Mitten in Unterweikertshofen:Bitte, watt?

Warum die Bayern keine Ahnung vom Meer haben und die Zugezogenen nichts vom Karteln verstehen

Von Viktoria Großmann

Natürlich versteht man noch nicht alles, wenn man als Zugezogener erst seit zehn Jahren in Bayern lebt. Integration, das weiß auch der Landrat, findet im Grunde erst in der nächsten Generation statt. Wenn die Kinder von klein an im Kindergarten lernen, das R zu rollen und die Brezn zu lieben. Vielleicht lernen sie dort auch, wie man eine Brezn so in der Mitte durchschneidet, dass man sie akkurat mit Butter bestreichen und wieder zusammenlegen kann. Der Erwachsene ist froh, wenn er es geschafft hat, Regel eins des Integrationshandbuchs zu verinnerlichen: Der Bayer ist sich selbst genug. Er braucht die Welt nicht. Oder doch?

Hat er nicht öfter Sehnsucht nach der Nordsee? Nach dem rauen, ehrlichen Meer? Nach einem salzigen Hering, statt eines Süßwasser-Steckerlfischs? Oder warum veranstaltet er alle naselang Wattrennen? Und wo? Am Ufer der Amper bei Niedrigwasser? Am entwaldeten Ufer des Karlsfelder Sees? Bei Ebbe in der Kiesgrube? Wer rennt da und was ist der Preis? Flusskrebse? So richtig scheinen die Bayern keine Ahnung vom Meer zu haben. Sie treffen sich zum Wattrennen im Haus der Dorfgemeinschaft in Unterweikertshofen, 18.30 Uhr, an einem 2. April. Zu gewinnen sind "Fleischpreise", 1. Preis: ein Schlegel, teilt Scholzibub per E-Mail mit. Und es dämmert dem Zugezogenen, dass hier Regel zwei des Integrationsbuchs angewendet werden muss: Wenn man es nicht versteht, hat es mit Kartenspiel, Wirtshaus und Fleisch zu tun. Mehr braucht man als Zugezogener nicht zu wissen. Nur das: Scholzibub ist sicher kein echter Bayer. Sonst hieße er nämlich Scholzibua.

© SZ vom 17.03.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: