alkoholkrank sind und spielsüchtig. Dagegen sind es gerade Frauen, oft auch ältere, die medikamentenabhängig sind. Weil sie etwa über einen längeren Zeitraum Medikamente mit Suchtpotenzial einnehmen wie Schlafmittel oder Schmerzmittel.

Weshalb wenden sich Betroffene an Sie?

Oft aufgrund eines latenten Außendrucks durch das familiäre oder berufliche Umfeld oder durch ärztliche Vermittlung. Der Behandlungserfolg selbst hängt aber in erster Linie vom Patienten ab. Er muss einen Weg finden, um sein Leben zu gestalten - ohne Alkohol, Medikamente oder Glücksspiel. Etwa jeder vierte Patient wird während der Behandlung rückfällig. Das muss nicht zwangsläufig heißen, dass es die Person nicht schafft. Bei einem Rückfall gilt es zu analysieren, was passiert ist und weshalb. Schwierig wird es dann, wenn jemand versucht, heimlich weiterzutrinken.

Am Tag der offenen Tür gewähren Sie einen Einblick in die Fachambulanz . Wollen Sie auch kommunizieren, dass Suchterkrankungen Krankheiten sind?

Auf alle Fälle. Der Begriff ist auch deshalb so wichtig, weil er den Patienten entlastet, weil er damit ausdrücken kann, dass er etwa das Trinken nicht mehr im Griff hat. Es geht mir aber auch darum zu kommunizieren, wie fatal die weitläufigen Mythen sein können: Ein Bier nach einem stressigen Arbeitstag ist entspannend, mag mancher sagen. Das kann, wenn es sich summiert, aber gefährlich werden.

Einen Tag der offenen Tür veranstaltet die Fachambulanz für Sucherkrankungen am Donnerstag, 12. November, von 16 bis 20 Uhr in der Münchner Straße 33.

© SZ vom 07.11.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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