Mitten in Karlsfeld:Nur ein Brückenschlag

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Man braucht nicht unbedingt tonnenweise Beton und Stahl für eine Brücke, wie ein Geistesblitz aus der Gemeinde Karlsfeld zeigt

Kolumne Von Walter Gierlich

Von "Brücken bauen" ist in letzter Zeit ziemlich oft die Rede. Wenn beispielsweise jemand versucht, Menschen oder Gruppen, die unterschiedlicher Meinung sind, wieder miteinander ins Gespräch zu bringen. Besonders gern wird die Metapher derzeit in der Politik verwendet, die gerade jetzt weltweit und ganz besonders in Bayern kräftig durcheinandergewirbelt ist. Da sollen über Partei- oder Staatsgrenzen hinweg neue Verbindungen geschaffen werden, um Differenzen zu beenden und ein friedliches Zusammenleben und -wirken zu ermöglichen. Doch nicht immer handelt es sich nur um Brücken im übertragenen Sinn. So konnte die staunende Welt in dieser Woche erfahren, dass in China nun die beiden Ufer der Mündung des Perlflusses zwischen Hongkong und Macao durch ein 55 Kilometer langes Bauwerk verbunden sind. Neun Jahre lang haben die Ingenieure und Arbeiter gebraucht, um das Riesenwerk fertigzustellen. Wer das für einen ungebührlich langen Zeitraum hält, der möge sich daran erinnern, dass in Dachau 2014 die Mitterndorfer Amperbrücke erneuert wurde. An dem vielleicht 20 bis 25 Meter langen Bauwerk wurde von April bis Dezember gewerkelt. Also ein Dreivierteljahr für so eine kurze Strecke. Hätten die Chinesen im selben Tempo an ihrem Riesenprojekt gearbeitet, hätte man die Fertigstellung in etwa 2000 Jahren feiern können.

Und doch kann man den Dachauern nicht vorwerfen, dass sie beim Brückenbau wirklich langsam gewesen wären. Jedenfalls dann nicht, wenn man den Vergleich mit der Nachbargemeinde Karlsfeld heranzieht, wo vieles noch ein bisschen länger dauert. Man denke nur an jenes berühmt-berüchtigte zwei Hektar große Loch, das von 2009 bis 2014 im Ortszentrum klaffte. Gut 40 Jahre lang hatten die Kommunalpolitiker zuvor bereits an der dann endlich entstandenen "Neuen Mitte" herum geplant. Genauso zäh wurden jahrzehntelang Möglichkeiten erörtert und Alternativen hin und her gewälzt, wie man einen Brückenschlag über die vierspurige überlastete Münchner Straße bewerkstelligen könnte, die den Ort brutal durchschneidet und dessen östliche und westliche Teile voneinander trennt. Doch nun mit den Planungen für das Ludl-Gelände haben die Architekten endlich die - vermeintliche - Lösung gefunden: Eine Ampel soll das Überqueren ermöglichen. Welch grandiose Idee! Dass da bisher niemand draufgekommen ist.

© SZ vom 29.10.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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