POLKA ALIENS:Schöpfer des Fremden

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(Foto: KVD)

Johannes Karl über den kreativen Schaffensprozess seiner Serie

Johannes Karl war vorher wohl selbst nicht ganz klar, auf was er sich da eingelassen hatte. Für die Schlossausstellung "Alien Polka" wollte er eine Serie mit Porträts aller ausstellender Künstler machen, eine bestechend einfache Idee. Aber wie man auch hier sehen wird, werden meist die Dinge, die ganz einfach anfangen, am Ende ganz besonders kompliziert. Aber der Reihe nach. Karl fertigte nach Fotomotiven Zeichnungen auf dem Tablet an, die wiederum als Vorlage für seine Linolschnitte dienten. Für jedes Portrait brauchte er zwei Platten: eine um Haare, Oberkörper und die Details des Gesichts in schwarzer Farbe zu drucken und eine für die orangefarben hinterlegte Gesichtsfläche. Das Problem dabei: Für 33 Künstler muss man erst mal 66 Linolschnitte herstellen, die dann auch noch im Druck zusammenpassen müssen.

Auf der Hälfte der Strecke ereilte den Künstler eine niederschmetternde Einsicht: Das ist nicht nur ein irrsinniger Haufen Arbeit, den er sich da aufgehalst hat, das Ergebnis entsprach auch ganz und gar nicht seinem eigenen künstlerischen Anspruch. "Mir war das auch alles viel zu brav", sagt Johannes Karl: zu sehr Illustration, zu wenig Wagnis - und das bei einer Ausstellung, die durch ihren frechen Titel "Alien Polka" ja den programmatischen Willen zum Abgespacten, kreativ Durchgeknallten explizit proklamiert. Doch wenn Sterne kollabieren und sie genug Masse haben, zünden sie manchmal eine neue Kernfusion und strahlen dann nur umso heller. Solche Phänomene gibt es nicht nur im Kosmos, es gibt sie auch in der Kunst. Dafür musste Johannes Karl im kreativen Prozess aber erst mal einen Schritt zurück machen: Seine digital erstellten Porträtskizzen legte er übereinander, verschmolz Männer und Frauen, Alte und Junge. Mit den Daten fütterte er einen Lasergravierer, der die komplexen Muster in eine Holzfaserplatte schnitt und so eine Hochdruckplatte erstellte. Das Resultat sind bärtige Frauen, janusgesichtige Künstlerkollektive, manchmal multiperspektivische Porträts, die an Picassos Werke erinnern. Oder einfach "Alien-Porträts", denn so ein Schädel mit mehreren Mündern und Augen hat auch etwas von einer verstörenden Faszination. En passant liefert Karls "Alien-Polka" auch noch einen künstlerischen Beitrag zur Identitätsdebatte, zu Individualität und kollektiver Rolle. Für seine eher konventionelle Künstlerporträtserie hat Johannes Karl dann auch noch eine gute Lösung gefunden: die stimmige Illustration dieser kleinen SZ-Reihe über die Ausstellung der KVD im Schloss.

In der Reihe "Polka Aliens" werden Künstler und ihre Werke aus der KVD-Sommerausstellung "Alien Polka" vorgestellt. Die Ausstellung im Dachauer Schloss ist bis 5. September zu sehen. Die Porträtvignetten basieren auf Druckgrafiken des Dachauer Künstlers und KVD-Vorsitzenden Johannes Karl.

© SZ vom 02.09.2021 / gsl - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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