Mordfall Erdweg:Erdrückende Beweislast

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Auf der Treppe zum Haus der Ermordeten in Großberghofen legten Freunde und Bekannte der Toten Blumen nieder und stellten Kerzen auf. (Foto: Niels P. Jørgensen)
  • Nach monatelangen Ermittlungen haben Staatsanwaltschaft und Polizei den genauen Tathergang des Erdweger Mordfalls rekonstruiert.
  • Gegen den dringend tatverdächtigen, 26-jährigen Erdweger wird jetzt Anklage wegen Mordes erhoben.
  • Den Ermittlungen zufolge soll er das 76-jährige Opfer erdrosselt und erstochen haben.

Von Benjamin Emonts, Erdweg/München

Es war ein brutales Verbrechen. Nach monatelangen Ermittlungen haben Staatsanwaltschaft und Polizei den genauen Tathergang des Erdweger Mordfalls rekonstruiert. Gegen den dringend tatverdächtigen, 26-jährigen Erdweger wird jetzt Anklage wegen Mordes erhoben, wie die Staatsanwaltschaft München II der SZ mitteilte. Den Ermittlungen zufolge soll er das 76-jährige Opfer erdrosselt und erstochen haben.

Am 31. Oktober des vergangenen Jahres war die 76-jährige Rentnerin tot in ihrem Haus im Erdweger Ortsteil Großberghofen aufgefunden worden. Zwei Tage nach dem grausamen Fund nahm die Polizei einen 26-jährigen Drogenabhängigen aus Erdweg fest. Der vielfach Vorbestrafte hatte mit der EC-Karte des Opfers bei mehreren Münchner Banken Geld abgehoben. Ein Polizist der Kripo Fürstenfeldbruck erkannte den Mann auf den Videoaufzeichnungen einer der Bankfilialen wieder. Einsatzkräfte der Polizei suchten in der Umgebung des Tatorts wochenlang vergeblich nach der bis heute verschwundenen Mordwaffe. Seit seiner Festnahme sitzt der Tatverdächtige im Gefängnis München-Stadelheim in Untersuchungshaft. Inzwischen hat er die Tat eingeräumt.

Die Beamten gaben keine Details zur Tat preis

Während der vergangenen Monate hielten sich die ermittelnden Beamten sehr bedeckt. Sie wollten keines der Details über den Hergang der Tat preisgeben. Weil kein Täterwissen an die Öffentlichkeit gelangen sollte, waren sie nicht einmal zu einer Andeutung bereit. Jetzt aber wird klar, was für ein brutales Verbrechen in dem beschaulichen Großberghofen begangen wurde; in einem kleinen Ort mit Bauernhöfen und Wohnhäusern, in dem nicht viel mehr als 1000 Menschen leben.

Die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft München II ergeben nun eine erdrückende Beweislast gegen den verhafteten Mann. Am Tattag, davon geht die Justizbehörde aus, war der Erdweger auf der Suche nach Geld, mit dem er seine Verlobte aus dem Gefängnis auslösen wollte. So kam er schließlich zum Grundstück der 76-Jährigen, die nicht weit von ihm entfernt wohnte. Unter dem Vorwand, seinen Schlüssel verloren zu haben und telefonieren zu müssen, soll der Angeschuldigte sich Zugang zum Haus des späteren Opfers verschafft haben.

Ingesamt 14 Mal zugestochen

Nachdem er die EC-Karte aus der Geldbörse der Frau entwendet und die dazugehörige Geheimnummer erpresst hatte, soll er die Frau zunächst von hinten mit einem Kabel gewürgt haben. Als die Rentnerin zu Boden ging, soll ihr der Beschuldigte mehrere Stiche mit einem Messer versetzt haben, das er dabei hatte. Gleichzeitig versuchte er weiter, das Opfer zu erdrosseln. Dann hat sich die Auseinandersetzung vom Esszimmer in den Flur verlagert. Hier stach der Erdweger weitere Male mit dem Messer auf die 76-Jährige ein. Insgesamt, so die Angaben der Staatsanwaltschaft, soll er 14 Mal zugestochen haben. Die Wunden, allesamt in der Gesichts- und Halsregion der Frau, waren bis zu elf Zentimeter tief. "Die Rentnerin ist am massiven Blutverlust in Kombination mit der Drosselwirkung verstorben", erklärt Ken Heidenreich, Sprecher der Staatsanwaltschaft München II.

Der angeschuldigte Erdweger, der sich wenige Wochen vor dem Mord wegen Drogenverkaufs vor dem Amtsgericht Dachau verantworten musste, "wird sich bis zum Beginn der Hauptverhandlung nicht weiter äußern", teilt sein Rechtsanwalt mit. Das zuständige Gericht muss nun entscheiden, ob es die Anklageschrift zur Hauptverhandlung zulässt, bevor es einen Termin für den Prozessbeginn festlegt. Bei einer Zulassung der Anklage rechnet die Staatsanwaltschaft frühestens im Herbst mit dem Beginn der Verhandlungen. Falls der Erdweger, der lange Zeit heroinsüchtig und zuletzt im Methadon-Programm war, verurteilt wird, erwartet ihn nach deutschem Recht lebenslange Haft. Der Verdächtigte, das teilt Staatsanwalt Ken Heidenreich mit, habe bereits während des Ermittlungsverfahrens die Tat eingeräumt. Ein psychiatrisches Gutachten hat nach Auskunft der Staatsanwaltschaft ergeben, dass der mutmaßliche Täter zum Zeitpunkt des Mords nicht im "Zustand der Schuldunfähigkeit" gehandelt habe. Dafür spreche, dass das Verbrechen geplant verübt worden sei.

In der Gemeinde kursierten zahlreiche Gerüchte

Bis zum heutigen Tage stimmt der Mordfall die 6000 Einwohner der Gemeinde Erdweg fassungslos. Insbesondere die Bürger, die in der näheren Umgebung des Tatorts leben, fürchten um ihre Sicherheit. Während der fast sieben Monate andauernden Ermittlungen kursierten in der Gemeinde zahlreiche Gerüchte. So wurde etwa gemutmaßt, dass ein zweiter Täter an dem Mord beteiligt gewesen sein könnte, der weiterhin auf freiem Fuß ist. Den Untersuchungen der Staatsanwaltschaft zufolge kann dieser Verdacht ausgeschlossen werden.

Das 76-jährige Mordopfer war eine beliebte Bürgerin in der Gemeinde Erdweg, die von ihren Bekannten als lebenslustig beschrieben wurde. Sie engagierte sich für den Seniorenklub, den sie zeitweise leitete, nahm an der örtlichen Malgruppe teil und arbeitete ehrenamtlich viele Jahre lang in der Gemeindebücherei mit. Im Dezember 2012 zeichnete sie der damalige Landrat Hansjörg Christmann mit dem Ehrenzeichen des bayerischen Ministerpräsidenten aus. Etwa 300 Menschen gaben der 76-jährigen Rentnerin auf dem Großberghofener Friedhof das letzte Geleit.

© SZ vom 24.04.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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