Pflegenotstand im Krankenhaus:Geschlossen gegen den Helios-Betriebsrat

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Alle Fraktionssprecher des Kreistags werfen den Vertretern der Belegschaft vor, sie unzulässigerweise in tarifpolitische Debatten hineinziehen zu wollen. Sie fordern eine Rückkehr zu einer maßvollen Debatte

Von Wolfgang Eitler

In einem Offenen Brief verwahren sich sämtliche Sprecher der im Dachauer Kreistag vertretenen Fraktionen und Gruppierungen gegen die Kritik aus Reihen der Belegschaft des Helios-Klinikums in Dachau und attackieren den Betriebsratsvorsitzenden Claus-Dieter Möbs. Auf einer Podiumsdiskussion der Partei der Linken Mitte vergangener Woche und auf einer Protestaktion in Dachau für eine bessere Pflege wurde dem Kreistag vorgeworfen, das Klinikpersonal im Stich zu lassen. In dem gemeinsamen Schreiben der Kreistagssprecher heißt es dazu: "Wir werden uns nicht durch eine unsachliche Vermischung von lokalen Herausforderungen und gesundheitspolitischen Grundsatzthemen für die aktuellen oder zukünftigen Tarifauseinandersetzungen instrumentalisieren lassen."

Proteste verstärken sich nach der Übernahme durch Helios

Der Kreistag ist rechtlich gesehen zuständig für die medizinische Grundversorgung des Landkreises. Außerdem hält er 5,1 Prozent der Anteile an der Helios Amper-Klinikum-Dachau AG, zu der auch das Klinikum mit dem Schwerpunkt Geriatrie in Markt Indersdorf gehört. Die Aktiengesellschaft ist aus den ehemals kommunalen Häusern entstanden. Zunächst hatte die Rhönklinikum AG die Mehrheitsanteile erworben. Sie veräußerte sie 2013 an die Helios GmbH in Berlin. Die Privatisierung der Kliniken ging mit einer ständigen Kritik an der Lage des Pflegepersonals einher. Schon zu Rhönzeiten warnte der Betriebsrat vor einer kompletten Überlastung der Fachkräfte. Die Proteste verstärkten sich nach der Übernahme durch Helios und mündeten im Herbst vergangenen Jahres in eine massive öffentliche Debatte über die Qualität von Pflege und Hygiene. Die Beschwerden erreichten ein bis dahin nicht gekanntes Ausmaß. Die Konsequenz war ein Sieben-Punkte-Plan der Geschäftsführung zur Verbesserung der Pflege.

Sowohl auf der Podiumsdiskussion der Linken als auch auf der Protestaktion betonten Mitarbeiter des Klinikums in Dachau, dass die Maßnahmen der Geschäftsführung die Situation nur marginal verbessert hätten. Betriebsratsvorsitzender Claus-Dieter Möbs warf dem Kreistag Desinteresse vor, weil sich keines der Kreistagsmitglieder an dem Protest vor dem Dachauer Klinikum beteiligt habe.

"Uns Kreisräten ist die Klinik extrem wichtig"

Am vergangenen Freitag beschlossen die Sprecher des Kreistags, sich gegen diese Kritik zu verwahren. Auch wollten sie den Kommentar in der SZ vom Freitag, 12. Mai, zurückweisen, dass sie wegen ihrer abwartenden Haltung in Erklärungsnot gerieten. Die Unterzeichner sind: CSU-Fraktionsvorsitzender Wolfgang Offenbeck, SPD-Kollege Harald Dirlenbach, Michael Reindl für die Freien Wähler, Marese Hoffmann für die Grünen, Georg Weigl (ÖDP) Sebastian Leiß (Freie Wähler Dachau) und Jürgen Seidl (FDP). Der Offene Brief erreichte die SZ am Sonntag. Darin stellen die Unterzeichner zunächst klar, welche kommunalpolitischen Aufgaben aus dem rechtlichen Versorgungsauftrag folgen. Dazu zählen sie "die Verantwortung für die Beschäftigten" und "die Entwicklung der Unternehmensstruktur". Deshalb könne keine Rede davon sein, dass der Kreistag die Unternehmenspolitik von Helios schweigend hinnehme: "Diese Themen nehmen regelmäßig Raum in den Debatten des Kreistags ein; die Fraktionen stehen in mehr oder weniger regelmäßigem Kontakt mit dem Betriebsrat, der medizinischen Leitung, der Geschäftsführung und dem Personal und haben mehrfach bei der Geschäftsführung interveniert - kurz: uns Kreisräten ist die Klinik extrem wichtig."

Die Unterzeichner betonen auch die Grenzen ihre Einflussnahme auf Helios. Dazu zähle "die grundrechtlich geschützte Tarifautonomie". Also, "der Tarifvertrag, den die Gewerkschaft Verdi mit Helios abschließt oder auf die allgemeine Pflegesituation und den Pflege - beziehungsweise Personalschlüssel". Als "unverständlich" wird in dem Offenen Brief die Aussage beispielsweise des Sprechers der Unabhängigen Betriebsgruppe, Matthias Gramlich, bezeichnet, wonach der Sieben-Punkte-Plan der Helios-Geschäftsführung für eine bessere Pflege "ein Null-Punkte-Plan" sei.

Ausdrücklich werfen die Unterzeichner Claus-Dieter Möbs vor, die Öffentlichkeit über die Möglichkeiten des Kreistags unangemessen informiert zu haben. Er sitze zwar im Aufsichtsrat, heißt es, "gibt den Schwarzen Peter aber immer wieder gerne an die Kreispolitik weiter". Wenn dessen Information zutreffe, wonach der Stellenmarkt für Pflegekräfte leer gefegt sei, "dann hat das möglicherweise auch mit solchen Diskussionsbeiträgen zu tun". Der Brief mündet in den Appell: "Wir meinen, alle Beteiligten täten gut daran, bei der Diskussion der Probleme bei aller Leidenschaftlichkeit, für die wir Verständnis haben, deren Lösung im Auge zu behalten."

Verdi kämpft für mehr Pflegestellen

Die Gewerkschaft Verdi wirbt bundesweit für eine Petition an den Bundestag, mehr Pflegestellen zu schaffen. Sie soll dem Parlament noch vor den Bundestagswahlen überreicht werden. Deswegen fand die Protestaktion vor dem Klinikum Dachau am vergangenen Donnerstag statt. Helios-Betriebsratsvorsitzender Möbs bedauert die Position der Unterzeichner des Offenen Briefs, sich nicht in tarifpolitischen Auseinandersetzungen einmischen zu wollen. Denn im aktuellen Fall gehe es um den nötigen Druck, auf die politisch Verantwortlichen im Bund.

Im Gegensatz zum Sprecher der SPD-Fraktion im Kreistag, dem Vierkirchener Bürgermeister Harald Dirlenbach, erklärte der SPD-Ortsverein Dachau am Wochenende über Facebook, mit der Gewerkschaft Verdi und dem Helios-Betriebsrat ausdrücklich "solidarisch" zu sein.

© SZ vom 15.05.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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