Nahverkehr:Was ein S-Bahn-Nordring für Karlsfeld bedeuten würde

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Bis zu 44 000 Fahrzeuge quälen sich pro Tag über die Münchner Straße in Karlsfeld. Eine neue Verbindung soll mehr Menschen auf die Schiene bringen. (Foto: Niels P. Jørgensen)

Der S-Bahn-Nordring könnte mit drei bis vier Pendlerfahrten am Tag bereits eine kleine Entlastung im Berufsverkehr in den beiden größten Landkreiskommunen bringen.

Von Christiane Bracht, Dachau/Karlsfeld

Ein S-Bahn-Pendelverkehr von Dachau zu BMW über den Nordring ist möglich - nicht regelmäßig, aber ab und zu. Das ist das Ergebnis der Machbarkeitsstudie, die die Stadt München, der Freistaat Bayern und der Münchner Verkehrs- und Tarifverbund (MVV) 2017 in Auftrag gegeben haben. "Es ist ein wichtiger kleiner Schritt", sagt der Dachauer Landrat Stefan Löwl (CSU) erleichtert. Er hatte das Ergebnis bereits erwartet. Wenn drei oder vier Mal am Tag eine S-Bahn auf der etwa 30 Kilometer langen Strecke verkehrt und die Fahrgäste sie auch gerne nutzen, bedeute dies "1000 Autos weniger in Karlsfeld und natürlich auch in Dachau", erklärt Löwl. Es wäre zumindest eine kleine Entlastung. Derzeit befahren etwa 44 000 Autos täglich die Münchner Straße in Karlsfeld. "Bis die Züge eingerichtet werden können, wird es aber wohl drei oder vier Jahre dauern", betont der Landrat vorbeugend. Niemand soll glauben, dass dies bereits zum nächsten Fahrplanwechsel Realität sein könnte.

Seine Vision sieht freilich schöner aus: Ein neuer S-Bahnhalt in der Breitenau, wo Pendler aus dem Hinterland ihre Autos abstellen können, um auf die Schiene umzusteigen. Von dort aus wünscht sich der Landrat einen 15-Minuten-Takt nach München, abwechselnd mal über die Stammstrecke und mal über den Nordring zum Ostbahnhof. Das ist bislang eher ein Wunschtraum. In der Breitenau müsste erst ein Bahnhof gebaut werden mit einem neuen Abstellgleis und entsprechender Infrastruktur für die Pendler vom Land. Zudem fehlen am Nordring eine Querung der ICE-Gleise und Alternativen für den Güterverkehr. Ein Teil der Transportzüge muss auf andere Strecken umgeleitet werden, um den S-Bahnen Platz zu machen. Erst wenn diese beiden Voraussetzungen erfüllt sind, ist ein regelmäßiger Takt für Personenzüge auf dem Nordring möglich. Zudem fehlt auch eine Weiterführung der Gleise von BMW zum Ostbahnhof.

Mehr als 20 Jahre wird es vermutlich dauern bis diese Tangentialverbindung existiert, mutmaßt Löwl. Zu seinem Traum gehört ein weiterer Halt: Karlsfeld. Der jetzige Bahnhof liegt nicht auf der Route zum Nordring. Der Zug wird vorher über das ICE-Gleis geleitet. Das bedeutet, der bestehende Bahnhof müsste erweitert werden. "Wo Platz dafür ist und wie man ihn erschließt, muss man prüfen. Es wird auf jeden Fall schwierig, denn dort ist nicht viel Luft." Der Betriebsrat der Firma MAN drängt auf den Anschluss an Karlsfeld.

"Der Nordring muss eine Verbesserung für alle Arbeitnehmer im Münchner Norden sein", sagt der Vorsitzende Saki Stimoniaris. Er begrüßt die Initiative von Freistaat, Stadt München und dem MVV die Route nutzbar zu machen, aber er legt auch Wert darauf, dass nicht nur BMW davon profitiert. "Nicht nur in Milbertshofen, auch im Bereich Allach und Karlsfeld kommen täglich Tausende zur Arbeit", erinnert Stimoniaris. "Daher sind echte Verbesserungen für Pendler nur möglich, wenn der Nordring über Karlsfeld führt und somit die Verbindung in den Münchner Nordwesten endlich gestärkt wird."

"Es ist wichtig, dass alle großen Firmen das Projekt unterstützen", sagt Löwl. BMW hat die Nutzung des Nordrings mit der Entscheidung, sein Forschungs- und Innovationszentrum in den Münchner Norden zu bauen, extrem beschleunigt. Auch MAN ist laut Löwl politisch und emotional sehr engagiert. Das Unternehmen habe die Untersuchung auch mit Datenfreigaben unterstützt. "Viele unserer rund 10 000 Mitarbeiter am Standort Allach kommen heute mit dem Auto zur Arbeit", erklärt MAN-Sprecher Manuel Hiermeyer. Denn mit dem öffentlichen Nahverkehr bräuchten sie länger. So herrsche um das Werk herum Parkplatznot und das "Verkehrsaufkommen auf den Zufahrtsstraßen rund ums Werk" sei unnötig hoch. "Eine Anbindung an den Nordring würde es für viele attraktiv machen, auf das Auto zu verzichten", sagt Stimoniaris. Auch der Landrat ist überzeugt, dass die "große Lösung" ein echter Schritt zur Entlastung der Straßen sei.

Doch die größte Krux ist die Querung der ICE-Strecke. Nur wenn dies kreuzungsfrei möglich ist, also durch eine Brücke oder einen Tunnel, dann können die Personenzüge im Takt über den Nordring fahren. Aber das beinhaltet Investitionen im Millionenbereich und Planungen die länger als ein Jahrzehnt dauern, so Löwl. Vorerst gibt es nur wenige kurze Zeiten, in denen die ICE-Strecke für eine Querung frei ist und in der keine Güterzüge die Gleise belegen. "Vor einem Jahr war die Rede von drei möglichen Hin- und Rückzügen", sagt Löwl. Allerdings seien die Zeiten für Pendler nicht uninteressant. Sie werden sich aber mit jedem Fahrplanwechsel ändern, prophezeit der Landrat.

© SZ vom 09.01.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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